Hurra. Heute ist Weltkindertag. Also eine gute Möglichkeit, global auf die Verletzung von Kinderrechten aufmerksam zu machen. Und sicherlich gehört Kinderarbeit eindeutig zu den groben Verstößen gegen die UN-Konvention zu den Rechten des Kindes.
Es sei, so tönte deshalb unsere Kinderkommission des Deutschen Bundestages schon im Juni,
….dringende Aufgabe der Politik, international auf die Einhaltung der Kinderrechte und das Verbot von Kinderarbeit zu drängen.
Schön, wenn ausgerechnet unser Parlament an „die Politik“ appelliert, sich eines Problems anzunehmen, dem man sich eigentlich und zumindest am Welttag der Kinder selbst mal annehmen könnte. Nicht wirklich scheinen sich diese Abgeordneten „der Politik“ so ganz zugehörig zu fühlen.
Denn nicht einmal am Welttag des Kindes schafft es ausweislich ihrer eigenen Stellungnahme diese Kinderkommission, über den beschränkten deutschen Horizont hinauszublicken. Sie bejammert ausgerechnet heute das harte deutsche Schicksal
..zu oft sind die Tage von Kinder und Jugendlichen viel zu eng eingetaktet.
Dieser Erkenntnis wird man wohl nicht widersprechen können. Doch ist ausgerechnet der Weltkindertag geeigneter Anlass, um einen immer stärker fordernden Schulalltag und Freizeitstress durch vielfältige Aktivitäten mit hohen Anforderungen in DEUTSCHLAND zu beklagen?
Die FDP- Kinderpolitikerin Miriam Gruss setzt da in einer eigenen Pressemitteilung noch einen drauf:
„Wichtig ist, dass der notwendige Respekt für Kinder und ihre Bedürfnisse nicht nur alljährlich am 20. September Beachtung findet. Wir wollen mehr Respekt für Kinder in Deutschland – an 365 Tagen im Jahr.“
Auch bei den einen Außenminister stellenden Liberalen scheint der Begriff „Welt“ an 365 Tagen im Jahr zumindest beim Thema Kinder irgendwie auf die Ecken zwischen Flensburg und Bodensee reduziert zu sein.
Dazu passt, dass sich die Kinderpolitiker des Deutschen Bundestages bis heute und trotz mehrfacher Anfragen nicht mit einem Skandal befassten, über den ich bereits im Dezember 2010 (auf tauss-gezwitscher) berichten musste.
Am Beispiel eines Kaffekonzerns (Douwe Egberts) dargestellt hält die EU-Kommission Kinderarbeit (unverändert!) für einen Wettbewerbsvorteil.
Dummerweise fanden die abgeordneten Kinderpolitiker unseres Parlaments trotz mehrfacher Bitten seit Dezember 2010 keine Gelegenheit, sich damit zu befassen….
PS: Allein in Kenia arbeiten geschätzt 1 Million Kinder, zum Beispiel auf Kaffeeplantagen. Nicht nur in der Freizeit. Sondern statt Freizeit und Schule für ca. 50 Cent auch am Weltkindertag. Ein schöner Wettbewerbsvorteil.
Im Osten war er schon am 1. Juni.
Ich denke es ist an der Zeit, dass man den Unfug mit dem „Weltkindertag“ endlich einstellt.
Diese Behelfskonstruktion, welche erst gegen den Widerstand der Christdemokraten überhaupt in Westdeutschland zähneknirschend und ohne großes Aufsehen toleriert wurde, nachdem man sich Jahrzehntelang gegen den internationalen Beschluss einen solchen Tag wenigstens formal einzuführen gesträubt hat, war von Anfang an eine Totgeburt. Kaum einer wusste das es ihn gab und die welche es wussten kümmerte es nicht.
Der „WELT“-Kindertag hat in der Tat mit „Welt“ absolut gar nichts zu tun, sondern das genaue Gegenteil: es war eine nationale Sonderlösung von Anfang an – weil man nicht mit „denen da drüben“ am gleichen Tag feiern wollte. Der eigentliche „internationale Kindertag“ ist und war schon immer der 1. Juni – und zwar tatsächlich in der überwiegenden Mehrheit der Welt.
Das Engagement für Kinder hingegen hielt man offensichtlich zu Zeiten des kalten Krieges für kommunistisch und hat es anschließend nie für nötig gehalten diesen Eindruck zu revidieren – es sei denn es ging gerade darum die „Familie“ als christliches Gut und Grundanliegen wie eine Werbung zu Markte zu tragen. Immer mit dem Unterton, dass die „wahre Familie“ nur mit den Christdemokraten zu haben sei.
Das konterkarierte jegliches ehrliche Bemühen um den Kindertag von Anfang an und daran hat und wird sich nichts ändern. Die Bevölkerung hat und wird diesen Tag niemals so akzeptieren, wie dies beim ursprünglichen Entwurf des „internationalen Kindertages“ angestrebt war.
Es ist kein Tag der Kinder – sondern ein Tag der Politiker und der vielerorts der politischen Dummschwätzer (Anwesende natürlich ausgeschlossen).
