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Der SPD- Sicherheitswahn

Vor einem knappen Vierteljahrhundert prägte, wie heute der Terrorwahn, ein Popanz die politische Debatte zur inneren Sicherheit: Damals war es die „organisierte Kriminalität“

Medien redeten sie herbei, die SPD geriet, wie auch die FDP, unter massiven medial- öffentlichen und politischen Druck, endlich der Verwanzung von Wohnungen zuzustimmen, um dieser allüberall lauernden „Großkriminalität“ als quasi einzig wirksamem Mittel Herr zu werden. Wer wissen will, wie öffentliche Hysterie in Sachen innere Sicherheit erfolgreich geschürt wird, um Sicherheitsorganen endlich deren gewünschte Instrumente an die Hand zu geben, wird damals fündig und findet dort, auch für heute noch gültig, die Gebrauchsanleitung.

Zuvor gab es nur in RAF- Zeiten, beispielsweise bei der Rasterfahndung, vergleichbare Debatten. Denen lagen in den 70iger Jahren mit Baader/ Meinhof aber immerhin konkrete Anlässe zugrunde. Spätere Bedrohungslagen wurden oft genug schlicht erfunden. Wer erinnert sich beispielsweise nicht an die permanenten Hinweise des BKA- Präsidenten Ziercke, selbst SPD- Mitglied und von Schily ins Amt gehievt, auf Anschläge vor und nach Bundestagswahlen? Auf dessen Online- Durchsuchungswahn? Ziercke sorgte mit zu Guttenberg medial auch für die, später wieder aufgehobene, unsägliche Zensursula- Gesetzgebung, indem er gegenüber Öffentlichkeit und Parlament so schlicht, verlogen wie erfolgreich 2008 den „Milliardenmarkt“ für Kinderpornografie erfand.

Wer nach Gründen sucht, weshalb gerade die SPD für diese Art der Hysteriesierung von Innenpolitik empfänglich ist, findet diese vor 20 Jahren, heute fast auf den Tag genau im November 1993, beim Wiesbadener SPD- Bundespartei. Damals ging es um den, vom Bundesverfassungsgericht später für  grundgesetzwidrig erklärten „großen Lauschangriff“, sprich die Verwanzung der „Gangster“- Wohnungen „Verdächtiger“.

Die Partei wurde von Medien und Union, wie übrigens auch die später zurückgetretene Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger und die FDP, monatelang vor sich hergetrieben. Deshalb entschlossen sich der damalige Parteivorsitzende Rudolf Scharping und dessen, dann später zur „Linken“ gewechselter, „innenpolitische Sprecher“, Ulrich Maurer, zur Kehrtwende. Mit der SPD ging in Sachen Lauschangriff mit Scharping und Maurer dann 1993 plötzlich ALLES. In den konkreten Verhandlungen mit der Union wurden später sogar die Bedingungen des Parteitags für eine Zustimmung zur Änderung von Artikel 13 GG („Unverletzlichkeit der Wohnung“) gnadenlos weggefegt.

Maurer triumphierte zuvor, dass die SPD „nunmehr die Partei der inneren Sicherheit“ sei. Die Union, so der spätere Pseudolinke, sei gegenüber der „organisierten Kriminalität handlungsunfähig“.

Dies war die bis heute anhaltende Stunde der Schily, Scholz, der Jägers aus NRW oder der Galls in Baden- Württemberg. Die SPD ist heute ernsthaft der verinnerlichten Auffassung, dass sie Wahlen mit dem Thema innere Sicherheit gewinnen könne, wenn sie nur keine Angriffsfläche biete und, siehe Vorratsdatenspeicherung, der Union bedingungslos folge.

Und nicht nur das: KEINE Partei hat im Deutschen Bundestag jeweils mehr Einschränkungen bürgerlicher Freiheiten zugestimmt, als ausgerechnet die SPD. Biometrische Ausweise, Zensursula, BKA- Gesetz und Vorratsdatenspeicherung waren die letzten größeren Brocken. Meine Konflikte mit Schily in diesen Zusammenhängen werden irgendwann meine Memoiren füllen, sollte ich mal welche schreiben. Er mochte mich gar nicht mehr leiden, nachdem ich ihm in der Fraktion „Blockwartmentalität“ vorwarf. Nichts anderes aber kennzeichnet diese Leute.

