Hauptsache freundlich….

Man stelle sich vor, in Sachen NSA riefe ein Obama die Kanzlerin an und forderte sie freundlich und höflich auf, „die Sache endlich zu vergessen. Sonst müsste Deutschland mit strafbewehrten Aktionen rechnen“.

Man stelle sich weiterhin vor, die Kanzlerin hielte sich mit der Begründung daran, „Obama sei freundlich und höflich gewesen, auch wenn sie das Ergebnis des Telefonats natürlich nicht freue….Das kenne sie aus anderen Fällen anders….“

Nehmen wir an, dieses Telefonat hätte stattgefunden und wäre bekannt geworden. Hohn und Spott wäre aus netzpolitik.org , Zentralorgan des Markus Beckedahl, dem selbsternannten Netzaktivistenchef ohne Basis, auf die arme Kanzlerin niedergeprasselt.

Nun traf es aber in einer ungleich unwichtigeren und lächerlichen Angelegenheit Beckedahl oder Redaktionskollegen mal selbst. Er erhielt vor geraumer Zeit einen Anruf aus Kreisen der fragwürdigen KJM, die bekanntlich

…als  Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) ist die zentrale Aufsichtsstelle für den Jugendschutz im privaten bundesweiten Fernsehen sowie im Internet ist. Ihre Aufgabe ist es bekanntlich, für die Einhaltung der Jugendschutzbestimmungen zu sorgen und im Rahmen der regulierten Selbstregulierung die Selbstverantwortung der Anbieter zu fördern….

Darüber hinaus werden von der KJM zur Erfüllung dieser gebührenfinanzierten Aufgabe, alle bekannten Hardliner des Steinzeitjugendschutzes vertreten, welche die böse neue Welt und das Internet nie verstanden haben und zweifellos auch nie verstehen werden und wollen. In lebhafter Erinnerung ist deren lebhaftes Eintreten für Netzsperren und sonstigen Unfug.

Wie schon die Stelle jugendschutz.net (man erspare mir auch hier die Verlinkung) brauchen diese Stellen zu deren Existenzsicherung politisch einen möglichst hohen Missbrauch von Kindern und natürlich möglichst viel Gefährdung der Jugend. Je mehr desto besser. Desto mehr Geld fließt und natürlich auch die mediale Beachtung. Spektakulär und deshalb einsichtig war deshalb nach 2008 der Kampf dieser „Jugendmedienschützer“ für Sperren statt Löschen.

Was also wollte die KJM nun von netzpolitik.org? Sie rief an und drohte mit einer Strafanzeige. Mit viel Mimimi wurde dies redaktionell gleich redaktionell erläutert:

Wenige Stunden nach unserer Berichterstattung rief eine Vertreterin der Kommission für Jugendmedienschutz der Landesmedienanstalten (KJM) bei uns an. Wir sollten den Link auf den “BPjM-Leak” beim Freehoster Neocities entfernen. Manche der (über 3.000) URLs auf der Seite enthalten demnach strafbares Material nach § 184b Strafgesetzbuch, vulgo: “kinderpornographische Schriften”. Unser Link wäre “Zugänglichmachung” von “Kinderpornografie”.

Brav hat man dieser Forderung entsprochen und den Link entfernt. Interessant ist: Nicht die Bundesprüfstelle als „Geschädigte“ rief an, sondern die bestenfalls nur informell involvierte KJM. Doch was tut man nicht alles, wenn ein ebenso staatstreuer wie furchtsamer Netzaktivist einen Anruf bekommt? Dazu Markus Beckedahl selbst:

Markus Beckedahl 9. JUL 2014 @ 15:35

Man muss dazu sagen: Wir freuen uns, dass wir wenigstens vorher von der KJM angerufen worden sind und nicht sofort ein Verfahren eingeleitet wurde. Das war freundlich und höflich, auch wenn uns das Ergebnis des Telefonats jetzt nicht so erfreut. Das kennen wir aber in anderen Fällen anders und weniger freundlich.

Klar. Hauptsache freundlich. Dies müssen wir jetzt auch Abmahnern und ähnlichem Gesocks sagen: Seien Sie doch einfach freundlich und schon erfüllen wir Ihren Wunsch. Kurz: Dieses Signal von netzpolitik.org ist schlicht fatal.

