Kommissar Elmar erzählt vom Internet

Als Tanja 12 geht der tüchtige Trierer Kriminalhauptkommissar Elmar Esseln gelegentlich im Internet, wo ihm stets erschröckliche Vorgänge begegnen, auf Streife. Darüber hält er dann Vorträge in Schulen, die sogar dpa und heise aufgreifen:

Eltern müssen Kinder am Computer besser kontrollieren.

MÜSSEN. Wirklich müssen? Wird das ansonsten alsbald ein Strafbestand oder wenigstens eine Ordnungswidrigkeit? Das zu verhüten hat Herr Kommissar tolle Vorschläge parat. Zum Bespiel

Wenn es Eltern gelingen würde, dass ihre Kinder sie bei facebook als Freunde anerkennen, wäre man ein Stück weiter – denn dann wüsste man, was sie tun.

Unabhängig davon, dass ein Konjunktiv schöner als wie etc.  „wenn es gelingen würde“ wäre- ein gar fürchterliches Deutsch, das unsere Polizei so in den Schulen verbreitet. Genau so haben wir das damals, noch ganz ohne facebook, natürlich auch gemacht. Wir wurden einfach die Freunde unserer Eltern, damit die jederzeit rund um die Uhr wussten, was wir so getrieben haben 🙂 Ist doch richtig nah an der Lebenswirklichkeit.

Anders herum gefragt: Wie naiv darf, ungeachtet seiner sprachlichen Kenntnisse, ein Polizeibeamter sein, der zum Thema Internet auf Schulen losgelassen wird? Oder muss man dazu eine ausgesprochene Paranoia entwickeln? Grund genug, bei Herrn Esselns Dienststelle einmal nachzufragen und sich um Herrn Hauptkommissar ernsthafte Sorgen zu machen:

Sehr geehrte Damen und Herren,

lt. DPA hat Ihr Herr Esseln empfohlen, dass Eltern facebook – Freunde ihrer Kinder werden, damit die  immer wissen, was die Kinder tun.

Mit Verlaub: So blöd, unseren Eltern alles auf die Nase zu binden, waren damals, und auch ganz ohne Facebook, noch nicht mal wir. Das gilt sicher auch für heutige Polizist(inn)en. Und stellen Sie sich vor: Wir liefen dennoch frei durch die Gegend und haben es überlebt. Wir wurden von unseren Eltern ganz allgemein vorm „bösen Mann“ und vorm Straßenverkehr gewarnt. Und das genügte.

Damals lief übrigens sogar noch ein Jürgen Bartsch frei herum und trieb sein fürchterliches Unwesen, ohne dass Massenhysterie ausbrach und uns unsere Eltern Tag und Nacht überwachten. Er ermordete mehrere Jungs unseres Alters. Und schauen Sie in den Akten nach: So ganz ohne Internet.

Muss man also schlicht Paranoia entwickeln, um bei Ihnen fürs Internet zuständig zu werden? Dann sollte man sich um Herrn Esseln, dessen Namen unter Weglassung des zweiten „s“ ja bereits berechtigt zu Wortspielen verleiten könnte, Sorgen machen. Kann sich ein Polizist nicht vorstellen, dass es auch für Kinder, Jugendliche und ohnehin für jeglichen normalen Menschen unbeobachtete Freiräume geben muss, um sich entwickeln zu können?

In Zeiten der Lügerei des BKA in Sachen Kinderpornografie und der polizeilichen Forderung nach Vorratsdatenspeicherung und Videoüberwachung an jeder Ecke offensichtlich nicht.

Dennoch ein Vorschlag zur Güte: Lassen Sie Herrn Esseln künftig Einbrüche aufklären. Vielleicht versteht er wenigstens davon was und redet öffentlich keinen weiteren Blödsinn.

Mit freundlichen Grüßen
Jörg Tauss
MdB von 1994 – 2009

4 Gedanken zu „Kommissar Elmar erzählt vom Internet

  1. Peter

    „Wenn es Eltern gelingen würde, dass ihre Kinder sie bei facebook als Freunde anerkennen, wäre man ein Stück weiter – denn dann wüsste man, was sie tun.“

    Gerade *weil* inzwischen auch die Eltern online sind, wird FB nach neuesten Untersuchungen zunehmend unattraktiver für Jugendliche und verliert in dieser Altersgruppe massiv an User.