Doch begonnen hatte dieser Marsch der SPD in den Überwachungs- und Präventionsstaat in Wiesbaden. Seit dieser Zeit wird sozialdemokratische Innenpolitik, wie in ganz Deutschland, von Paranoikern bestimmt, mit denen auch keine Kompromisse gemacht werden können und dürfen. Deren Haltbarkeit reicht jeweils nur bis zur nächsten Sau, die medial durch die Dörfer getrieben wird. Siehe die nun in der Großen Koalition auch erneut verhandelte Quellen- Telekommunikationsüberwachung, Vorratsdatenspeicherung und alles, was der derzeitige Innenminister Friedrich, bis hin zur Überwachung aller PKW, schon mal vorsorglich auf die Tagesordnung der Großen Koalition gesetzt hatte.  

Dies alles wird in den nächsten Jahren auch wieder kommen. Es sind keine übereifrigen Beamten, die da eben mal solche Papiere schreiben. Es ist deren Wunschkatalog, der nach aller Erfahrung Stück für Stück umgesetzt wird. Denn der Überwachungsstaat ist, nicht nur wegen der NSA, längst Realität und wird entsprechend ausgebaut. Und die SPD findet nichts dabei. Trotz NSA.

Augsburg und der Präventionsstaat

Dass die bayerische Justiz eine ganz besondere Justiz ist, weiß man nicht erst seit dem Fall Mollath. Dass Justiz und CSU eng zusammenwirken und vor allem zusammenhängen, zeigt auch der jüngste Fall der Durchsuchung von Redaktionsräumen der Augsburger Allgemeinen Zeitung.

Die Polizei hatte am Montag laut einem Bericht der Zeitung bei dem Verlag die Daten eines Internet- Forennutzers beschlagnahmt (siehe auch Main-Post).

Zur Vermeidung der angeordneten polizeilichen Durchsuchung gab die Zeitung die Daten des „Beleidigers“ zur Offenlegung des Pseudonyms nach ursprünglicher Weigerung heraus. Schade. Man hätte den offensichtlichen Skandal durch weniger Willfährigkeit gegenüber der Staatsgewalt redaktionsseitig noch steigern können und Deutschland wäre in der offiziellen internationalen Statistik der Pressefreiheit (derzeit Platz 17) noch ein Stück weiter nach unten gerutscht.

Ausgangspunkt war, dass sich irgendein Herr Ullrich, kommunaler CSU-Beamter (Ordnungsreferent, sic!) und potenzieller Bundestagskandidat seiner Partei auf den Schlips getreten fühlte. „Rechtsbeugung“ sei dem armen Mann in einem Chatroom unterstellt worden, behauptete der mit der Beleidigungsanzeige befasste Oberstaatsanwalt Matthias Nickolai. Wie furchtbar.

Diese staatsanwaltschaftliche Figur erwirkte beim Amtsgericht daher einen Durchsuchungsbefehl, weil „Chatrooms kein rechtsfreier Raum“ sein dürften. Intellektuell scheinen bayerische Oberstaatsanwälte nicht nur mit rechtsfreien Räumen, sondern bereits mit dem Begriff Chatroom überfordert zu sein. Der Unterschied zu einem Forum ist zumindest in der Augsburger Strafjustiz offensichtlich unbekannt.

Man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen: Ein „Ordnungsreferent“ fühlt sich in einem nicht vorhandenen Chatroom beleidigt und im Deutschland des Jahres 2013 suchen Polizisten deshalb Redaktionsräume einer Zeitung heim. Über diesen Vorgang ist zu reden. Nicht über diese alberne Augsburger Figur Ullrich.

