Schlagwort-Archive: Urheberrecht

Union für Anonymität im Internet?

Die Urheberrechts-Lobbyisten MdB Heveling (das ist der mit dem Krieg) und MdB Dr. Krings (das ist der Gegner von Schrankenregelungen im Internet zu Gunsten von Bildung und Wissenschaft) haben Anonymous wegen der Veröffentlichung von Unterstützerdaten einer  Initiative für das alte Verwerterrecht „kriminelle Machenschaften“ und „antidemokratisches Denken“ vorgeworfen. Dabei wurde von dort völlig legal nur dafür gesorgt, dass öffentliche Daten nicht anonym bleiben. Dies war mir ein kurzes Gezwitscher an die werten Ex-Kollegen wert:

Ihre Pressemitteilung gegen eine Aktion von Anonymous hat mich etwas erstaunt:

Ich bin nun nicht „die Netzgemeinde“ (wer ist das?),  begrüße aber die Veröffentlichung der Daten und offensichtlich im Gegensatz zu Ihnen sehr. 

Es handelt sich hier nicht um Einschüchterung, sondern um die notwendige Transparenz der Unterstützer und Sympathisanten der auch von Ihnen im Deutschen Bundestag vertretenen Contentmafia gegen ein modernes Urheberrecht.

Wer nichts zu verbergen hat, und sich an einem öffentlichen Aufruf beteiligt, sollte hierüber dessen ungeachtet doch eigentlich froh sein. Es erleichtert den von den Zeichner(inne)n offensichtlich gewünschten Dialog und vermeidet die von der Union gelegentlich kritisierte Anonymität im Internet;) Dessen ungeachtet findet man einen Großteil dieser Daten in jedem Telefonbuch. 

Aber evtl. bewirkt dies Ihrerseits auch ein vertieftes Nachdenken über die problematische Vorratsdatenspeicherung, die in der Praxis  tatsächlich zu Einschüchterung führt. Wer als Bürger nach Ihrem Willen nicht mehr ohne Gefahr der Nachvollziehbarkeit frei kommunizieren kann, zum Beispiel mit Journalisten, wird evtl. auch Aufrufe nicht mehr unterzeichnen oder auch nicht mehr den einen oder anderen Missstand öffentlich machen.

 Viele Grüße

Jörg Tauss

Freier Journalist

Dass Grüne noch peinlicher sein können als die genannten Herren der Union beweist übrigens einmal mehr Frau Krummwiede, kulturpolitische Sprecherin ihrer Fraktion im Deutschen Bundestag:

http://www.agnes-krumwiede.de

/presse/artikel/00e01d1f2a16fee8ef288ba9d65c64c4/mittelalterliche-methoden-der-einsch.html

„Zurückranten“

Es ist hoch interessant zu beobachten, wie ausgerechnet beim Thema Urheberrecht und Internet der Weberaufstand tobt. Während die Weber der Jahre 1844 tatsächlich noch von sozialer Katastrophe, Hunger und nacktem Elend bedroht waren, machen hier gut verdienende Besitzstandswahrer gegen eine freiheitlich angelegte Technik und deren Nutzer Stimmung.

Rants wie die von Sven Regener sprechen Bände. Dabei wird in der gesamten Debatte Urheberrecht, Urheberpersönlichkeitsrecht, Verwerterrecht und Urhebervertragsrecht munter durcheinander geworfen. John Weitzmann hat bei Netzpolitik.org Herrn Regener deshalb treffend kommentiert: Unfassbar ignoranter Rant. 

In Wahrheit geht es aber nicht um Ignoranz oder die Privatkopie & Co, sondern um die Erhaltung von Monopolen nach Muster der GEMA. Es geht um die Bevormundung von Menschen bis hin zur Schaffung eines Überwachungsstaats zur Bekämpfung des Internets. Zur Ablenkung hiervon konstruieren die Befürworter einer sich nicht ändern dürfenden Welt ideologisch-juristische Kampfbegriffe wie die vom “geistigen Eigentum”. Weiterlesen

Es gibt kein geistiges Eigentum

Die borniert-ideologische Auseinandersetzung um das „geistige Eigentum“ treibt bizarre Blüten. Jüngstes Beispiel ist die aktuelle ZEIT – Kampagne.

