Terrorhysterie auf der einen und der Abbau von Bürgerrechten auf der anderen Seite sind für mich hinreichende Stichworte, um gegen den Nacktscanner zu sein. Dies trug mir in Mails und via twitter verschiedentlich sogar den Vorwurf ein, „blind “ gegen notwendige „Sicherheitsmechanismen“ zu sein.
Wer keine Argumente hat, greift zum Totschlagargument. Dennoch will ich gerne auf unsere Sicherheitsmechanismen zu sprechen kommen.
Ginge es tatsächlich um eine sachliche Debatte zum Thema Terror, innere Sicherheit und adäquate Problemlösungen, wäre ein Diskurs selbstverständlich möglich. Aber auch nach Detroit ging es erneut nicht um Problemanalysen. Es ging allein, wie auch schon in vielen Fällen zuvor, um das politisch gewollte Schüren von Hysterie nach einem Vorgang mit vielen unbeantworteten Fragen.
Die Union hat ein nachvollziehbares politisches Interesse daran, in der Gesellschaft Angst zu schüren. Vor allem mit primitivster „Law and Order“ Politik kann sie ihre verunsicherte rechte Stammwählerschaft noch an an sich binden. Deshalb passen Terroristen und jugendliche Straftäter gut ins Konzept. Je mehr Hysterie, desto besser für Merkel, Koch, Bosbach & Co.
Ob es dabei wahlweise um Terroristen, jugendliche Schläger oder um organisierte Kriminalität geht, spielt keine Rolle. Jedes Phänomen wird dankbar aufgegriffen. Bei Verbrechen jeder Art können dem staunenden Publikum beliebig inadäquate Schnellschußlösungen bis hin zum Herstellungs- und Verbreitungsverbot von Computerspielen angeboten werden.
Allen Kritikern dieser Massnahmen wird umgekehrt sofort unterstellt, Amokläufe an Schulen ermöglichen zu wollen, für Kriminelle und natürlich gegen Sicherheit zu sein. Oder man ist, wie im Falle des Stoppschilds, der Komplizenschaft mit Kinderschändern verdächtig.
Dass es selbst in reinen Polizeistaaten nie eine hundertprozentige Sicherheit geben kann und geben wird, weiss selbstverständlich auch die Union.
Daher kommt ihr zweites strategisches Ziel in Sicht: Die Ablösung des Rechtsstaates durch den Präventionsstaat, wie es Heribert Prantl treffend beschrieb.
Das Grundgesetz ist in diesem Sinne sturmreif zu schiessen: Freiheit darf nicht länger VOR Sicherheit kommen, sondern beides ist in Augen der Union gleichwertig. Die perfide Parole lautet „Freiheit durch Sicherheit“ (Schäuble). Die dann noch „richtige“ Reihenfolge konnte bereits im letzten Sommer den Unionswahlplakaten entnommen werden: Sicherheit und Freiheit.
Mit einem Mix aus Horrorzenarien, tatsächlichen Bedrohungen und Sensationsmeldungen soll der Bevölkerung daher die dauerhafte Beseitigung von Bürgerrechten schmackhaft gemacht werden.
Nach jedem Ereignis wird also verbal wie technisch aufgerüstet. Darin liegt die Gefahr. Was aber kommt nach dem Scanner,wenn er kommt? Was, ausser der Abzocke von Bürgern, rechtfertigt den „fälschungssicheren“ Pass und Ausweis, wenngleich es keinen einzigen Fall erfolgreicher Fälschungen, vor allem nicht durch Terroristen, gab?
„Wo liegen die Grenzen?“
Was kommt nach der Vorratsdatenspeicherung? Wo liegen die Grenzen? Diese Frage stellten anlässlich der Verhandlung in Karlsruhe selbst unsere Verfassungsrichter den Vertretern der Exekutive? Die so berechtigte wie wichtige Frage wurde nicht beantwortet geschweige denn überhaupt verstanden.
Was kommt nach Onlinedurchsuchung, nach der lückenlosen Speicherung von Fingerabdrücken etc. etc.? Wo liegen die Grenzen dieser „Innenpolitiker“ angesichts des minimalen Risikos, tatsächlich Opfer eines Terroranschlags zu werden?
Was rechtfertigt die ständige Aufrüstung im Verhältnis zu den eigentlichen Bedrohungen? Was rechtfertigt die Tatsache, dass es in Deutschland mehr Telefonabhörmaßnahmen gibt als in vergleichbaren Staaten?
