Noch immer werden alle Sitzungen im Plenum des Deutschen Bundestages stenografisch festgehalten. Von jenen Damen und Herren, die im Halbrund vor dem Rednerpult ihre Plätze haben. Sie übersenden ihre jeweiligen Aufzeichnungen später an Rednerinnen und Redner, die sie dann nochmals bestenfalls auf eventuelle „Verhaspler“ überprüfen und erforderlichenfalls korrigieren können.
Allerdings dürfen diese Korrekturen gemäß Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages „den Sinn der Rede oder her einzelnen Teile davon nicht verändern“ (§118 GO- BT) .
Damit soll sichergestellt sein, dass das tatsächliche Sitzungsgeschehen korrekt wiedergegeben wird. Um so inakzeptabler ist es dann aber, wenn der Bundestag gegen seine eigenen Vorschriften verstößt.
Jetzt flog ein eklatanter Fall eines Verstoßes aus dem Jahr 2017 auf – die Vorgänge sind aber noch immer aktuell. Äußerungen des Staatsministers im Auswärtigen Amts, Michael Roth, MdB (SPD) wurden gegenüber dem tatsächlichen Verlauf der Bundestagsfragestunde schon damals massiv verändert. Dies ergab ein Vergleich des Videos vom Sitzungsgeschehen mit dem Protokoll:
Das Originalvideo unterscheidet sich also erheblich und nicht nur in Details vom dann tatsächlich veröffentlichten schriftlichen Sitzungsprotokoll.
Inhaltlich ging es bei den Fragen des Abgeordneten Andrej Hunko (Linke) um die „Mirotworez“ – Liste der Ukraine. Das ist jene Liste der „Staatsfeinde“ der Ukraine, auf der Hunko selbst, aber auch tausende weiterer Namen, aufgeführt sind. Zwei davon wurden bereits ermordet.
Die Bundesregierung, auch Staatsminister Roth, behaupten immer wieder, und offensichtlich wahrheitswidrig, diese Liste sei allein das Werk einer ominösen „Nichtregierungsorgansiation“, die mit der gut befreundeten ukrainischen Regierung somit nichts zu tun habe. Kiew könne das unsägliche Machwerk daher auch nicht vom Netz nehmen. Doch auch das stets verharmlosende Auswärtige Amt weiß, dass die Liste den Behörden der Ukraine nicht nur zugänglich sondern von ihnen ausdrücklich unterstützt wird. Dies betrifft den Geheimdienst, die Grenzsicherung und das Innenministerium.
Im Gegensatz zu allen anderweitigen Behauptungen des Auswärtigen Amts steckt jedoch unmittelbar Innenminister Arsen Avakov dahinter: „Ich unterstütze Myrotworez“. Trotz Kenntnis dieser Aussagen behauptet nicht nur Roth unverdrossen, dass die Regierung der Ukraine die „Sorge der Bundesregierung“ zu dieser „inakzeptablen Liste“ teile. Glaubwürdiger als durch den Innenminister in Kiew persönlich könnte die schlicht wahrheitswidrige Behauptung des Staatsministers aus Hessen kaum widerlegt werden.
Verteidigt wurde Mirotworez zudem vom Informationsminister der Ukraine. Ihr Vorsitzender war der spätere Gouverneur von Luhansk, Hryhori Tuka.
Nach westlichen Protesten wurde die Liste vorübergehend sogar tatsächlich einmal kurz vom Netz genommen. Selbst die Staatsanwaltschaft Kiew ermittelte, aber „natürlich“ erfolglos, wegen Verstößen gegen den „Datenschutz“ der auf Mitotworez geführten Personen, darunter laut deutscher Botschaft Medien wie SZ, FAZ, Bild, Welt, Zeit, DW, ARD,ZDF und RTL. Auch ausländische Sender sind dabei. So aktuell das österreichische ORF.
Schon Tage später war damals das Machwerk mit weiteren tausenden von Namen wieder online. Anton Herratschenko, Berater des Innenministers forderte, „die Ermittlungen gegen die Seitenbetreiber einzustellen“. Alles dies ist der Bundesregierung bekannt und wurde dem Auswärtigen Amt in zahlreichen Mails von der Botschaft in Kiew übermittelt.