Da halte ich es lieber mit Professor Reto Hilty, Chef des Max-Planck-Instituts für Immaterialgüterrecht, der diesen Begriff  in Frage stellt oder gar mit dem Rechtsgelehrten Hans Forkel, der die Fehlentwicklung in den 80igern wohl schon heraufdämmern sah. Zitat:

 „Allerdings vermeidet man es im deutschen Privatrecht, von „geistigem Eigentum“ zu sprechen, aus der Erkenntnis heraus, dass immaterielle Güter wegen ihrer Eigenart und ihrer Bedeutung für das menschliche Zusammenleben rechtlich weiterhin anders zu bewerten sind als Sachgüter, für die das bürgerliche Recht Eigentum anerkennt“.

Für die Vertretung dieser Position eines eigentlich konservativen Juristen lasse ich mich vom Börsenverein und seinen Demagogen gerne als Internet-Kommunist „beschimpfen“: Es gibt kein geistiges Eigentum. Nur mal so- für die weitere Diskussion bedarf es offensichtlich grober Keile auf den Klotz geifernder „Urheber“.

PS: Vielen Dank an @esteinhauer , der das Forkel-Zitat zur rp12 ausgegraben hatte.

 

Das trübelsche Problem: Kopf Tisch Kopf Tisch

Ich hatte eigentlich einen schönen Morgen. Gattin und Mamsell waren gut gelaunt. Ich öffnete fröhlich ein frisches Glas Mirabellenmarmelade. Dann twitterte mir der bayerische Landesvorsitzende Dieter Janecek nachfolgenden Beitrag in der Frankfurter Rundschau unvermittelt zu und damit einen Tag (!) vor den Anti-ACTA-Aktionen jegliche gute Laune weg. Dieser Gastkommentar (schlimmer schafft es bestenfalls der in den Krieg ziehende Heveling) erfordert eine gründliche Entgegnung, die nicht frei von Polemik sein kann: Zitate sind jeweils eingerückt.

Helga Trüpel: Gegen ACTA – aber was dann? Ein Freiheitsbegriff, der ohne Verantwortung gedacht ist, beschädigt die kulturelle Vielfalt. Weiterlesen

DGB und klauende Piraten

Ausweislich eines Berichts der FTD hat sich Michael Sommer als Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes wie folgt geäußert:

……(bezüglich des) Internets sei er anderer Meinung als die Piraten. „Man sollte geistiges Eigentum achten“, so Sommer. „Klauen ist klauen – auch im Netz.“

Hier der Artikel, aus dem das Zitat stammt.

http://www.finanznachrichten.de/nachrichten-2012-02/22626184-dgb-chef-sommer-haelt-linke-nicht-fuer-regierungsfaehig-003.htm

Hierzu habe ich an den DGB die nachfolgende Anfrage gerichtet:

  1. Was meint der DGB-Vorsitzende mit dieser Aussage?
  2. Welche Belege hat Herr Sommer dafür, dass die Piraten „klauen“ wollten?
  3. Auf welche Beschlüsse oder Verlautbarungen der Piratenpartei bezieht sich der DGB-Vorsitzende?
  4. Gibt Herr Sommer damit die Meinung des gesamten DGB-Bundesvorstands wider?
  5. Professor Hilty vom Max-Planck-Institut für Immaterialgüterrecht hat den Begriff des „geistigen Eigentums“ für überholt erklärt (Zitat: Es gibt kein geistiges Eigentum). Über welche wissenschaftlichen Erkenntnisse, ggf. der Hans-Böckler-Stiftung, verfügt der DGB-Vorsitzende, dass er offensichtlich am alten analogen Begriff des geistigen Eigentums festhält?
  6. Welche Position hat der DGB zu Open Access und CC ?
  7. Am 11. 2. 12 finden bundesweit Demonstrationen gegen ACTA statt. Mit diesem Abkommen soll nach Auffassung von Kritikern das „geistige Eigentum“ auch unter Akzeptanz der Aufgabe von Bürgerrrechten durchgesetzt werden. Ist die Meinung des DGB- Vorsitzenden auch so zu verstehen, dass der DGB für ACTA ist? Gibt es dazu eine Positionierung des DGB-Bundesvorstands?

