Warum wir jetzt kämpfen müssen, schreibt der sozialdemokratische „Spitzen“kandidat in der FAZ. Ein Fragezeichen war nicht dahinter. Warum müssen wir also kämpfen? Martin Schulz hat eine schreckliche lauernde Gefahr erkannt: „Internetkonzerne und Geheimdienste wollen den determinierten Menschen“. Und: „Wenn wir weiter frei sein wollen“, so schlussfolgert Schulz, „müssen wir uns wehren „und unsere Politik ändern“. „Auf, auf zum Kampf zum Kampf“, möchte man ehrwürdiges Liedgut wieder hervorkramen.
Lobenswert, meint der staunende Leser und sieht den früheren Bürgermeister und Buchhändler von Würselen bereits als Mann wie eine Eiche auf den europäischen Barrikaden. Beispielsweise für ein freies Geleit und Asyl für Snowden. Liest man weiter finden sich im Artikel allerdings leider keinerlei politischen Anleitungen, die entsprechend zum Kampf oder (wie im Lied) zum Kampf gegen die grüne Polizei in der EU ermunterten. Geschweige denn zu einem kleinen Anfang, EUROPOL mal demokratisch zu kontrollieren.
Statt dessen stellt Schulz viele Fragen. Zweifellos hat er in seinem Leben viel Sesamstrasse geguckt….Wer nicht fragt bleibt dumm….. Wenden wir uns aber mal seinen vielen Fragen zu und stellen eine Gegenfrage zum Schulzschen Aufruf „Warum WIR jetzt kämpfen müssen…“ Wer kämpft, wer ist wir, möchte man wissen? Erst am Schluss des Artikels wird hierzu auf eine imaginäre „soziale Bewegung“ verwiesen, „die wir brauchen und die den Mut aufbringt, das Notwendige zu tun…“ Ah ja. Andere. Nicht er. Nicht die SPD.Immer wieder das sozialdemokratische „WIR“ mit Appell an Dritte. Gibt es die Bewegung, getragen von CCC, DigitalCourage, FIfF etc. etc. bis hin zur FsA, nicht längst? Wo findet sie in der SPD aber Unterstützung? Da wird das „WIR“ schnell zum „IHR“. Bitte kämpft Ihr und derweil machen WIR die Vorratsspeicherung.
Wo spiegelt sich dieses „WIR“ in der praktischen (europäischen) und von Martin Schulz (mit-)verantworteten Politik? Gab es kein Einknicken in Sachen Fluggastdaten gegenüber den USA und selbst gegenüber dem zur Zeit gar nicht mehr so lieben Russland?
Und WENN Schulz die heutigen Herausforderungen schon als vergleichbar mit den Herausforderungen der Industrialisierung betrachtet: Hat sich die damalige SPD darauf beschränkt, an Dritte zu appellieren, eine neue soziale Bewegung zu gründen? Nein. Sie machte es selbst und setzte sich an die Spitze der Bewegung, statt pseudointellektuelle Betrachtungen in Feuilletons anzustellen.
Fragen… Fragen… Fragen….
Weitere Beispiele für seine Fragerei: „Macht das Speichern unsere Welt wirklich sicherer?“ Reizend. Warum benennt Schulz aber nicht das Konkrete? Weshalb sagt Herr Schulz statt dessen nicht: „Die Überwachung macht unsere Welt nicht sicherer…..?!?“ Weil er vor dieser Aussage schon bei SPD- Parteitagen kneift, bei denen eben diese Überwachung beschlossen wird.
…“oder wird das Supergrundrecht Sicherheit …zum Sicherheitsrisiko für seine Bürger?..“ Auch hier wieder nur eine Frage und keine Aussage, dass es dieses Supergrundrecht eben nicht gibt. Ganz im Gegenteil haben beispielsweise die Mütter und Väter unseres Grundgesetzes auf ein Grundrecht auf Sicherheit bewusst verzichtet. Erst die Innenminister Schily, Schäuble und Friedrich kramten es (grundgesetzwidrig) wieder hervor. Selbst die viel diskutierte Balance zwischen Freiheit und Sicherheit ist schlicht grundgesetzwidrig. Freiheit ist im Rechtsstaat stets HÖHER zu gewichten. Das aber kommt dem europäischen Karrieristen nicht in den Sinn. Statt dessen wieder nur Fragen und keine Position des Herrn Schulz, der eben auf allen Schultern Wasser tragen will. Nur nicht festlegen…
Sogar bei den auf EU- Ebene lösbaren kleineren Details, wie bei den von ihm angesprochenen Versicherungen, bleibt er im Mimimi. Keine Aussage, „wir wollen die Verbraucher schützen“. Auch da nur Fragen. Wie etwa zum Schufa- Scoring – Skanda, wonach Verbraucher kein Recht haben, über die Grundlage der Ablehnung eines Kredits korrekt informiert zu werden. Nur: Dies war sozialdemokratische Gestaltung der letzten Datenschutznovellierung und nicht nur kritikwürdige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Man(n) könnte dies gesetzlich ändern, Herr Schulz! Wenn man denn wollte. Seine SPD wollte nicht und betrieb 2008 und 2009 statt dessen Schufa- Lobyismus,
Könnte man mit Schulz noch sagen, dass „die Gesellschaft“ die Freiheitsdebatte erst noch gründlicher führen muss, hätte er spätestens hier konkret werden können. Er könnte sagen, wir wollen eine Richtlinie, dass aus „vernünftigem“ Verhalten vorn Versicherten eben kein Zwang zur Kontrolle des Einzelnen wird. Dafür setze ich, Martin Schulz, mich ein. Punkt. Nichts davon. An KEINER Stelle.
Statt dessen kommt wieder wieder die typisch thematische Vermauschelung des schützenswerten armen facebook-Konsumenten mit anderen Themen bis dahin, dass… „wir“ (wieder wir) nur noch die politischen Informationen erhalten, die unseren vermuteten Interessen entsprechen…“ Nicht einmal da wird es konkret. Kein klares Bekenntnis zur Pressefreiheit oder zur Freiheit des Internet, um andere Meinungen und Strömungen unzensiert zu Wort kommen zu lassen.
Wo ist die Schulz- Kritik an der Kommission, dass die Kroel/ Guttenberg- Show (Guttenberg zwischenzeitlich weg) noch keinen Meter vorangekommen ist? Erinnern wir uns: Die EU wollte verfolgten Bloggern Hilfe gewähren und sogar Technik zur Verfügung stellen. Wo ist jetzt, nach der Show, z. B. der EU- TOR- Server für die Verfolgten in aller Welt mit entsprechender finanzieller und technischer Unterstützung?
Wo fordert Schulz eine (richtig verstandene) Realisierung des schon bei der Münchner Sicherheitskonferenz 2011 diskutierten Internet- Schutzabkommens, das allerdings wohl eher die Regierenden nebst Wirtschaft und nicht das Internet oder die Freiheit im Internet schützen sollte?
Wo ist die Stimme Schulz gegen den europäischen Überwachungsstaat? Beispielsweise gegen Web- Sperren in GB? Bei twitter/ Türkei hat er sich wenigstens geäußert. Bei Großbritannien schweigt der Präsident des EU- Parlaments typischerweise und vorsichtshalber. Schließlich will er was werden.
Oder wo ist seine Stimme gegen immer neue elektronische Grenzen? Also mal gegen die Malmström- Konzepte? Was sagt er zu immer mehr Daten im kontrollfreien Austausch der Sicherheitsbehörden untereinander und mit den USA? Also mal KONKRET gegen die von ihm befürchtete „hysterische Überhöhung von Sicherheit“, welche aber tägliche Realität der tatsächlichen Politik in Brüssel ist. Wo geht Schulz die Verursacher an und benennt sie?
Statt dessen soll (als Fazit des Beitrags) „die Bewegung“ Pflöcke einschlagen. A ja. Dann pflocken wir also weiter ohne politische Unterstützung auf unseren FsA- Latschdemos. Die „Fragen“ des Herrn Schulz an „uns alle, die Gesellschaft..“ bla bla wurden schon oft und vielen Leuten gestellt. Allein es fehlen die Antworten derer, die (sozialdemokratisch) regieren und/ oder in Parlamenten hocken.
Die nichtgehaltene Rede des Herrn Schulz
Irgendwo sagt er zwischen seinem Fragensalat: „Weltweit werden wir für unser europäisches Gesellschaftsmodell bewundert“. Hübsch gesagt. Aber noch nicht einmal dieses Modell wird von ihm mit einer klaren Aussage verbunden. Die nicht gehaltene Rede des Herrn Schulz könnte doch so aussehen (man darf ja mal träumen):
„Europa steht für Demokratie und Freiheit. Das verstehen wir unter westlichen Werten. In Europa wollen wir daher ein freies grenzenloses Internet ohne Begrenzung durch politische und wirtschaftliche Interessen. Alle diesem Ziel entgegenlaufenden politischen Tendenzen wollen wir bekämpfen. Die Welt und die Diktatoren in aller Welt müssen zur Kenntnis nehmen, dass ein freies Internet in Europa existiert und für uns nicht verhandelbar ist.
Wir werden daher mit unseren finanziellen und technischen Möglichkeiten diesem freien Internet, wo immer notwendig, zum Durchbruch verhelfen und es gegen Zensoren, Diktatoren und Überwachungsstaatler in aller Welt und in Europa verteidigen. Wir ächten den Export von Überwachungstechnologie… Und auch unseren Verbündeten sagen wir, egal auf welcher Seite des Atlantiks: Freiheit ist kein Gut, das wir in internationalen Abkommen zur Disposition stellen. Freiheit kommt vor Sicherheit……“
Eine solche Rede/ Schreibe des Hern Schulz, oder auch mal eine zur Flüchtlingsproblematik und zur Festung Europa, würde „uns“ sehr beeindrucken. Aber die wird er NIE halten. Noch nicht einmal abgeschwächt. Er könnte sich ja festlegen. Darin unterscheidet er sich nicht NICHTS von einer Merkel. Dabei ist die Situation doch seines Erachtens sehr ernst:
„Es geht um nichts weniger als um die Verteidigung unserer Grundwerte im 21. Jahrhundert“, schreibt der „große Europäer“ Schulz aus Würselen statt dessen. Ja, Herr Schulz. Nur: bei der Verteidigung UNSERER Grundwerte haben WIR Sie und Ihre Partei in den letzten Jahren vermisst. Was soll’s.
Nach der Europawahl werden Sie blubbernd in der Versenkung verschwinden. Dann müssen noch nicht einmal mehr Ihre Fragen kommentiert werden.
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