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Steinbrück & Co

Ansehensverlust „der Politik“?  Abwendung der Bevölkerung von „der“ politischen Kaste? Gar Hass auf „das Politische“, wie der Focus schreibt? Eher erstaunlich ist, dass sich „die“ Politik darüber zu wundern scheint. Denn sicher geschieht dabei „der Politik“ auch Unrecht. Denn korrupter ist „die Politik“ in Deutschland in den letzten Jahren nicht geworden. Deutlich wird nur, dass die Regierungskoalition Transparenz bei den Nebeneinkünften ihrer Abgeordneten verweigert und dass der §108e StGB (Abgeordnetenbestechung) nicht an internationale Antikorruptionsabkommen angepasst wird.

Schon die Debatten darüber führen zur berüchtigten Politikverdrossenheit, da Mauscheleien heute eben das grelle Licht der Öffentlichkeit erreichen, wo sie früher im Dunklen blieben. Das ist das eigentliche Pech für die Wulffs oder Steinbrücks. Raffkes und Wichtigtuer fielen früher einfach weniger auf. Denn was ist schließlich der Urlaub in der Villa eines Millionärskumpels gegenüber einem Franz Josef Strauss, der es im Amt vom einfachen Landrat, Abgeordneten, Verteidigungsminister und Ministerpräsidenten zum Multimillionär brachte? Trotz seiner natürlich nicht geringen Einkünfte aus öffentlichen Kassen könnte er dies niemals schaffen. Seine Deals in die eigene Tasche, vor allem mit Hilfe der Rüstungsindustrie, wären mit den heutigen Möglichkeiten der Kontrolle einer sensibilisierten Öffentlichkeit nicht mehr möglich.

Und da sind wir eben aktuell wieder bei Leuten wie Wulff oder Steinbrück, welche das nicht verstehen wollen oder können. Darf ein Politiker keine Freunde haben, die einem uneigennützig eben mal ne Menge Geld leihen jammerte Wulff. Dürfen Sozialdemokraten kein Geld verdienen, klagte Steinbrück. Ihr Pech ist es, neben den Guttenbergs eben in der falschen und für sie tödlichen medialen Öffentlichkeit des Internet Politiker geworden zu sein. Ein FJS wäre in dieser Welt so heute nicht mehr möglich. Das mag den Genannten zum kleinen Trost gereichen.

Steinbrück hat kein Projekt

Ist Geld verdienen verwerflich? Grundsätzlich NEIN. Aber es kommt eben darauf an. Unappetitlich kann schon die Nähe zu den Geldgebern werden. Dies betrifft nicht nur Anwaltskanzleien, von denen man sich Gesetze schreiben und Vorträge finanzieren lässt.

Steinbrücks Problem ist aber noch ein ganz anderes. Er verdient bereits nach seinem Amt als Finanzminister und nebenher als MdB. Das ist ihm nicht unbedingt vorzuwerfen, wenngleich es eher eine schwarzgelbe Spezialität ist. Vorwerfen kann man ihm aber seine daraus resultierende Vernachlässigung des Abgeordnetenmandats, zumal er nicht aus der Politik ausscheiden wollte und das höchste Regierungsamt anstrebt. Sein Engagement in der Finanzkrise, also seine Kernkompetenz, blieb jenseits von Vorträgen oberflächlich. Das lässt auf mangelnde Ernsthaftigkeit schließen. Insgesamt fehlt ihm daher ein Projekt, für das er glaubhaft stünde. Es kommen keine Antworten, wofür er steht oder wofür er wenigstens einmal namhaft spendete. Er sagt immer das, was ihm gerade einfällt oder was ihm Parteitagsredenschreiber an Nettigkeiten auflisten.

Schröder stand noch engagiert für etwas, mag man nun dessen Agenda 2010 befürworten oder ablehnen. Selbst der unsägliche Geschäftemacher FJS stand wenigstens für bayerische Folklore und die Schlitzohrigkeit, den damaligen DDR-Oberen und Devisenbeschaffern bayerische Fleischreste verkauft zu haben. Wulff stand nur noch für sich selbst und seine Wichtigtuerei. Steinbrück steht für Nichts.