Für eine zeitnahe Stellungnahme bin ich dankbar.

Mit freundlichen Grüßen Jörg Tauss

Über die Antwort werde ich informieren

Die Richtung der Union: SOPA

Ansgar Heveling (CDU) und Dr. Günter Krings (CDU) vertreten nach Auffassung des 1. parlamentarischen Geschäftsführers Der CDU-Bundestagsfraktion, Peter Altmaier „nicht die Beschlüsse der Fraktion“. Bitte?

Die beiden Mönchengladbacher Bundestagsabgeordnete sind im Doppelspiel in jeweils führender Funktion als Berichterstatter im Rechtsausschuss und im Kulturausschuss für die CDU/CSU Bundestagsfraktion für das Urheberrecht zuständig.

Heveling jettete auf Steuerzahlers Kosten für seine Parteifreunde auch schon mal kurz nach Cannes, um der Contentmafia die Position der Union in Sachen Urheberrecht zu verklickern und sich anzubiedern. Krings war jahrelang bei sämtlichen Urheberrechtskörben auch gegenüber dem Justizministerium Verhandlungsführer für die Union. Er ist nicht nur „formal“ höchster Rechtspolitiker der Bundestagsfraktion. Und das Urheberrecht ist das „Königsrecht“ des Rechtsausschusses im Deutschen Bundestag. Weiterlesen

..eine vergleichbare Nutzung des analogen Raums…

„In einer digitalisierten und vernetzten Informationsgesellschaft muss der Zugang zur weltweiten Information für jedermann zu jeder Zeit von jedem Ort für Zwecke der Bildung und Wissenschaft sichergestellt werden“

(Kernaussage der von 6 Wissenschaftsorganisationen, 328 Fachgesellschaften und 5500 Einzelpersönlichkeiten unterzeichneten Göttinger Erklärung (2004)

Zwischen dieser an sich selbstverständlichen Vision und der Realität liegen Welten. Aktuell urteilte das Landgericht Stuttgart:

Eine Ausbildungsstätte müsse für die Online-Veröffentlichung aber ein Dateiformat mit „funktionierenden Schutzmechanismen“ wählen, das die Speicherung der eingescannten Werkteile auf den Computern der Lernenden unmöglich mache. Nähere Ausführungen zu einem solchen Format sind der Entscheidung nicht zu entnehmen. Zur Begründung führt das Gericht aus, dass der Gesetzgeber lediglich das Ziel verfolgte, eine Nutzung zu ermöglichen, die der im analogen Raum vergleichbar sei.

Für die Weltfremdheit dieses Urteils muss man nun aber nicht das arme und redlich bemühte Landgericht sondern in der Tat den Gesetzgeber beschimpfen. Denn genau so ist. Dies war und ist der Wille des Gesetzgebers, wie ich in stundenlangen Verhandlungen mit einer großen Koalition aus Brigitte Zypries (SPD) und Dr. Günter Krings (CDU) beim 2. Korb der letzten Urheberrechtsreform erfahren musste. Weiterlesen

Trauerspiel ver.di & Urheberrecht

Via twitter hatte ich angekündigt, zum Urheberrechtspapier von ver.di zu zwitschern. Professor Rainer Kuhlen vom Aktionsbündnis für ein wissenschaftsfreundliches Urheberrecht hatte mich daraufhin freundlicherweise auf den CC-Artikel von Matthias Spielkamp aufmerksam gemacht. Ich verlinke nach Rücksprache mit ihm gerne auf diesen wichtigen Beitrag, der die Kritik auf den Punkt bringt: Weiterlesen

Internet – Enquete: Selbst Abmahnungen kein Thema…

Hinweis: Dieser Text basiert auf dem Stand vom 16. 2. Ein Teil der Kritik, insbesondere zum Abmahnunwesen, ist durch den überarbeiteten Antrag vom 3. 3. 2010 überholt : http://bit.ly/dyCgA3 . Auch wird in dieser neuen Fassung wieder auf die Enquete der 13. LP Bezug genommen.