    Aber Realitätsverlust scheint sowieso weit verbreitet zu sein bei den ganzen selbsternannten Kinderschützern. Alleine schon die pauschale Unterstellung, Jugendliche müssten von den Eltern ständig „kontrolliert“ werden, um nicht völlig ahnungslos auf die bösen „schwarzen Männer“ hereinzufallen! Die meisten Jugendlichen dürften heute mehr Medienkompetenz haben als die meisten Erwachsenen und sind durchaus in der Lage, etwas, was sie nicht wollen, auch abzulehnen. Stattdessen werden sie von der professionellen Kinderschutzlobby als naiv und inkompetent hingestellt, die man am besten in Watte packt und zu Hause einsperrt. Warum wohl? Vielleicht weil inzwischen eine ganze Branche (Behörden, Politiker und zahlreichen dubiose Vereine) von der selbst geschürten Mißbrauchshysterie mit unseren Steuergeldern ganz gut lebt und damit ihre eigene Existenz rechtfertigt?

  2. Michael

    Nur mal so: Wer „schöner als wie“ schreibt, sitzt im Glashaus und sollte sprachbelehrend mit Watte werfen. Maximal. ^^

    Zum Thema:

    Ich biete Eltern, Lehrern und Schülern an, ehrenamtlich über „Risiken und Chancen des Internets“ zu referieren. Einschneidendstes Erlebnis:

    – Einladung an 250 Eltern verschickt (Teilnahme an kostenlosem(!) Informationsabend „Weißt Du, was Dein Kind im Netz macht?“).
    – Ich weiß, dass sogar ein Elternabend umgeplant wurde, damit die Eltern teilnehmen konnten.
    – Teilnehmer: 4 (ja, „vier“), darunter ein Polizist, der sich für die Veranstaltung einen Wolf getrommelt hat und geziemend angepisst war.
    – Das war übrigens zu der Zeit, als SzuG bei RTL2 „Aufklärungsarbeit“ in Sachen Internet unters Volk rotzte, das dann pflichtschuldigst mit „Ohgottogottogottistdasallesschlimm“ in Schnappatmung verfiel.

    Wenn da ein Kriminaler mit halbgaren Horrorstories und wenig Feingefühl an die Schulen geht, ist das natürlich suboptimal, aber wer macht es denn sonst?

    Und Du so?

    Anmerkung tauss:

    1. Hätte eigentlich gehofft, dass die Ironie des „als wie“ in diesem Kontext deutlich wird. Ironie ist aber bekanntlich Glückssache. Einige haben sie zum Glück bemerkt….

    2. Ich war oft genug an Schulen und hatte Schüler aus meinem Wahlkreis in großer Zahl bei mir im Bundestag, wo wir die Themen diskutierten. Aber zu Deiner Veranstaltung: Evtl. sind die Eltern weit weniger hysterisch, als es die Berichterstattung vermuten lässt?

  3. Wolfgang Ksoll

    Das war doch auch die Kripo Koblenz, die sich bei dem Kinderschänder aus Mayen mit „besonderer Fachkunde“ ausgezeichnet hat. Dort wurde der Täter von der Mutter von Zwillingen wegen sexuellen Missbrauchs von 6- oder 7-jährigen Knaben angezeigt und die dortigen Behörden bescheinigten den Kindern „Unglaubwürdigkeit“. Damit konnte der Täter jahrelang völlig ungestört durch Behörden weiter Kinder schänden.

    Erst als er Filme seines Missbrauchs ins Internet stellte, die dann in Aktenzeichen XY an der Koblenzer Kripo vorbei direkt zum Bürger kamen, wurde der Täter erneut identifiziert. Dank der „tollen“ Arbeit der Kripo Koblenz konnte der Täter mehrere Jahre Kinder schänden:
    http://archiv.rhein-zeitung.de/on/10/02/23/rlp/t/rzo677753.html

    Möglicherweise ist die „Eltern-Beratung“ ein offenes Amok-Experiment, was ja ebenfalls im Arbeitsbereich des Herrn liegt.

    Aber vielleicht glauben manche Bürger an die Heilslehre der Totalüberwachung der Bürger. Aus Gründen würde mancher vielleicht aber in RLP eher die Polizei überwachen, wenn er seine Kinder schützen will, die dort besonders intensiv zur Arbeit in der Sänfte (s.o. bei der dreijährigen Tätigkeitslücke von 2006 – 2009) getragen werden will.

  4. Jochen Hoff

    Mal völlig ohne diesen Herrn Eselig zu beachten. Das viel größere Problem sind für Eltern, die mehrere Kinder auf Facebook haben, dass nicht nur die Freunde werden wollen, sondern deren Freunde auch noch und man als Papa natürlich niemanden aus diesen Kreisen ablehnen darf, weil das je gemein wäre, wo der Robbi oder die Serena doch so toll sind. Daraus erben sich dann schnell ein paar hundert Einladungen zu irgendwelchen Spielen und Gruppen und und und. Anstrengend

    Den Herrn Eselig lassen wir da mal ruhig weiter sich erklären. Er kann doch sonst nichts anderes.

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