Im Gegensatz zum „internationalen Kindertag“, der von Beginn an in der Bevölkerung akzeptiert war und bis heute gefeiert wird, als ein Tag welcher den Kindern gewidmet ist und NUR den Kindern. Dankenswerterweise weitestgehend ignoriert von der Politik.
Der „Weltkindertag“ ist eine Beleidigung, sogar ein Schlag ins Gesicht der Ostdeutschen. Denn seine Entstehungsgeschichte erinnert stets daran, dass man mit „denen da“ nicht am gleichen Tag feiern wollte. Und zwar bis heute nicht.
Ich finde es wird Zeit für wenigstens 1 winziges Stück deutsche Einigungsgeschichte. Wenigstens ein einziges Mal könnte man sich ein paar Meter bewegen. Weg mit diesem peinlichen Notbehelf des „nationalen ‚Welt’kindertages“ und zurück zum echten „Internationalen Kindertag“ inklusive seiner ursprünglichen Bedeutung: einem Tag der Kinder und nicht der Politik.
Ja, Kinderarbeit in Ländern außerhalb von Deutschland – sogar außerhalb der EU – ist schlimm.
Aber warum in die Ferne schweifen? Es gibt Kinder in Deutschland, direkt vor unserer Nase.
Es gibt genug Probleme im eigenen Land und genug Kinder, die es verdienen, dass man sich Zeit für sie nimmt.
Es ist einfach mit dem Finger auf die offensichtlichen Probleme anderer Leute in fernen Ländern zu zeigen.
Vor allem weil man sich herrlich darüber aufregen kann, ohne selbst für sein eigenes Leben Konsequenzen daraus ziehen zu müssen. Man kann einen Tag wunderbar darüber schimpfen und mit einem befriedigenden Gefühl auf der richtigen Seite gestanden zu haben abends ins Bett schleichen und ratzen gehen.
Wie viel schwieriger wäre es doch selbst Verantwortung zu übernehmen. Im eigenen Leben, im eigenen Beruf, als Chef, als Angestellter. Wie einfach ist es auf die Probleme zu verweisen, die man nicht lösen kann, statt sich der Probleme anzunehmen, denen man sich tatsächlich stellen könnte – wenn man bereit dazu wäre.
Und deshalb ist der Weltkindertag ein Symbol des Versagens.
Als ich ein Kind war hat der Chef meines Vaters ihm am internationalen Kindertag freigegeben. Meine Eltern haben sich einen ganzen Tag nur für uns Kinder Zeit genommen. Wir bekamen süßes Frühstück, gingen in den Park und an jeder Ecke hatten Nachbarn und ganz normale Leute Bänke aufgebaut und Feste organisiert. Überall konnten wir Kinder kostenlos oder für ganz kleines Geld hinein.
Warum haben die Menschen das gemacht? Sie verdienten daran kein Geld – gaben sogar welches aus und niemand zwang sie dazu!
Einfache Leute taten das, was ihnen möglich war. Einfach weil es richtig ist.
Wann hat denn jemand zuletzt etwas „richtiges“ getan, obwohl er dafür persönlich Aufwand und Kosten aufbringen musste?
Und damit meine ich nicht Millionäre, die 3% ihres Monatseinkommens für die Renovierung eines Schulhofes spenden und den Betrag anschließend von der Steuer absetzen. Vergessen wir mal diese peinlichen Moralversager.
Ich rede von einfachen Leuten, die an einem Sonntag mit Eimer und Farbe in eine Schule marschieren und die Klassenzimmer streichen. Ich rede davon, dass ein Chef sich einen ganzen Tag hinter die Gulaschkanone stellt und allen Kindern seiner Belegschaft ein Essen spendiert und es ihm herzlich egal ist, dass das Büro einen ganzen Tag nicht besetzt ist.
Ich rede davon, dass einfache Leute sich am Samstag Nachmittag bei perfektem Wetter treffen, um gemeinsam den Spielplatz zu säubern und anschließend gemeinsam BBQ zu halten und mit den Kindern zu spielen. Meine Eltern haben das getan.
Das sollte der Geist des „internationalen Kindertages“ sein. Nicht diese peinliche Ausrede, welche wir heute „Weltkindertag“ nennen.
Und dazu braucht es keine verbitterten alten Säcke in teuren Anzügen, die großkotzige Reden über die dritte Welt halten und vergreiste Gutmenschen, die eifrig dazu nicken.
Dazu braucht es nur einen Arsch in den Hose und die Entscheidung, nicht mehr darauf zu warten, dass andere etwas tun.
Wir sollten das gemeinsam machen – egal ob Ost oder West, Nord oder Süd. Das wäre ein Zeichen, dass wir wirklich zusammengehören.
Wir werden aber nicht auf euch warten: wir ziehen das auch nächstes Jahr wieder durch. So wie in der restlichen Welt am 1. Juni.
Ihr könnt dabei sein, oder es sein lassen und im September erneut darüber reden, dass ihr ja schon letztes Jahr gesagt habt, was ihr schon immer gesagt habt: dass irgendjemand mal irgendetwas tun müsste gegen die Kinderarmut in der dritten Welt. Und dann kann jeder einzelne wieder eifrig nicken und wieder ein Jahr ratzen gehen.