Die vom Bundestag geplante Enquetekommission „Internet und Digitale Gesellschaft“ soll sich jetzt „unverzüglich konstituieren“, damit noch in dieser Legislaturperiode „erste Umsetzungsschritte“ erfolgen können. The Show must go on….. Der endgültige Antragstext zur Einrichtung der Enquete liegt jetzt vor:

http://carta.info/23027/internet-enquete-kommission-der-endgueltige-antragstext/

Vergleicht man allerdings diesen Text mit dem Ursprungsentwurf vom 13. Januar

http://www.carta.info/docs/EnqueteAntrag.pdf ,

so fallen doch einige sehr wesentliche Änderungen ins Auge:

Die Sicherung eines „freien und ungehinderten Zugangs zum Internet für alle Nutzer und Informationsanbieter (Netzneutralität)“ ist aus dem ursprünglichen Schwerpunktekatalog des Auftrages zum Bereich „Recht und Innen“ herausgestrichen worden und findet sich dort nur noch ohne Handlungsauftrag als Teil einer allgemeinen Beschreibung der Ausgangslage.

Abmahnunwesen kein Thema für die Enquete…

Dass dies nicht profan ist, zeigt sich am Textteil zum Urheberrecht:

Dort wurde nämlich die „Stärkung des Bewusstseins für den Wert geistigen Eigentums“, also für das alte Steinzeiturheberrecht, konkret als Aufgabe benannt und ZUSÄTZLICH noch in den Vorspann mit aufgenommen.

Bezüge auf Europa, Bund und Länder bezüglich einer Weiterentwicklung des Rechtsrahmens wurden gleichfalls gestrichen. Hier lässt der Jugendmedienschutzstaatsvertrag (JMStV) grüßen. Der Bund soll sich mit seiner Internet- Enquete also nicht einmischen dürfen, wenn in den Ländern Sendezeiten für das Internet eingeführt werden.

Der Verbraucherschutz soll formal „gestärkt“ werden. Ersatzlos gestrichen wurde gegenüber dem bisherigen Text allerdings die Absicht, sich mit dem „Missbrauch bei Massenabmahnungen“ zu beschäftigen. Eines der größten Alltagsprobleme im Internet, wie das Abmahnunwesen, darf also kein Thema für diese Kommission sein. Denn nur, was auch im Antrag steht, DARF von einer Enquete bearbeitet werden.

Veralberung der Datenschutzszene…

Und noch eines ist auffällig: Die ursprünglich beabsichtigten Bezüge auf die Enquetekommission zum Internet aus den Jahren 1994 bis 1998 fehlen plötzlich. Wenig verwunderlich: Damals wurde bereits fundiert eine unverzügliche Reform der Datenschutzgesetzgebung angemahnt und vieles zu den rechtlichen und technischen Voraussetzungen für Datenschutz und IT- Sicherheit gesagt und vor allem schriftlich niedergelegt. Die neue Enquete soll sich also erst einmal wieder bei Adam & Eva beginnend damit beschäftigen. Eindrucksvoller kann man nicht dokumentieren, dass auch die neue Bundesregierung kein Interesse an einer Reform des Datenschutzes hat.

Mit einem Blick ins Archiv könnte ganz ohne Enquete im Parlament und im Innenministerium schon morgen mit der Gesetzgebung für ein modernes Datenschutzrecht in der Wissens- und Informationsgesellschaft begonnen werden. Dies aber ist politisch nicht gewollt. Man braucht also diese Enquete, um auch weiterhin REDEN statt HANDELN zu können.

Wir brauchen eine alternative Enquete…

Ungeachtet dieser schon provokanten Veralberung der Datenschutzszene will Schwarzgelb jedoch in „geeigneter Weise“ die Öffentlichkeit an der Arbeit der Enquete „beteiligen“ und bis Ostern 2011 einen Zwischenbericht vorlegen.