Davon will man aber offensichtlich nichts wissen. Unbekannt sei, so Roth unverdrossen weiterhin, der Betreiber der Liste und der Standort des Servers. Hierzu, so auch mehrfach das Außenministerium, „lägen auch keine amtlichen Erkenntnisse“ vor. Merkwürdig: Denn in der dokumentierten Fragestunde sagte der Staatsminister, „die Seite sei nicht in der Ukraine, sondern andernorts registriert“ und liefe auf einem Server …“der nicht in der Ukraine registriert ist“. Woher weiß er das, wenn es keine amtlichen Erkenntnisse gibt?
Dass die Erkenntnisse dem gegenüber wesentlich umfänglicher als zugegeben sind beweist eine weitere Äußerung Roths. Auf Befragen des Abgeordneten Hunko schob er nach, „ich hatte bereits darauf hingewiesen, dass die Webseite mit diesem völlig inakzeptablen Inhalt auf einem Server läuft, der nicht in der Ukraine, sondern vermutlich in Kanada registriert ist.“
Die liebe Chrystia
Exakt diese wichtige Aussage fehlt im Protokoll des Deutschen Bundestages. Und dies ist besonders verwunderlich, weil in diesem Fall kanadische Stellen tatsächlich zum Eingreifen veranlasst werden könnten. Vermutlich unterbleibt dies aber mit Rücksicht auf die ukrainestämmige kanadische Außenministerin Freeland, die eine große Anhängerin des Regimes in Kiew ist und sogar für dessen militärische Unterstützung sorgt..
Auch dies verführt die Bundesregierung nicht zu größerer Distanz zum Geschehen. Im Gegenteil, so Außenminister Heiko Maas gegenüber der „lieben Chrystia“, schätzt er deren Rat im Ukraine- Konflikt ganz besonders. Ratgeberin Freeland kommt auch aus Toronto, wo eine sehr aggressive ukrainische Lobby , deren „Weltkongress“ zu Hause ist.
Offensichtlich ist der Rat der kanadischen Ministerin vom Sozialdemokraten Maas also mehr geschätzt als es der Schutz gelisteteter deutscher Staatsbürger, bis hin zum ehemaligen SPD- Bundeskanzler Schröder, Bundestagsabgeordnete wie Andrej Hunko und hunderten von Medienleuten ist. Von den Verfolgten und den beiden bereits ermordeten Mirotworez – Opfern ganz zu schwiegen.
Schon daher stellt sich die Frage, weshalb der stenografische Dienst diese nicht akzeptablen Korrekturen der Roth’schen Äußerungen in ein Plenarprotokoll aufnahm, somit als Teil der Verwaltung gegen die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages verstieß und auf welche Veranlassung sie zurückgehen. Wäre der Hinweis Kanada nicht in der Versenkung verschwunden, hätte längst entsprechend weiter recherchiert werden können.
Man wollte Mirotworez mit verschiedenen „ukrainischen Stellen“ besprochen haben, sagte Roth. Mag sein. Doch im Protokoll blieben davon auch nur noch irgendwelche imaginären „Stellen“ übrig. Roth meinte im Plenarsaal noch zurecht, Journalistinnen und Journalisten seien durch die Liste „bedroht“. Das Wort wurde durch das harmlosere Wort „gefährdet“ ersetzt. Wo er von einem „Server“ sprach blieb nur noch „eine Seite“ übrig.
Natürlich könnte sich das Auswärtige Amt informieren, wo tatsächlich was steht oder nicht steht. Doch auch dies unterblieb. Warum? Lieber hält man an der Legende fest, nichts zu wissen. Kanada will man gerne unter den Tisch kehren. Warum? Fragt man beim Staatsminister nach, unterbleiben Antworten in der Sache. Lediglich verweist er auf seine Ausführungen, also auf dieses offen manipulierte Bundestagsprotokoll der 227. Sitzung auf Seite 31. (Anmerkung d. Verf: Fündig wird man dagegen auf Seite 22817 ff.)
Der Sinn der Rede wurde somit verändert. Von wem? Von ihm? Vom Ministerium? Oder vom stenographischen Dienst? Anfragen gemäß Informationsfreiheitsgesetz sind gestellt. Sowohl an den Deutschen Bundestag wie auch an das Auswärtige Amt. Roth schweigt weiter.