Dass ein Amtsgericht diesen Durchsuchungsbefehlsantrag dann überhaupt zur Kenntnis nimmt und ihn dem Herrn Oberstaatsanwalt nicht schallend um die Ohren haut, ist der weitere Skandal. Das vielstrapazierte Wort darf man in diesem Zusammenhang benutzen.

Es zeigt sich einmal mehr, dass die berühmte „richterliche Weisung“, auf die ja von Vorratsdatenspeicherung bis zum Staatstrojaner von deren Protagonisten so heuchlerisch wie treuherzig gerne verwiesen wird, nicht einmal das Papier wert ist, auf der sie in Gesetzen steht. Der durchschnittliche Amtsrichter unterschreibt ALLES, und sei es staatsanwaltschaftlich noch so obskur begründet. Wenn eine Amtsrichterin bereits so wie im Falle Ullrich reagiert und Polizei in Marsch setzt, mag man sich gar nicht ausmalen, welche Durchsuchungs- und Überwachungsbefehle hierzulande auch sonst noch aus Jux und Tollerei von Richter(inne)n unterzeichnet werden.

Es wird Zeit, im Präventions- und Überwachungsstaat Deutschland verstärkt Polizei und Justiz auf die Finger zu sehen. Vertrauen ist jedenfalls keines angebracht. Rechtsstaat sieht anders aus.

 

Legales File- Sharing- die CD zum runterladen….

(Aktualisierte Fassung vom 5.2., 16.00 Uhr)

Darf der Staat eine CD mit unrechtmäßig erlangten Daten kaufen, um eine Straftat aufzuklären?

Ja, er MUSS es im Interesse des Rechtsfriedens tun. Es kann für potenziell Kriminelle, die  sich in der Schweiz diese spezielle Art von „Privacy“ leisten können, nicht mehr Datenschutz geben, als für die Masse ehrlicher Steuerzahler im Inland.

Und er DARF, schreibt Jens Berger auf Der Spiegelfechter mit guten Argumenten:

http://www.spiegelfechter.com/wordpress/1799/eine-heise-scheibe-aus-der-alpenrepublik

Nun hat sich über den Kauf in einer bunten Reihe von Persönlichkeiten aus der Union auch noch Herr Kauder, der kleine Bruder vom anderen Kauder, aufgeregt.

Die Inhalte einer CD mit mutmaßlichen Steuersündern, so Kauder sinngemäß und sogar in seltener Einmütigkeit mit der Piratenpartei,  dürften doch nie im Leben in einem Strafprozess zu Lasten des Angeklagten heruntergeladen werden. Bitte? Schaun’n wir mal. Warum eigentlich nicht? Wozu die Aufregung?

Drei Gründe könnten dafür sprechen, dass der Vorsitzende des Bundestags- Rechtsausschusses und die Mehrheit in der Piratenpartei recht hat:

1. Datenschutz. Auch Steuersünder haben ein Recht auf Privacy.

2. Verbotenes File- Sharing. Die illegale CD dient keinen privaten Unterhaltungszwecken *lol*.

3. Der Staat dealt mit einem Straftäter.

Lassen wir mal Punkt Zwei als Gag zur Herbeiführung der hübschen Überschrift über diesen Artikel beiseite.

Lassen wir auch die Schweiz beiseite, wenngleich der Täter natürlich gegen schweizerisches Datenschutzrecht verstoßen hat. Doch auch die Schweiz sieht „illegales“ Material als verwertbaren Beweis an, wie Heribert Prantl überzeugend dargestellt hat.

sueddeutsche.dehttp://www.sueddeutsche.de/politik/825/502064/text/

Kommen wir also zu unserem Datenschutz, nach dem Daten nur gespeichert werden dürfen, die einer Zweckbindung unterliegen. Diese Daten sind geschützt, sofern man nicht gerade bei der Bahn oder bei Lidl arbeitet.

Der hier zu diskutierende Zweck der Datenspeicherung war aber wohl eindeutig nur die Führung von Konten mit illegal erworbenem Geld. Dies aber schützt der Datenschutz nicht. Dies schützt noch nicht einmal der Hacker- Paragraph, gegen den die Piratenpartei stets eingetreten ist. Mit dessen Rechtswirkung allerdings nun ausgerechnet eine Ablehnung des CD- Deals zu begründen, sollte parteiintern deshalb schon noch einmal diskutiert werden.

