Indianern war der Gedanke, Land zu verkaufen, ganz und gar fremd. Konnte man etwa die Luft, den Wind, das Wasser besitzen und verkaufen? Wieso dann das Land? Es war für alle da.
Aus diesem Grund zäunten die Indianer ihr Land bekannterweise nicht ein. Dass den Weissen diese Denkweise völlig fremd ist, war DAS zentrale indianische Missverständnis, das letztlich auch zum Untergang ihrer Stämme und ihrer Kultur führte.
Irgendwie erinnern diese Ereignisse aus der nordamerikanischen Geschichte an die heutigen Debatten um das Internet und gewisse Dialoge zwischen Indianern vom Stamme der Netizens und unserer heutigen Bundesregierung.
Wie kann man freies Land einzäunen? Neudeutsch: Wie kann man im Internet Leitplanken errichten? Auch die Indianer verhandelten damals gutgläubig mit den Regierungsstellen und schlossen sogar Verträge, deren Halbwertszeit, wenn überhaupt, bei Monaten lag. Erreicht wurde damit ein für sie leider trauriger und unvorteilhafter Tausch: gutes Land gegen unfruchtbare Reservate und etwas staatliche Unterstützung.
Heute klingt dies so: „Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière ..hat das Ziel…, gemeinsam mit den Indianern (ähhh: den Bürgerinnen und Bürgern) eine einheitliche Strategie für die Netzpolitik der Bundesregierung zu formulieren“.
Patrick Breyer, ein Häuptling vom Stamme des AK Vorratsdatenspeicherung lobte auch sofort: „Der Minister hat verstanden, dass sich das Vertrauen der Indianer (ähhh..der Netzgemeinde) nur durch ihre frühzeitige Einbindung in Überlegungen der Politik und durch tatsächliches Aufgreifen unserer inhaltlichen Forderungen gewinnen lässt.“ (19.1.2010, Spiegel Netzwelt).
Minister Dr. de Maiziere, selbst ein grosser Befürworter von Zäunen um freies Land, erkannte so sofort listig das eigentliche Problem der Zaungegner: „Fehlende Orientierung schränkt die Selbstbestimmung des einzelnen Indianers (ähhh..Internetnutzers) ein.“ http://tagesspiegel.de/meinung/kommentare/digitaler-datenverkehr/1693238.html
Deshalb lockt er die Indianer mit seinem anderen Verständnis von Raum und Freiheit auch in die Falle. De Maiziere beim Stuttgarter IT- Gipfel im Dezember 2009: Mit der Weiterentwicklung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts antworten wir auf ein wesentliches Anliegen der Indianer (ähhh…der Bürgerinnen und Bürger der Union).
Häuptling Rieger vom Chaos Computer Club überkam bei dieser gespaltenen Zunge trotzdem das Vertrauen in den weissen Mann und er begrüßte die Haltung des Innenministers: „Ich hoffe, dass der neue Trend in der Politik, den Dialog mit den Indianern (ähhh…der Netzgesellschaft) zu suchen und über Grundwerte nachzudenken, ernst gemeint und nicht nur leere Rhetorik ist.“
Natürlich ist es nicht Rhetorik. Es ist sogar Konsultation www.e-konsultation.de , das Indianer ganz romantisch an das frühere heimatliche Palaver rings ums Lagerfeuer erinnert. Wenigstens ein User namens Wouter wunderte sich und fragte nach…“warum hat dort in zwei Wochen keiner was geschrieben?“
Nun- vielleicht verwechseln einfache Indianer, ganz im Gegensatz zu deren Häuptlingen, Qualm und Dampf aus Regierungswigwams nicht mit dem Rauch einer Friedenspfeife?
Nichts, aber auch gar nichts bewirkt der „Dialog“ mit diesen entschlossenen Landräubern. Noch nicht einmal das indianische Grundanliegen gegen Zäune, wie etwa beim Zugangserschwerungsgesetz, lässt deMaiziere gelten. Bei Sperrung und Löschung von Bildern dürfe es kein „entweder oder“ geben. http://www.tagesschau.de/inland/videochatdemaiziere100.htm . Das Löschen von Seiten ist keine Lösung, so hat de Maiziere also trotz Dialog gesprochen.
Auch bei der Vorratsdatenspeicherung gibt es keinerlei Bewegung. Der Innenminister befürchtet nach dem Urteil der alten Schamanen in roten Roben nun „Sicherheitslücken“. Zitat de Maiziere: Wenn sich das herumspricht, dann wird Internetkriminalität nach Deutschland verlagert“ (fr vom 20.4.). Deshalb solle die Justizministerin ganz rasch ein neues Gesetz vorlegen.
Auch ansonsten unterscheidet sich der neue Liebling einiger Netzaktivisten allenfalls in seiner PR- Beweglichkeit von seinen Vorgängern.
Digitaler Personalausweis für alle Indianer? Selbstverständlich gute Sache für de Maiziere.