Stehen wir etwa am Vorabend eines Bürgerkrieges? Kann man Abends nicht mehr aus dem Haus, weil auf unseren Strassen die gewalttätigen „rechtsfreien“ Zustände lateinamerikanischer oder afrikanischer Slums herrschen?
Oder anders: Sollte es trotz alledem tatsächlich zu Steigerungen der Kriminalität oder sogar einmal zu einem Terroranschlag in Deutschland kommen: Was machen wir dann? Ab wann werden die Fußballstadien mit Verdächtigen gefüllt?
Was, um auf das Thema „Nacktscanner“ zurückzukommen, rechtfertigt die Ankündigung der Vorstellung von „Terahertzscannern“ im Sommer, wenn es dazu noch nicht einmal eine abgeschlossene Grundlagenforschung gibt? Ganz abgesehen davon, dass an weit intelligenteren Lösungen gearbeitet werden könnte, wenn es „nur“ darum ginge, Sprengstoff an Terroristen zu entdecken.
Der Kampf gegen den Scanner ist für mich deshalb keine Sachfrage, sondern auch ein Kampf für Freiheitsrechte in dieser Gesellschaft. Genauso wie es der anderen Seite um den Kampf gegen unsere freiheitliche Gesellschaft jenseits von Gewerbefreiheit geht.
„Von China lernen“ war ja kein zufälliger Spruch des CSU- Abgeordneten und Innenpolitikers Uhl. Wer wie ich je das Vergnügen hatte, mit diesem Herrn und bei seinen Ausfällen gelegentlich an einem Tisch zu sitzen, weiss, dass er und seinesgleichen es sehr ernst meinen.
„Mit Sicherheit in den Untergang“ brachte es Ilija Trochanow auf den Punkt. Treffend! Und deshalb kämpfe ich – auch – gegen den Nacktscanner.
Nacktscanner II – Einige Fragen an Schavan und den VDI
Aktualisierung vom 13. Januar 2010
Ich hatte wegen des Nackscanners und dessen Präsentation nicht nur Bundesministerin Prof. Dr. Schavan angeschrieben, die ja mit CDU- Bosbach bekanntlich im Sommer den „ethisch vertretbaren Scanner“ vorstellen wollte, sondern auch den für das Sicherheitsforschungsprogramm zuständigen Projektträger (VDI).
Von dort erhielt ich den überraschenden Hinweis, dass im Sommer wohl „erste Ergebnisse“ des Projektes vorgestellt werden könnten, für eine Produktentwicklung aber weitere Grundlagenforschung (!) erforderlich sei. Wörtlich heisst es in der Mitteilung des VDI an mich:
„Die Forschungsprojekte werden nach dreijähriger Laufzeit im Sommer bzw. Herbst diesen Jahres auslaufen, so dass erste Ergebnisse im Sommer vorgestellt werden können. Die Projekte erarbeiten Lösungen für unterschiedliche Sicherheitsanwendungen (Detektion bei größerem Abstand, für den Schuh- und Fußbereich integrierte Spektroskopie u.a.), die zugleich Körperdarstellungen anonymisieren. Damit wird die Grundlage für eine nächste Generation von Systemen geliefert. Diese Arbeiten enthalten zum Teil noch einen erheblichen Anteil an Grundlagenforschung. Eine technisch-wirtschaftliche Umsetzung der Projektergebnisse durch Unternehmen ist daher erst nach weiteren Entwicklungsarbeiten zu erwarten…..“
Sollte diese Aussage richtig sein, und sie hört sich logisch an, wird es die Bundesregierung noch schwerer haben. Denn sie bedeutet, dass es den von Schavan, Bosbach & Co angekündigten „ethisch vertretbaren Scanner“ auf Terahertzbasis schlicht im Sommer nicht gibt und im Falle einer Installation also auf auf die alte Gerätegeneration zurückgegriffen werden müsste. Auch dies wird vom VDI klar bestätigt:
„….bei den in der öffentlichen Diskussion und in diversen Pressemeldungen beschriebenen Körperscannern wird nicht zwischen Systemen, die bereits im (Test-) Einsatz sind oder deren Einsatz für Sommer dieses Jahres angekündigt ist und Forschungsvorhaben unterschieden….“
Auf die Antwort der Ministerin bin ich immer gespannter…..