Sehr gut! Diesen Ball sollte die liebe Netzgemeinde doch aufgreifen und eine außerparlamentarische alternative Enquete einzurichten, in der die Freiheitsrechte im Internet und tatsächlichen Probleme erörtert und mit der Bundestag und diese Enquete vor sich her getrieben werden.

Zu den bisherigen Artikeln

Es soll enquetet werden….  https://www.tauss-gezwitscher.de/?p=210

Hintergündiges zum designierten Enquetevorsitzenden Axel E. Fischer:

Axel wer?  …… https://www.tauss-gezwitscher.de/?p=234 und ein Link zu seiner bemerkenswertesten unsinnigen Rede: https://www.tauss-gezwitscher.de/?p=252 und ein bemerkenswertes aktuelles Interview vom Januar mit der Stuttgarter Zeitung „Keine Zeit….“ http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/2364538_0_7393_-cdu-politiker-axel-fischer-wir-wollen-freiheit-im-netz-.html

Weitere Links (wird bearbeitet…)

http://politik-digital.de/online-beteiligung-bei-bundestags-enquete

Internet….es soll enquetet werden….

(Überarbeitete Version des Ursprungartikels vom 13. 1. 2010)

Die Koalition will auf Initiative der Union beim Deutschen Bundestag eine  aus Abgeordneten und Sachverständigen bestehende Enquetekommission einrichten, die sich wieder einmal  mit den Folgen von Computerisierung im allgemeinen und dem Internet im Speziellen beschäftigen soll. Dies soll der lieben „Netzgemeinde“ suggerieren, man hätte aus Zensursula gelernt.

Antragstext http://carta.info/23027/internet-enquete-kommission-der-endgueltige-antragstext/

Antragsentwurf http://www.carta.info/docs/EnqueteAntrag.pdf

(„CDU: Bei Internet- Kompetenz aufholen“ http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/0,1518,671781,00.html

So hört sich das Motto für diesen schwarz- gelben Aktivismus einigermassen hübsch an und lautet: „Der Staat muss Rahmenbedingungen schaffen, um die Freiheit des Internet zu gewährleisten“.

Nach allen Erfahrungen von Kanther über Schily, Schäuble bis hin zu de Maizière kann  dies allerdings nur als Drohung empfunden werden.

Denn an Erkenntnissen dürfte es dem Deutschen Bundestag nicht mangeln. Man hat sich dort, mit Ausnahme weniger parteiübergreifender „Freaks“ im Unterausschuss „Neue Medien“, nur nie für das Thema interessiert. So gab es neben einer Reihe interessanter Gutachten des Bundestagsbüros für Technikfolgenabschätzung (TAB) zu Internet- Themen schon 1994 – 1998 die Enquete- Kommission „Neue Medien in Staat und Gesellschaft“, die eine Reihe durchaus wertvoller Berichte verfasste.

Einer dieser in Fachkreisen  viel beachteten Abschlussberichte mit dem schönen Titel „IT- Sicherheit und Datenschutz“ wurde bis heute (!) jedoch nicht im Innenausschuss des Deutschen Bundestages diskutiert. Ein modernes Datenschutzgesetz oder das bereits damals geforderte Datenschutzaudit wurde bis heute von Schwarz-Rot verhindert.

Anderen Arbeiten wurde ein ähnliches Schicksal zuteil. Die damaligen und zum Teil noch höchst aktuellen Expertenmeinungen wurden weder vom Parlament geschweige denn von den Exekutiven zur Kenntnis genommen.

Nach meiner 15- jährigen parlamentarischen Erfahrung kann das Wörtchen  IGNORIEREN so auch getrost durch den Begriff ENQUETEN ersetzt werden.