Ein ehemaliger NRW- Ministerpräsident und dortiger Bundestagsabgeordneter hat eben die Verantwortlichen der Stadtwerke einer bankrotten Stadt zu fragen, ob sie noch ganz dicht sind, wenn sie ihm ein Honorar von 25.000.– Euro für ein abendliches Referat andienen wollen. Das wäre nicht nur eine Frage politischen Anstands, sondern eine schlichte Selbstverständlichkeit.

Mit gerührter Stimme beklagt aber dieser Steinbrück auf SPD-Parteitagen dann lieber und berechtigt die schwierige Lage von Studierenden auf dem Wohnungsmarkt. Prima. Das Studentenwerk Bochum hätte mit 25.000.– Euro schon beim einen oder anderen dieser Probleme von Studierenden helfen können. Diese Rede lässt bei mir aber schon deshalb den Kamm senkrecht schwellen, weil ich wochenlang hinter ihm her rannte, um im Rahmen des damaligen Konjunkturprogramms ein paar Milliönchen für studentischen Wohnungsbau zu ergattern. Tatsächlich konnte so wenigstens nach langem Kampf etwas Geld für energetische Sanierungen in Studentenwohnheimen gepumpt werden. Aber viel lieber steckte man die Mittel tausendfach verpufft in die wenig nachhaltige Abwrackprämie.

Und hier sind wir beim Steinbrück- Problem. Er interessiert sich nicht wirklich für die realen Probleme von Menschen. Deutlich wurde dies zuletzt auch an seinem 5.– Euro Fauxpas, als er seine Weingewohnheiten mit einer Kindergelderhöhung in Zusammenhang brachte. Das Beispiel war nicht nur wegen des Themas unpassend. Ihm fehlt als Sozialdemokrat offensichtlich jedes Gespür dafür, dass es in manchen Familien besonderer Anlässe bedarf, sich auch für „nur“  5.– oder 10.–  Euro mal wieder einen ordentlichen Wein zu leisten.

Insofern kann Merkel kalt lächelnd mit dem Verweis auf ihre ausreichenden Bezüge punkten. Und sie lenkt dank dieser Eskapaden unseres deutschen Mitt Peer Romney vom eigentlichen Treiben ihres Kabinetts und von schwarzgelber Korruption ab. In dieser Gemengelage entsteht in der Tat Hass auf die Politik. Die Wirkung ist grauenvoll, sagt Parteienforscher Falter. Leider richtig.

Keine Helden

Ich sage aber auch deutlich, zu keinem Zeitpunkt habe ich in einem meiner öffentlichen Ämter jemandem einen unberechtigten Vorteil gewährt. Persönliche Freundschaften sind mir, gerade auch menschlich, wichtig. Sie haben aber meine Amtsführung nicht beeinflusst. Dafür stehe ich. Christian Wulff am 22.12.11

Jetzt soll gegen den Bundespräsidenten doch ermittelt werden. Der Verdacht: Vorteilsnahme und Vorteilsgewährung.

Einige feiern deshalb bereits die Staatsanwaltschaft wegen deren „Mutes“, die Aufhebung der Immunität des Bundespräsidenten zu beantragen. Zu Recht? Nein. Wenn eine Staatsanwaltschaft Anhaltspunkte für Ermittlungen sieht, hat sie diese zu ergreifen (§152 StPO). Und zwar ohne Ansehen der Person. Und ohne Tricks.

Doch die gab es reichlich.