—–meine ursprüngliche Nachricht an den VDI —–
Sehr geehrte Damen und Herren,
Sie arbeiten am Sicherheitsforschungsprogramm der Bundesregierung. Dabei werden auch bis zum 30. 6. 2011 verschiedene Projekte im Rahmen der Sicherheit von Verkehrsinfrastrukturen, darunter Flughäfen, gefördert. Hierzu zählt auch der in der öffentlichen Diskussion befindliche Nacktscanner. Nach Pressemeldungen soll dieser im Sommer dieses Jahres vorgestellt werden. Ich bitte Sie um Mitteilung, in welchem Rahmen die Präsentation vorgesehen ist und ob nach Ihrer Einschätzung tatsächlich bereits im Sommer des Jahres die entsprechenden Geräte vorgestellt und in Einsatz kommen können.
Mit freundlichen Grüßen
Tauss
Und hier die gesamte Antwort, aus der die obigen Zitate entnommen sind:
Sehr geehrter Herr Tauss,
bei den in der öffentlichen Diskussion und in diversen Pressemeldungen beschriebenen Körperscannern wird nicht zwischen Systemen, die bereits im (Test-) Einsatz sind oder deren Einsatz für Sommer dieses Jahres angekündigt ist und Forschungsvorhaben unterschieden.
Bei den erstgenannten Geräten handelt es sich um Systeme im mm-Wellenbereich, die von der TSA (Transportation Security Administration) in den USA bereits 2009 zugelassen und eingeführt wurden. Derzeit beschränkt sich der Einsatz von Körperscannern an Flughäfen innerhalb der EU auf so genannte Realtests. Körperscanner werden zurzeit auch von der Bundespolizei im Labortest geprüft, auf deutschen Flughäfen werden sie nicht (auch nicht zu Testzwecken) eingesetzt. An Lösungen, die die Persönlichkeitsrechte stärker berücksichtigen, wird auch bei auf dem Markt befindlichen Produkten gearbeitet.
Die Schwerpunkte der BMBF-Förderung im Rahmen des Sicherheitsforschungsprogramms der Bundesregierung liegen im Bereich der Terahertz-Technologie, die u. a. für Körperscanns eingesetzt werden kann. Hier werden folgende Projekte (Einzelheiten entnehmen Sie bitte der beigefügten Broschüre) gefördert:
TEKZAS – Terahertz-Echtzeit-Kamera (zweidimensional) für Anwendungen in der Sicherheitstechnik
TeraCam – Aktive voll-elektronische Raumtemperatur Echtzeit Terahertz-Kamera für Sicherheitsanwendungen
TeraTom – Hochauflösende Terahertz-Tomographie für Sicherheitsanwendungen
THz-Videocam – Passive THz-Videokamera für Sicherheitsanwendungen
Handheld – Handheld-Terahertz-Spektrometer zur Detektion von explosiven Flüssiggefahrstoffen.
Begleitend zu diesen Vorhaben wird das Projekt „Terahertz-Detektionssysteme: Ethische Begleitung, Evaluation und Normenfindung“ (THEBEN) gefördert. THEBEN setzt sich kritisch mit am Menschen anwendbaren Systemen auseinander und bringt die aus einer ethischen Perspektive zu beachtenden Argumente in die geförderten Forschungsprojekte aber auch darüber hinaus in die Diskussion ein. Außerdem erarbeitetet THEBEN Handlungsempfehlungen für den möglichen Einsatz von Körperscannern.
Die Forschungsprojekte werden nach dreijähriger Laufzeit im Sommer bzw. Herbst diesen Jahres auslaufen, so dass erste Ergebnisse im Sommer vorgestellt werden können. Die Projekte erarbeiten Lösungen für unterschiedliche Sicherheitsanwendungen (Detektion bei größerem Abstand, für den Schuh- und Fußbereich integrierte Spektroskopie u.a.), die zugleich Körperdarstellungen anonymisieren. Damit wird die Grundlage für eine nächste Generation von Systemen geliefert. Diese Arbeiten enthalten zum Teil noch einen erheblichen Anteil an Grundlagenforschung. Eine technisch-wirtschaftliche Umsetzung der Projektergebnisse durch Unternehmen ist daher erst nach weiteren Entwicklungsarbeiten zu erwarten.