„Tagen ohne Wirkung“

Der  beispielsweise seit 1998 mühsam vorangetriebene Versuch des Unterausschusses für Neue Medien, wenigstens EIN Gesetzgebungsverfahren via Internet zu begleiten, scheiterte stets am Widerstand sämtlicher Bundestagsausschüsse. Selbst Volker Beck von den Grünen meinte zu dieser möglichen basisdemokratischen Freundlichkeit des Parlaments, man wolle den Bürgern doch nichts vorgaukeln. Einziger positiver Erfolg aus dieser frustrierenden Debatte heraus war immerhin die Ermöglichung von ePetitionen, die vom Bundestag längere Zeit und in Ermangelung  eigener Kapazitäten  über einen schottischen Parlamentsserver abgewickelt werden mussten.

Ungeachtet dessen waren die Debatten in der damaligen Enquete noch aus heutiger Sicht ganz aktuell: So gab es in ihr (und darüber hinaus bis zum Zensursula- Gesetz) jahrelange heftige Auseinandersetzungen mit den so genannten „Jugendmedienschützern“ der Länder zum Thema „Jugendschutz“ im Internet.

Diese besondere Spezies von Bevormundern und Zensoren, voran stets die federführende  SPD- Staatskanzlei Rheinland-Pfalz Seit‘ an Seit‘ mit dem bayerischen CSU- Medienpapst Professor Ring, verkämpften sich  immer  für „Sendezeiten im Internet“.

Immerhin hat es jetzt doch bis 2009 gedauert, bis die Länder diesen Schmarrn nun endgültig in ihren Staatsvertragsentwurf zum Jugendmedienschutz hineinschrieben und ihn somit zur allgemeinen Gesetzgebung erheben wollen (eine sehr gute fundierte Kritik hierzu gibt es von 1+1 http://blog.1und1.de/wp-content/uploads/2010/01/Stellungnahme_1und1_JMStV-E.pdf ).

Man bräuchte also auch hier keine neuen Expertenmeinungen, um den Landesregierungen wieder einmal zu erklären, dass es eben auf der Welt unterschiedliche Zeitzonen gibt, die eine Sendezeitbegrenzung im Internet ad absurdum führen. Irgendwo auf der Welt ist es eben mal 23.00 Uhr, um von dem  zum Internet „passenden“ Begriff „Sendezeiten“ ganz zu schweigen.

Erkenntnisse liegen also vor. Allein die Beispiele Daten- und Jugendmedienschutz  belegen deutlich, dass es keiner neuerlichen Erkenntnisse  bedarf, sondern deren rascher Umsetzung. Eine Enquete tagt und tagt und tagt dem gegenüber nur jahrelang- und in der Praxis leider oft ohne jede Wirkung auf aktuelle Politik!

„Wir brauchen jetzt Entscheidungen“

Deshalb ist eine Internet- Enquete für die Netzpolitik politisch sogar riskant, da sie sich ausdrücklich nicht mit laufenden oder bestehenden Gesetzgebungsvorhaben befassen darf. Denn ihre vor sich hin wabernde Arbeit zu irgendwelchen Internetthemen wird  in den nächsten 2 – 4 Jahren, außer  gelegentlich in nächtlichen Debatten zu Protokoll gegebenen Reden, weder Parlamente noch Exekutiven in deren Realpolitik erreichen.

Statt eines neuen Debattierzirkels brauchen wir netzpolitisch ein schnelles Erwachen in Deutschland und in der deutschen wie auch in der europäischen Politik. Wir brauchen rasche Entscheidungen von der Breitbandfrage bis  zum Urheberrecht in der digitalen Welt, beim Datenschutz, in der Zensurfrage oder beim „Open Access“. Schon bei letzterem Thema ist zu befürchten, dass Union und FDP wieder vorwiegend die Content- Industrie und nicht die Wissenschaft zu Wort kommen lassen wollen.

Alte Sicherheitsgesetze, Onlinedurchsuchungen, Zensursula, ELENA, SWIFT & Co. würden in dieser Enquete nach dem Antragsentwurf übrigens gleichfalls keine Rolle mehr spielen. Und mit neuen Gesetzgebungsvorhaben darf sich der um Sachverständige angereicherte Zirkel wie ausgeführt gar nicht erst befassen.