Trotz schwerer Vowürfe, bereits im Fall Geerkens, wurden keine Ermittlungen aufgenommem. Vielmehr erklärte unmittelbar vor Wulff am 22. 12. 11 die Staatsanwaltschaft Hannover,

…sie habe keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat und werde deshalb nicht gegen Wulff ermitteln…

Welch wunderbarer Zufall. Der Herr Bundespräsident wirft seinen Vertrauten raus, entschuldigt sich, wünscht ein schönes Weihnachtsfest und die Staatsanwaltschaft stellt ein. Alles an einem Tag. Zufall? Wohl eher abgekartetes Spiel.

Zu diesem Zeitpunkt lagen 20 Strafanzeigen vor. Auch dies hinderte die niedersächsische Justiz nicht, die obige Erklärung im Januar 2012 zu wiederholen. Zu diesem Zeitpunkt gab es bereits heftige Kritik am Verhalten der Strafverfolger.

Schon am 14. 1. 2012 befragte – sicher nicht nur ich – Staatsanwältin Sillinger als deren Pressesprecherin, ob man nicht endlich zu handeln gedenke. In Hannover stellte man sich mausetot. Und nun heute der Paukenschlag. Ungewöhnlich ist auch die Vorabmeldung eines Antrags auf Aufhebung der Immunität. Allein zur Vermeidung der Beseitigung von Beweismitteln wird dieser Antrag normalerweise nicht bekanntgegeben. Ich sass einige Jahre im Immunitätsausschuss des Bundestages.

Offensichtlich wurde einigen Staatsanwälten der Boden nun doch zu heiß. Nach immer neuen Vorwürfen gab es keine Ausreden mehr, gegen Wulff nicht zu ermitteln. Dies hätte so langsam nach Strafvereitelung ausgesehen. Auch Staatsanwälte können belangt werden. Immerhin ist bereits der Versuch strafbar.

Denn gestern erschien offiziell der Aufsatz von Hans Herbert von Arnim. Lesenswert- auch für Nichtjuristen! Ein Knaller.

Heute also handelten die Herrschaften in Hannover. Das Dach muss lichterloh brennen.

Als mutige Kämpfer um Aufklärung taugen diese Staatsanwälte also nicht. Allein Staatsrechtlern wie von Arnim, einer zunehmend empörten Öffentlichkeit und investigativen Journalisten ist es zu verdanken, dass die Affäre Wulff mit dem 22. 12. 2011 nicht zu Ende war. Letzteres muss zur Ehre des Berufsstands auch mal wieder gesagt werden. Für Staatsanwälte aber war das Thema bereits erledigt. Wir sind Helden können daher andere singen.

Untoter von Merkels Gnaden

Victor5679 (CSU) aus Bayern twitterte ziemlich einsam: Ein guter Tag für Wulff. Er meinte damit nicht die knappe Mehrheit in der schon damals verkorksten Bundesversammlung bei dessen Wahl. Sondern tatsächlich das gestrige Interview, weil zwei öffentlich-rechtliche Frager vergeblich versuchten, einen Pudding an die Wand zu nageln. Wulff wusste, warum er sich schon vor Weihnachten keinen Nachfragen oder jetzt gar der Bundespressekonferenz stellte. Deppendorfs beste Zeiten sind offensichtlich auch längst vorbei. Unseren weinerlichen Bundespräsidenten hätte gestern der Volontär eines Anzeigenblatts schlachten können.

In Ermangelung von Inhalten der präsidialen Erklärungen wurde auf twitter beiläufig so auch mehr die Frage diskutiert, wie man es mit dem Bezahlen bei Freunden hält. Ich zahle auch nicht, wenn ich mich dort mal wieder eingenistet habe. Aber ich zeige mich erkenntlich. Mindestens mit der Bezahlung eines guten gemeinsamen Abendessens. Womit zeigt sich ein Bundespräsident erkenntlich? Weiterlesen

Wie im Märchen…..Fragen zu Herrn Wulff

Update 27. 12. nach dieser Antwort auf meine Anfrage vom 23. 12.:

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir äußern uns zu dieser Kundenbeziehung derzeit nicht.