Mit freundlichen Grüßen
VDI Technologiezentrum GmbH
VDI-Platz 1
D-40468 Düsseldorf
(die individuellen Kontaktdaten und Namen habe ich entfernt)
Nacktscanner III – Ausgangsartikel und Links
Aufgrund neuer hysterischer Sicherheitsdebatten nach dem vereitelten Anschlag auf ein US-Flugzeug, bereite ich einen etwas umfassenderen Beitrag zum Thema Nacktscanner vor.
Nun soll uns also ein neuer Nacktscanner beglücken, so wie wir schon seit Jahren in trauter Umarmung mit iranischen und chinesischen Diktatoren im vermeintlichen „Krieg gegen den Terror“ mit modernen biometrischen RFID-Pässen, moderner Rund-um-die-Uhr-Überwachung, noch modernerer Bekämpfung des Internet und insgesamt dem ganz modernen Abbruch von Freiheit und Bürgerrechten im Lande beglückt werden.
Die euphorische Ankündigung von Nacktscannern der modernsten Generation durch die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Frau Professor Dr. Annette Schavan, hat mich vor Abfassung meines Artikels zu einer Anfrage bei derselben veranlasst:
Sehr geehrte Frau Dr. Schavan,
Pressemeldungen zufolge wollen Sie im Sommer des Jahres neue Nacktscanner vorstellen, deren Einsatz nach Auffassung Ihres CDU- Kollegen Bosbach bereits in diesem Jahr und sogar im praktischen Betrieb an Flughäfen möglich sei. Diese Meldungen haben mich etwas überrascht, weil das entsprechende Sicherheitsforschungsprogramm nach allen mir vorliegenden Unterlagen mindestens bis 30. Juni 2011 laufen sollte.
Da aber Forschung manchmal etwas schneller ist als ursprünglich geplant, mögen die entsprechenden Zeitangaben ja richtig sein. Deshalb würde mich interessieren, wann und in welchem Rahmen die Nacktscanner der neuen Generation vorgestellt werden. Ist beispielsweise an praktische Vorführungen mit Abgeordneten im Deutschen Bundestag gedacht?
Gleichzeitig würde mich interessieren, wie der Nacktscanner am Körper befindliche Gegenstände und Sprengstoffe erkennt. Wie differenziert der Scanner zudem aber beispielsweise einen künstlichen Darmausgang im Verhältnis zu verdächtigen Gegenständen?
Ursprünglich bestand aufgrund solcher objektiv vorhandener Probleme die Überlegung, „Sprengstoffschnüffelnasen“ zu entwickeln, die im Vergleich zu Nacktscannern ethisch unproblematisch sind. Von diesen Arbeiten hört man zu meinem Erstaunen in der aktuellen Diskussion nichts mehr. Wurden diese eingestellt und wenn ja, warum? Wird dessen ungeachtet an weiteren Alternativen zu Nacktscannern gearbeitet?
( Als Einschub hier ein Hinweis auf wissenschaftliche Arbeiten zum Thema. Es wir aber auch an anderer Stelle, z.B. am KIT Karlsruhe, an Gefahrstoffdetektoren gearbeitet ) .
Sie sehen, dass ich an der Arbeit des BMBF ein noch unverändert lebhaftes Interesse habe und freue mich über eine entsprechende Auskunft, gerne auch gemäß Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG).
Mit den besten Wünschen für das neue Jahr verbleibe ich
Ihr Tauss
Auf die Antwort bin ich gespannt und werde diese natürlich in den dann zu schreibenden Artikel natürlich einbauen;)
Interessant zumThema ist der nachfolgende SPIEGEL- Artikel: „Experten bezweifeln Nutzen der Nacktscanner“
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,669877,00.html
Stellungnahme der Piratenpartei zum Thema: „Nacktscanner verletzen Persönlichkeitsrechte“
Neuerer Artikel bei Heise:
http://www.heise.de/newsticker/meldung/Innenministerium-will-Nacktscanner-bald-testen-900150.html
Fast schon kabarettistisch zum Thema passt der nachstehende Handelsblatt- Blogeintrag:
Da nach dieser Realsatire zudem auch bei traurigen Themen ein wenig Satire nie Schaden kann und bekanntlich tot ist, wer im Kabarett nicht vorkommt, hier noch noch ein Link zu mir bei SPIEGEL- Spam: