Piraten weisen Bosbach den Weg

Diese Woche habe ich mir mal den Vorsitzenden des Innenausschusses im Bundestag, Wolfgang Bosbach (CDU) angehört. Er sprach vor rund 250 CDU- Anhängern hinter den leeren Eimern (Foto)  in einem Gartenzentrum meiner Region. Denn er wollte nicht im Freien und nicht in einem Saal reden, erfuhr das Publikum. Und so sei man auf die Idee mit der Gärtnerei gekommen.  Bosbach teilte dann auch fröhlich mit, er hätte mal in einer Schreinerei, aber noch nie in einem Gewächshaus, geredet. Damit waren wir quitt. Ich musste auch noch nie in einer Geranienaufzuchtstation der CDU zuhören.

Begrüßt wurden dann, als es endlich losging, die Anhänger der CDU. Auf die Idee, dass sich auch Nichtanhänger und Normalbürger mal in eine Veranstaltung der Union verirren könnten, kommen die schon gar nicht mehr. Halt: Auch der Bürgermeister (nicht CDU) wurde begrüßt. Doch der war (noch?) gar nicht da. Allerdings ist die Schmerzschwelle für eine derartige Veranstaltung so hoch, dass man schon wieder Verständnis hat, wenn der Bürgermeister in der Amtsstube bleibt.

Wenigstens war ein Bierstand aufgebaut. Alkoholfreie Getränke gab es dagegen nicht. Alkohol ist also eine weitere Strategie für einigermaßen normale Menschen, am frühen Nachmittag CDU- Plattheiten über sich ergehen zu lassen. Einige Kostproben:

Bosbach lobte, weil „das endlich mal fällig“ sei, die Opas und Omas, die nach dem Krieg das alles bei uns aufgebaut hätten. Irgendwie geht es da schon in der zeitlichen Dimension schon was durcheinander. Denn schon Nachkriegsgeborene gehen als Großeltern auf die 70 zu. Auch Bosbachs Mama hatte mit dem Kriegsausgang als 5-jährige wohl wenig zu tun und war als Trümmerfrau kaum einsetzbar. Egal. Die anwesenden Omas und Opas fühlten sich angesprochen und freuten sich.

Bosbach verhagelte dann die zunehmend gelöste Bierstimmung mit der Mitteilung, dass sie (die hart arbeitenden Anwesenden) ihren armen Kindern demnächst nichts mehr vererben könnten. Vorausgesetzt natürlich nur, dass ROT- Rot- Grün regiere. Dann wäre dank Erbschaftssteuer nämlich fast alles, was sie versteuert (sic!) erarbeitet hätten, einfach weg. Das Erschrecken stand meinen Tischnachbarn ins Gesicht geschrieben. Jetzt freuten sie sich nicht mehr. Das ganze schöne Angesparte weg, nur weil man im Sarg liegt? Das führt schon zu schlaflosen Nächten.

Flugs wechselte Bosbach also das Thema. Soviel Horror war dem Publikum nun doch nicht zumutbar. Er erzählte jetzt was vom globalen Wettbewerb, der Notwendigkeit von Bildung und vom Westfalen an sich. Die Westfalen fragten immer, „was machen wir heute?“ Die Rheinländer, wie er, seien da ganz anders. Die fragten, „was machen wir heute ABEND?“. Da lachte der Saal wieder. Und überhaupt, fand Bosbach, sollten wir „uns“ nicht so wichtig nehmen.

Jetzt nahm er sich aber wieder ganz wichtig, wurde total ernst und erzählte von früher, als sie noch kein Handy hatten, gegen alles traten was RUND war und erst heimgingen, als es Dunkel wurde und die Mama schimpfte. Irgendwie war zu vermuten, dass nun die Forderung nach Videoüberwachung oder Vorratsdatenspeicherung kommen würde. Aber er kam nur zu Facebook. Früher gab es kein Handy, heute Facebook erläuterte Bosbach. Das sei eben das veränderte Kommunikationsverhalten, das er aber auch nicht verstünde. Seine Tochter sei da ganz anders. Die wisse Bescheid. Was nur wollte er uns damit sagen? „Dass es eben keine Einheitskinder gibt, und es deshalb keine Einheitsschule geben darf“. Ach so. Der Zusammenhang erschließt sich automatisch.