Mit freundlichen Grüßen Manfred Rube, Direktor,

Leiter Vorstandssekretariat/Kommunikation (1350 KS) Baden-Württembergische Bank, Stuttgart

Das verwundert nicht wirklich. Dennoch stellen sich neue Fragen, die ich der BW-Bank gestellt habe:

Sehr geehrter Herr Rube,

vielen Dank für Ihre freundliche Antwort. Das Wort „derzeit“ lässt ja hoffen. Bis wann ist damit zu rechnen, dass Sie sich zu dieser Kundenbeziehung äußern? Treffen Presseberichte zu, dass auch der Aufsichtsrat Anfragen zu dieser Kundenbeziehung gestellt hat? Falls JA: Gibt es einen Termin, bis zu dem eine solche Anfrage aus dem Aufsichtsrat beantwortet wird? Treffen Presseberichte zu, dass der Aufsichtsrat in den Vorgang Wulff nicht involviert war? Gab es dem gegenüber einzelne Aufsichtsratsmitglieder, die in das Geschäft eingeweiht waren oder es gar vermittelt haben?

Dessen ungeachtet bitte ich um Beantwortung meiner Frage, wie viele Eigenheime die BW-Bank in Niedersachsen derzeit finanziert.

Mit freundlichen Grüßen Jörg Tauss

Warum wohl diese Zurückhaltung unseres baden-württembergischen staatlichen Bankinstituts? Vorsitzender des Aufsichtsrats ist immerhin der baden-württembergische Finanzminister. Hier also nochmals der Ausgangspunkt der oben dokumentierten Korrespondenz:

Es war einmal….. So beginnen viele Märchen. Und so läuft es nach eigener Werbung auch bei der BW-Bank in Baden- Württemberg. Wie im Märchen – nur einfacher. Wie aber kommt ein guter Wulff an einen märchenhaften baden-württembergischen Kredit mit 0,9 – 2,1% „flexiblem“ Zins für sein Häuschen in Großburgwedel / Niedersachsen?

Zu diesem Kreditgeschäft zwischen Herrn Wulff , zur Zeit Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland, und der BW-Bank in Baden-Württemberg gibt es daher  und jenseits der schönen Märchen von guten Freunden nun doch einige Fragen. Da ich Antworten hierzu noch nirgendwo an anderer Stelle gelesen habe, habe ich mich mal direkt bei der Pressestelle der BW-Bank erkundigt (die leicht genervte Antwort siehe oben):

Sehr geehrte Damen und Herren,

die BW-Bank hat in Niedersachsen ein Eigenheim des damaligen Ministerpräsidenten finanziert. Dazu gibt es einige Fragen:

1. Wie viele Eigenheime in Niedersachsen werden aktuell durch Ihr Haus finanziert?

2. Weshalb wurde Herrn Wulff ein Kredit mit Zinsen zwischen 0,9 und 2,1% vermittelt?

3. Gibt und gab es vergleichbar günstige Finanzierungen für andere Eigenheime in Baden-Württemberg und Niedersachsen durch Ihr Haus?

4. Wie entstand der Kontakt zwischen Herrn Wulff und der BW-Bank? Hat sich Herr Wulff direkt an Sie gewandt oder wer vermittelte das Kreditgeschäft?

Für eine zeitnahe Beantwortung der Fragen bin ich dankbar.

Mit freundlichen Grüßen

Jörg Tauss

Abhängig ist der Jahreszins laut Werbung bei der BW-Bank übrigens von persönlichen Faktoren… Je mehr Präsident, wahrscheinlich desto günstiger. Wie gesagt. Wie im Märchen.

Über das weitere Schicksal dieser Anfrage werde ich natürlich an dieser Stelle einen kleinen Artikel verfassen. Frage 4 habe ich übrigens auch direkt an Herrn Wulff unter seiner derzeitigen Berliner Adresse gestellt.

Fragen stellen andere übrigens nun auch:

http://m.ftd.de/artikel/60147207.xml?v=2.0