Sollte die neue Enquetekommission zur Vermeidung der mehrfachen Erfindung des Rades übrigens sinnvollerweise auf die Ergebnisse ihrer Vorgänger- Enquete zurückgreifen wollen, hätte sie gewissse Probleme. Eine Anfrage bei der Bundestagsverwaltung bliebe ergebnislos. Denn die mühsam erarbeiteten Drucksachen sind längst vergriffen.  Das gesamte Material aus vierjähriger und aus Steuermitteln hoch bezahlter Arbeit sollte nach Ende der Aufbewahrungsfrist sogar weggeworfen werden.

Auch dies  zeigt den historischen Respekt des Parlaments vor seinen eigenen Enqueten (Hinweis für „Historiker“: Das „BüroTauss“ hat dies verhindert und die  Akten des aufgelösten Enquete- Büros irgendwann an sich genommen).

Online verfügbar ist der Schlussbericht : http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/13/110/1311004.pdf

„Mitmachen oder bekämpfen?“

Doch schon wegen der von der Union benötigten Show wird diese Enquete kommen. Dass sie von Axel E. Fischer geleitet werden soll, beweist allerdings, dass es auch nicht um mehr als Show geht. Der Mann kann es schlicht nicht und ihm fehlt jegliche Kompetenz in wichtigen Internetfragen. Eine Suchanfrage bei heise belegt, dass es von ihm hierzu in der Vergangenheit keinerlei Arbeiten gegeben hat und er auf Abgeordnetenwatch auch noch nie eine Antwort auf Fragen gegeben hat. Dies gibt bereits einen Vorgeschmack auf die geplante Transparenz der Enquete- Arbeit.

Näheres zu Fischer gibt es hier auf tauss-gezwitscher https://www.tauss-gezwitscher.de/?p=234 .

Für die umworbene „Netzgemeinde“ stellt sich dessen ungeachtet nun aber aktuell die brisante und strategische Frage, wie man mit dieser eigentlich überflüssigen schwarz- gelben PR- Veranstaltung umgehen soll?  Mitmachen oder bekämpfen, lautet die Frage.

Beides kommt wohl nicht in Betracht. Denn in ersterem Falle wäre man durch den ständigen Verweis auf die Arbeit der Enquete nichts als Alibi (Was wollt Ihr denn? Wir haben doch die Enquete?!?) und wäre so im ersten wie im zweiten Falle politikunfähig. Das ist also einmal mehr die berühmte Wahl zwischen Pest und Cholera.

Deshalb muss der Spiess umgedreht werden: Wir warten nicht auf die Arbeitsergebnisse dieser Kommission. Wir treiben sie!  Wir nutzen zudem eine von ihren Protagonisten nicht beabsichtigte Chance:

Sie bietet sich geradezu ideal als Testfall für „Liquid Democracy“ und die Bereitschaft des Deutschen Bundestages an, endlich aus eigenem Antrieb transparenter zu werden. Die Kommission könnte  zu einer öffentlichen Veranstaltung werden, in die von außen relevante Themen hineingetragen werden.

Interessant ist eine Enquete eigentlich nur durch deren in der Regel ordentliche personelle und finanzielle Ausstattung für wissenschaftliche Gutachten. Allein die Frage, welche Wissenschaftler berufen werden, wer zu Arbeiten mit welchen Themen beauftragt wird, kann eine gesellschaftlich und netzpolitisch weiterführende Diskussion auslösen und uns selbst viel Grundsatzarbeit in Foren und Hinterzimmern ersparen.

Doch vor allem: Man könnte nicht nur die Mitglieder der Kommission, sondern den gesamten Deutschen Bundestag, bis hin zu seinen regionalen Abgeordneten, mit der ständigen Frage „quälen“:

Wie haltet Sie es denn WIRKLICH mit Netzneutralität?

Und zwar nicht in China- sondern bei uns.


Links:

http://www.netzpolitik.org/2010/enquete-kommission-internet-und-digitale-gesellschaft/

Hinweis:

Aus Zeitgründen konnte ich diesen Artikel noch nicht mit weiteren umfangreicheren Erläuterungen und Dokumenten verlinken. Dies werde ich schrittweise im Verlauf der weiteren Diskussion nachholen.