Online – Durchsuchung? Selbstverständlich!
Feinmaschige Kontrollsysteme zur Erfassung aller Reisebewegungen nach US-Vorbild innerhalb und an den Grenzen der Union? Selbstverständlich!
Die Zusammenführung der existierenden Datenbanken Europol, Eurojust und jener der europäischen Grenzschutzagentur Frontex? Selbstverständlich!
Nach SWIFT inklusive der Daten von PayPal & Co jetzt in Europa ein “Terrorist Finance Tracking Programme” nach US-Vorbild? Selbstverständlich!
Das ACTA-Handelsabkommen im Kampf gegen die Verletzung von Marken-, Patent- und Urheberrecht gegen “Raubkopierer”? Selbstverständlich!
Dass deMaiziere auch in Europa als Hardliner ohne jeglichen Respekt vor Bürgerrechten auftritt, belegt die deutsche Position zum so genannten Stockholm- Abkommen:
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/32/32488/1.html
Also liebe Indianer, folgt doch Eurem Innenminister, der da wörtlich zu uns spricht:
„Wir steuern auch nicht auf eine Welt zu, in der es dem freiheitlich verfassten Staat darum ginge, das Internet zu erobern, zu zensieren und umfassend zu kontrollieren.Es ist falsch, im Staat eine bedrohende Instanz zu sehen. Er ist ein beschützende Instanz.“ (Zitate u. a. IT- Gipfel Stuttgart)
Und noch schöner: „Ein substanzieller Dialog kann nur in Gang kommen, wenn die Beteiligten bereit sind, aufeinander zuzugehen und einander zu vertrauen. Die Gräben zwischen Staat und Teilen der Indianer (ähhh…Netzgemeinschaft) sind unübersehbar, aber nicht unüberbrückbar.“
Siouxschlächter General George Crook sagte es in einem seiner wenigen sensiblen Momente treffender:
„Die Indianer (finden) nur selten Gehör … Wenn es dann zu (indianischen) Übergriffen kommt, richtet sich die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Indianer, und allein ihre Verbrechen und Grausamkeiten werden verurteilt, während die Personen, deren Ungerechtigkeit sie zu diesem Verhalten getrieben hat, ungestraft davonkommen …
Tauschen wir also nicht Freiheit gegen Reservate- geschweige denn gegen das Linsengericht eines Datenschutzbriefs. Lassen wir sie auch an der Wahlurne nicht ungestraft davon kommen.
De Maiziere versteht nur ein Sprache. Den Wahlzettel. Jede einzelne Stimme für die Piraten ist ein besseres Signal an „die Politik“ als jeder „Dialog“ dieser Art nach Vorgabe des Innenministeriums.
Und bereiten wir uns auf die FsA am 11. September vor. Widerstand in Parlamenten und ein stärkendes Pow Wow auf der Straße hilft weiter – aber nicht diese Veralberung in Hinterzimmern.
Ein wunderbarer Text! Gratulation, Jörg Tauss. Ich habe jeden Tag mit gefrusteten BundesBürgerInnen zu tun, die gerne 95 Prozent der Politikerinnen auf den Mond schießen würden. Es geschieht ein Verbrechen am Volk, wenn man es ungerechtfertigt bis auf den letzten Euro hemmungslos auspreßt.
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Lieber Jörg,
Die Unterstellung, ich könnte jemals Vetrauen in einen amtierenden Innenminister entwickeln, ist dann doch zu viel spekuliert. Wenn mich jemand nach heftigem Schlagabtauch zum Gespräch bittet, dann unterstelle ich ihm zumindest erstmal, daß er an einem Diskurs interessiert ist. Das Ergebnis der Debatte ist dann in der Politik oft genug, daß die vorgefaßte Position sich nicht ändert. So offenbar auch hier.
So what? Immerhin wissen wir jetzt, daß Unwissenheit nicht die Ursache der Grundrechtsfeindlichkeit ist. Wir haben es hier mit gefestigten ideologischen Überzeugungen zu tun, die sich offenbar nicht durch Darlegung technischer Fakten beeindrucken lassen. Allein dieses Detail mal festgeklopft zu haben war den bisherigen „Dialog“ wert. Wir wenden uns dann mal wieder der verschärften politischen Auseinandersetzung zu, auch im „Dialog“.
Anmerkung tauss: Das Problem ist, dass diese Form von Veranstaltungen signalisieren, dass deMaiziere auf der richtigen Spur sei. Er macht damit ja auch PR. Das ist das Problem. Ich hatte übrigens nie vermutet, dass es sich um eine Intelligenzfrage handelt und kann mich dabei sogar selbst zitieren (Artikel Augen zu…) :
https://www.tauss-gezwitscher.de/?p=97
Dieser Text trifft es haargenau…lasst „Sie“ den Marterpfal der Gerechten spüren, auf dass jeder Indianer (Netzuser) erwache und zum Kriegsbeil greifft um die Interessen der Indianer und deren Nachkommen (Netzuser und die die es noch nicht sind) zu vertreten, zu realisieren und vorallem zu erhalten. Freiheit kann man sich nicht wegnehmen lassen, wenn man sich mit aller Kraft gegen diesen Sturm aus unverständlichen Worten der gespaltenen Zungen stellt.