„Es muss aufhören, dass die Alten aus den Betrieben gedrängt werden“, rief Bosbach dann nach dem Facebook- Einblick in „Milliarden Nutzer“  in die versammelte Menge. Und er lobte Baden- Württemberg und dessen Erfinder des Faxgerätes. Hier, und nicht von Bill Gates, sei von Zuse nämlich der Computer erfunden worden. Zuse war zwar Berliner und nach dem Krieg auch mal im ALLGÄU. Aber diese Kurve brauchte er wohl, um dann vom Export „von in den USA gebauten BMW- Autos“ zu berichten und davon, dass die CDU die Partei für jene sei, „die um 6.00 Uhr aufstehen, um zu arbeiten…“ Das freute die Rentner. Deshalb seien die Renten in Deutschland sicher. Ach so. Und deshalb müsse man sich gegen den „rot- grünen Feldzug wehren„.

Ich bin kein Rebell…..

Denn nur unter der CDU sei alles gut und am Wahlabend brauche man einen ganz großen schwarzen Balken bei der Hochrechnung. Das freue ihn dann immer, verriet er dann. Die Grünen wollten schliesslich „die Bratwurst verbieten“. Auch das mache den schwarz- grünen Unterschied aus. Na denn. Und das Schlimme an Steinbrück sei, dass der nicht nur sage, was er denke, sondern sogar denkt, was er sagt. Irgendwie hat er sich bei diesem Gag wohl verheddert. Das fiel aber niemand auf, zumal er meinte, die tolle Merkel sei, natürlich im Gegensatz zu Steinbrück, da ganz anders und natürlich. Da wurde wieder lebhaft geklatscht.

Unvermittelt rief Bosbach nun in das Gewächshaus, er sei doch kein Rebell. Das müsse er gerade bei der CDU doch auch mal sagen dürfen und müssen. Aber das hätte auch kaum einer vermutet. „Aber es darf nicht so sein, dass Deutschland so viel für Banken und Griechenlandschulden haftet“. Das hätte er auch der Kanzlerin gesagt. Ach so. Aber nur deshalb sei „er doch kein Quertreiber“, beteuerte Bosbach. Jeder glaubte ihm aufs Wort.

Und man solle der FDP nur keine Leihstimmen geben. Denn die „geben geliehene Stimmen nie zurück“, sagte Bosbach. Stimmt, sagte die Frau mir gegenüber nachdenklich und biss in eine der kostenlos ausgegebenen Brezeln, die sie sicher auch nie der CDU zurückgibt.

Jetzt wünschte er „uns“  und den regionalen Kandidaten noch viel Erfolg. Da die Rede zu Ende war, wurde jetzt ganz viel geklatscht. Eine Diskussion gab es nicht.Vielleicht hätte nicht nur ich gefragt, warum der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses kein Wort zum Thema Bürgerrechte oder zu aktuellen Themen wie NSU oder Prism verlor. War da nicht was in der letzten Zeit? Zum Beispiel der Bundestagsbericht zum zentralen Versagen der Sicherheitsbehörden? Nicht für Bosbach.

Deshalb nur noch ein kleiner Nachtrag zur Überschrift dieses Beitrags: Dass er eine Stunde zu spät zum Vortrag dieser nun wahrhaft historischen Ansprache kam, begründete Bosbach neben dem  A5- Stau hinter Rust damit, sein Navi hätte ihn zunächst nur in den Wald geführt. Erst Piraten, die am Waldesrand mit Großplakat gegen Bosbachs Anwesenheit demonstrierten, verrieten ihm dann den Weg zum Gärtnereieingang. Das mit den Piraten hat er vor Ort im Gewächshaus aber leider nicht erzählt. Das mit dem Navi und dem Wald dagegen schon. Wäre doch aber ein richtiger Gag gewesen: Piraten weisen dem verirrten Bosbach den rechten Weg. Ist fast schon was für den nächsten rheinischen Karneval.

 

 

 

 

 

 

Ein Gedanke zu „Piraten weisen Bosbach den Weg

  1. Jürgen Mayer

    Vielen Dank für diese tiefen Einblicke in den deutschen Wahlkampf. Den Eindruck, dass da mitunter schon die falsche Generation angesprochen wird habe ich mittlerweile bereits länger: frage mich nur welcher Bezug anstehen wird, wenn das Wirtschaftswunder einmal gar nicht mehr zur Verfügung stehen sollte –

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