KRIMinalisierung

 

 

 

 

 

 

 

 

Man stelle sich vor: Eine russische Nichtregierungsorgansiation plante eine Reise in den Westen, um interessierten Menschen aus Russland einen objektiven Blick ins gelobte Ausland zu ermöglichen. Man stelle sich weiter vor, diese Organisation hätte kurz darauf in Moskau oder in St. Petersburg die Polizei vor dem Haus: Bewaffnet, mit Schutzwesten, mit Durchsuchungsbefehl. Was für ein Theater veranstalteten Politik und Medien hierzulande? Sicher steckte Putin persönlich dahinter.

Umgekehrt ist es allerdings kein Thema. Die West- Ost- Gesellschaft in Baden-Württemberg e. V. (WOG) veranstaltete im September 2016 im Rahmen ihrer satzungsgemäßen völkerverständigenden Arbeit für interessierte Mitmenschen zum Selbstkostenpreis eine Reise auf die russische Krim. Und hatte, dank einer Anzeige des Bundeswirtschaftsministeriums, die Polizei und Staatsanwälte nebst Hausdurchsuchung und Beschlagnahme von Unterlagen auf dem Hals. Weil man in der EU und seitens unserer Bundesregierung aber an der albernen Fiktion eines „ukrainischen“ Gebietes festhält, wird die Organisation von Reisen dorthin unverändert verboten und mit Haft zwischen drei Monaten und fünf Jahren bedroht.
In die Türkei, um den Schauplatz zu wechseln, dürfen dem gegenüber unbehelligt Reisen stattfinden, obgleich dort tatsächlich Terror und Willkür herrschen. Deutsche sitzen ohne Anklage und ernstzunehmende Beweise seit Monaten in Haft. Über einen moderaten Hinweis hinaus traut sich das Auswärtige Amt aber nicht einmal, eine Reisewarnung für den Erdoganstaat auszusprechen. Dabei wäre jeder Reisende, der am Abend in froher Runde in Izmir oder Antalya eine „beleidigende“ Bemerkung über den Möchtegern- Kalifen machte, unmittelbar in seiner Freiheit gefährdet. Dem gegenüber ist die jetzt wieder russische Halbinsel geradezu ein Hort der Freiheit und der westlichen Werte.

Friedliche Wiedervereinigung

Das einzig Kritische, das unserem Auswärtigen Amt zur Krim einfällt, ist der Hinweis, dass dort für Reisende „kein konsularischer Schutz“ gewährleistet sei. Wie es um den „konsularischen Schutz“ deutscher Inhaftierter bestellt ist kann man sich allerdings am Beispiel Türkei gleichfalls gut vor Augen führen. Er wäre im Zweifel nicht einmal das Papier wert, auf dem er stünde.

Was also ist der Hintergrund des Krim – Boykotts? Da wäre zunächst einmal die vermeintliche „Nichteinhaltung“ der Minsker Vereinbarungen zur Ostukraine durch Moskau. Ernst nehmen kann man diesen Einwand nicht. Da zuvörderst die Ukraine das entsprechende Abkommen verletzt und dessen Umsetzung mit Rücksicht auf Nationalisten verhindert wäre logischerweise dann auch die Durchführung von Reisen ins ukrainische Staatsgebiet mindestens in gleicher Form zu sanktionieren. Aber lassen wir diese Betrachtungen, welche die Absurdität des Krim/ Russlandboykotts auch kabarettistisch in Worte kleiden ließen, einmal außen vor.

Dass die Krim boykottiert wird und Reiseveranstalter kriminalisiert werden, welch’ schönes Wortspiel mit „Krim“ und „krim“inalisiert, zeugt wohl eher für die offensichtliche Angst des Westens, der EU und der deutschen Bundesregierung, dass sich Touristen vor Ort von der Absurdität der Propaganda einer vermeintlichen „Annexion“ der Halbinsel am Schwarzen Meer überzeugen könnten.

Sicher darf man auch in diesem Fall gerne akademische völkerrechtliche Betrachtungen anstellen. Aber ein Westen, der den Irak- Krieg auf Basis gefälschter Geheimdienstberichte möglich machte, der im Gegensatz zu aller Propaganda nach 1945 mehr als nur eine Grenze unfriedlich und völkerrechtswidrig veränderte, sollte sich bei Berufung auf das „Völkerrecht“ etwas bescheidener zurückhalten.

Hinzukommend wäre auch das Selbstbestimmungsrecht der Menschen auf der Krim zu beachten. Die sind heilfroh, im Gegensatz zu den Menschen im Donbass- Gebiet, nicht vom Kiewer Regime und dessen Söldnern beschossen zu werden. Niemand bezweifelt In Jalta, in Simferopol oder wo auch immer ernsthaft den Bevölkerungswillen für die friedliche Wiedervereinigung mit Russland. Man kann sprechen mit wem man dort will: Eine zumindest übergroße Mehrheit ist heilfroh, dem ukrainischen Chaos entronnen zu sein. Ob dies auch für Krim – Tataren gilt, sei dahingestellt. Aber auch die haben das größere Problem, dass ihrer Landwirtschaft durch die ukrainische Wasserkappung aus dem Fluss Dnepr großer Schaden zugefügt wurde und wird. Und gesprengte Strommasten, mit der Folge von Strommangel, fanden selbst nicht prorussisch orientierte Tataren nicht wirklich gut.

Kehren wir nochmals zur Türkei zurück: Kurdische Siedlungen wurden und werden, international unkommentiert, mit brachialer militärischer Gewalt platt gemacht. Tartarische Dörfer erleben seit 2014 einen großen und unübersehbaren Aufschwung. Auch davon kann sich augenscheinlich überzeugen, wer mit offenen Augen und Ohren auf die Krim reist. Das aber passte nun wirklich nicht in den antirussischen Propagandakram unserer kalten Krieger in Politik und Medien.