Da dessen ungeachtet Datenschutz entgegen sonstiger gängiger CDU- Auffassung nicht dem Täterschutz dient und auch nie gedient hat, kommt dieser Einwand  für den für deutsche Steuersünder steuerrechtsfreien Raum Schweiz wohl nicht ernsthaft in Betracht. Innerhalb Deutschlands ohnehin nicht. Die §§ 8 StGB und 44 BDSG und was noch so alles in der Debatte herangeführt wird, ziehen nach meiner Meinung nicht. Oder legt mal argumentativ nach, liebe Juristen 😉

Drittens stellt sich allerdings die nun wirklich entscheidende Frage, ob „der Staat“ das darf. Polizei und Justiz dealen schon lange, gesetzlich immer verfeinerter abgesichert, mit Straftätern aller Art.  Wir kennen auch Deals, die beispielsweise im Drogenbereich von V-Leuten eingefädelt werden. Die Spitze der Perversion sind  hierbei keinesfalls solche Deals oder das diskutierte CD- Klau- Business- Modell.

Es ist die Kronzeugenregelung. Sie führt sehr wohl oft genug nicht „nur“ zur milderen Strafen, sondern zu schlichter Strafvereitelung, wenn sich der Kronzeuge mit Hilfe eines guten Anwalts beim Kaffeeklatsch mit seinem Staatsanwalt nicht gerade all zu dämlich anstellt.

Insofern könnten wir das Gejammer über einen „Dammbruch“ des Staates lassen und uns Wichtigerem zuwenden.

Nämlich der Frage, wo die GRENZEN solcher Deals sind. Die definiert gegenwärtig niemand. Und genau das würde ich mir jetzt von den Juristen wünschen. Denn tatsächlich heiligt der Zweck, bis hin zur Folter, nicht jedes Mittel im Rechtsstaat und des Rechtsstaats.

Ganz nebenbei könnte man dann das Thema auch noch mit der die Frage verbinden, wie viel Datenschutz es eigentlich für ehrliche Menschen gibt, die kein Schwarzgeld in der Schweiz anlegen können. Für HartzIV- Empfänger existiert die für Steuersünder jetzt angemahnte Privacy nicht. Das Angebot einer CD mit deren Daten wäre schlicht wertlos. Die Bezieher staatlicher Transferleistungen leben bis hin zum Zeugnis der Kinder heute schon in einem überwachten datenschutzfreien und höchst transparenten Raum. Selbst ihre Berufsfreiheit ist, ganz nebenbei, aufgehoben.

Genau so wie der Datenschutz für den Fluggast oder den ehrlichen Steuerzahler. Die Auslieferung von Bank- und Fluggastdaten mittels SWIFT und anderer Abkommen, falls das europäische Parlament wider Erwarten nicht „kippt“  sind der eigentliche Skandal. Der Präventionsstaat ist es. Die heimliche Onlinedurchsuchung. Die Vorratsdatenspeicherung. Die Zensurinfrastruktur bei Providern etc.etc. etc. Denn hier geht es um den Generalverdacht gegen jeden Bürger und nicht um die vermeintlich geschützten Daten krimineller Steuerhinterzieher. Ob es sich überhaupt um solche handelt, und nicht um brave Bürger, die zufällig auch ein Konto in der Schweiz haben, wird ebenfalls in einem rechtsstaatlichen Verfahren zu klären sein. Bis dahin gilt auch für alle Personen auf dieser CD die Unschuldsvermutung.

Um auf die Kronzeugen zurückzukommen: Gegenüber dieser Entwicklung ist der Deal mit dieser CD unter den anrüchigen Geschäftspartnern Schäuble und unbekanntem Datendieb  fast schon marginal. Schäuble weicht dabei übrigens nicht einmal von seiner bisherigen Linie ab: Denn wer nichts zu verbergen hat……dessen Daten kann man auch auf einer CD kaufen.