Pow Wow s auf den Strassen hält die „Sippe“ zusammen und stärkt uns….Glaubt diesen „Falschen Teufeln“ (Politiker) nicht und kauft nicht deren „Feuerwasser“ (Lügen, Versprechungen)!
Yate! meine Brüder und Schwestern des Stammes der Netzindianer.
Grüssend sichel
Schönes Interview mit de Maizière in der taz, das alle Befürchtungen bestätigt:
http://www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/keine-no-go-area-im-internet/
Es ist erstaunlich, dass bereits scheinbar winziges Entgegenkommen von Politikern in entsprechenden Positionen bei einem Teil der Netzgemeinde eine wohlwollende Stimmung aufkommen läßt. Im umgekehrten Fall jedoch müssen sich Fachleute aus der IT- Szene im Kollektiv beide Beine ausreisen, um nur geringfügig Beachtung in Parlamentarierkreisen zu finden.
Etwas geschockt hat mich allerdings schon, dass nun z.B. Alvar Freude vom AK Zensur als Sachverständiger für die „neue“ (selbsternannte) Netzpartei SPD in der Enquete- Kommission tätig ist. Ist Alvar nun quasi ein neuzeitlicher Lederstrumpf, ein Freund der Indianer, der seinesgleichen vom richtigen Umgang mit dem „Land der Ureinwohner“ (Internet) überzeugen will? Erstaunlich ist doch, dass er sich ausgerechnet von der Verräterpartei SPD einfangen ließ…
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Sehr guter Beitrag!
Ein Haufen bleibt ein Haufen, egal wie man ihn anmalt…
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@ BlackBuccaneer…solange “sie” nicht begriffen haben, was das Netz ist. Und davon sind “sie” meilenweit entfernt.
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Doch „sie“ wissen/ahnen es, deshalb versuchen „sie“ ja mit ALLEN Mitteln Zäune zu errichten.
Unser Ende, ist Euer Untergang…
(Botschaft der Hopi Indianer an die Welt)
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Nicht das Volk, sondern die Politik braucht Zäune im Netz, weil sie es sonst nicht kontrollieren kann.
Wer immer nur Gras fressen und wiederkäuen will, braucht eben den Zaun um die Weide. Ein Rindvieh braucht den Zaun, um nicht auf die Straße zu laufen. Aber wie viele Menschen lassen sich einen Zaun als Sicherheit verkaufen? Nur um nicht selber denken zu müssen?
Den meisten Politikern ist diese Art von Volk – Vox populi, vox rindvieh – nur recht. Erst bietet man einen freiwilligen „Schutz“ unter Denkverzicht an. Wer später „freiwillig“ das Denken nicht läßt, wird eben dann dazu gezwungen, auf der Weide oder gar im Stall (Café Viereck, Knast) zu sitzen.
Zäune wird es im Internet aber nicht geben, sondern gefährliche Tellereisen. Wer da reinläuft, ist selber schuld. Mit freundlicher Übertragung der IP-Adresse zum BKA und anschließender Hausdurchsuchung.
Also die einleitenden Worte errinnern mich an ein nettes Liedchen von Hannes Wader – Wir werden sehen!
Siehe YouTube…
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Gute Warnung vor den scheinbar gut gemeinten Kaffekränzchen der Digital Ignorants.
Bisher positiver Aspekt: Wir sind in Deutschland mit unserem Kampf für die digitale Freiheit nicht die Schlechtesten gewesen. Schaut Euch GB, Frankreich oder sogar Schweden an, dort hat der piratoide Teil der Gesellschaft einige Entwicklungen verschlafen.
Also, wach bleiben, härter kämpfen.
Wer hat denn bitte was anderes erwartet? CDU bleibt CDU, natürlich passiert da keine Kursänderung.
Widerstand ist möglich. Geronimo hielt mit 500 Apachenkriegern jahrelang die halbe US-Armee auf Trab. Da müsste doch mit 12000 Piraten auch etwas zu erreichen sein! Wir dürfen nur nicht den Fehler machen, uns zu spät zur Wehr zu setzen.
„Einigkeit und Recht und Freiheit.“ Von Sicherheit steht da nix.
Schöner Text. Wir müssen versuchen, „sie“ zu überzeugen – vertrauen dürfen wir „ihnen“ nicht, solange „sie“ nicht begriffen haben, was das Netz ist. Und davon sind „sie“ meilenweit entfernt. Zudem dürfen wir eines nicht vergessen: Ebenso wie die Indianer sind wir die Guten. Vielleicht müssen wir etwas böser werden, um den Kampf diesmal zu gewinnen und nicht in Reservaten zu enden.