Mit einem einfachen Anruf werden Rechtsgrundlagen ausgehebelt. Wer dies kritisiert, erfährt (wie ich) „natürlich“ Häme. Prompt wurde von Beckedahl  Co mit meiner Justizposse aus den Jahren 2009/ 2010 gekontert:

netzpolitik ‏@netzpolitik 4 Std.

@tauss beim Thema Kinderpornographie sind Sie ja der mutige Spezialexperte!

Da haben die nun auch wieder Recht. Ich bin es. Und deshalb habe ich wenigstens mal nachgefragt. Dürfen andere auch. Sie müssen sich ja deshalb nicht gleich ebenso mutig mit der Staatsgewalt anlegen.

Hier also meine Fragen an die KJM:

Sehr geehrte Damen und Herren,

in diesem nachfolgend verlinkten Artikel wird behauptet, netzpolitik.org hätte von einer Mitarbeiterin der KJM telefonisch die Androhung einer Strafanzeige erhalten:

https://netzpolitik.org/2014/bpjm-leak-warum-wir-erstmals-einen-link-aus-unserer-berichterstattung-entfernen-oder-verbreiten-wir-kinderpornografie/

Daraus ergeben sich einige Fragen:

Trifft der geschilderte Sachverhalt zu?

Falls Ja: Auf welcher Rechtsgrundlage erfolgte die Androhung und wurden Sie von der Bundesprüfstelle darum gebeten?

Woher ist der KJM und ggf. seit wann bekannt, dass der aus einem Hack bekannt gewordene Link zu rd. 3.000 URL kinderpornografisches Material enthält?

Ist die KJM selbst im Besitz dieses Materials oder hat Zugang dazu?

Welche Stellen wurden eingeschaltet, um dieses kinderpornografische Material von den Seiten der BPjM zu entfernen bzw. den Zugang hierzu via Bundesprüfstelle künftig zu verhindern?

Für eine zeitnahe Stellungnahme bin ich dankbar.

Mit freundlichen Grüßen Jörg Tauss

Anmerkung 1: Man muss sich nicht mit der KJM anlegen, wenn man sich nicht traut. Diese Entscheidung muss man selbst treffen. Aber man kann oder KÖNNTE wenigstens Fragen stellen. Interessant ist, wie der Vorgang weiter behandelt wird. Es wäre sogar ein Thema für diesen Internetausschuss im Bundestag. Schau‘n wir mal. Aber nach Art des Beckedahl zu kapitulieren, nur weil der Gegner höflich ist und / oder weil man juristisch Schiss hat: Das sind schon zwei paar Stiefel.

Anmerkung 2: Die Sicht von Carta http://www.carta.info/73561/kjm-wirft-netzpolitik-org-vor-kinderpornographie-zugaenglich-zu-machen/

Anmerkung 3: Ich greife den Vorgang jetzt noch einmal auf, weil sich in den letzten Wochen weder bei netzpolitik.org noch bei der KJM etwas getan hat.  Auch netzpolitisch scheint Aussitzen also Mode geworden zu sein.

3 Gedanken zu „Hauptsache freundlich….

  1. Heinz

    @tauss
    Wieso brauchst du so lange zum Kommis freischalten?
    Meiner vom 04.08. ist immer noch nicht on.

    Sorry: Es gab ein kleines WordPress- Problem.

  2. Tim Landscheidt

    Ich verstehe nicht ganz die Argumentation. Wenn der Link eine „Zugänglichmachung“ von „Kinderpornografie“ darstellt, dann liegt es ja nicht an der Gnade der KJM, ob eine Strafverfolgung stattfindet oder nicht, und netzpolitik.org kann die geschehene Straftat erst recht nicht dadurch unvergessen machen, dass sie den Link entfernen; bestenfalls ist das geeignet, die Rechtsfolgen zu mildern.

  3. Heinz

    > Auch netzpolitisch scheint Aussitzen also Mode geworden zu sein.

    Ist es schon länger, aber das Beckedahl mit der Justizposse kommt hätte ich selbst von dem nicht erwartet.

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