Wir wollen nicht, dass der Staatsanwalt hier im Parlament auftaucht….
Siegfried Kauder (CDU) ist ja immer für einen besonders intelligenten Spruch gut. Er traf obige Feststellung in Zusammenhang mit dem Thema Abgeordnetenbestechung (§ 108e StGB) und der beharrlichen Weigerung von Union und FDP, endlich zu international üblichen strafrechtlichen Regelungen zu kommen, die gegen korrupte Abgeordnete Wirksamkeit entfalten könnten. Nicht erst nachdem zwischenzeitlich das Undenkbare möglich wurde und Staatsanwälte sogar in der Umgebung eines Bundespräsidenten „fündig“ werden, erscheint Kauders Aussage bizarr.
Weniger sensibel war man auf Seiten der Union wie auch fraktionsübergreifend allerdings vor genau drei Jahren, als meine Büroräume im Bundestag und im Wahlkreis, wie auch meine Dienst- und Privatwohnungen, von einer völlig durchgeknallten wie öffentlichkeitsgeilen Karlsruher Staatsanwaltschaft durchsucht wurden. Gesucht wurde nach Kinderpornografie. Ohne Rücksicht auf den Schutz von Petenten und auf das Büro einer benachbarten Landtagsabgeordneten wurden meine und andere Festplatten beschlagnahmt, auf denen sich trotz größter medialer, technischer und finanzieller Mühe des Landeskriminalamts allerdings kein einziges kinderpornografisches Bild befand.
Zu finden waren darauf dagegen beispielsweise höchst sensible Schriftwechsel mit Informanten zur Lügerei des BKA in Sachen Kinderpornografie. Dies allein hätte den Schutz des Petitionsrechtes auslösen müssen. Der damalige Justiziar der SPD-Bundestagsfraktion stand aber lediglich staunend daneben und musste von meinem Anwalt erst über die Rechtslage informiert werden.
In der Vorfreude, den unbequemen Abgeordneten Tauss über Videos und Bilddateien auf dessen Handy und drei DVDs stolpern zu lassen, war damals aber jedes Mittel recht. Wer sich jemals 45 MB Videos heruntergeladen hat, mag die „102 Fälle auf dem Handy im unteren Bereich der Kinderpornografie“ quantitativ beurteilen. Sogar die Staatsanwaltschaft machte daraus „szeneuntypisch wenig Material.“ Das Landgericht sprach vom „unteren Bereich“. Vor allem der Spiegel dichtete aber „Koffer mit kinderpornografischem Material“ dazu.
Bundestagspräsident Lammert begründete den damaligen Freifahrschein für eine Staatsanwältin und die auf mich losgelassenen zwei Kommissare aus dem Bereich der „organisierten Kriminalität“, die nach eigenem Bekunden zuvor noch NIE (!) im Bereich der Pornografie mit Kindern ermittelt hatten, jedoch wörtlich damit, dass davon auszugehen sei, dass sich Staatsanwälte schon an Recht und Gesetz hielten. Merkwürdig: Bei mir traute man es ihnen uneingeschränkt zu. In Sachen Korruption schwindet das Vertrauen des hohen Hauses in Ermittler offensichtlich umgekehrt proportional.
Da dessen ungeachtet die dubiosen Vorgänge um mein Verfahren langsam aber sicher in Vergessenheit geraten, sei nochmals in Erinnerung gerufen:
„Kinder begrapschen“
Im Januar 2009 hatte ich im Vorfeld der Zensursula – Debatte genügend Material zusammen, um die seit der Herbsttagung 2007 ständig wiederholten falschen Behauptungen des BKA über den „freien Zugang“ zu kinderpornografischem Material in Deutschland widerlegen zu können. Die Ermittler mussten auch furchtbar enttäuscht sein, dass ihre mehrmonatige Telefonüberwachung dann wochenlang bis zum 5. 3.2009 keinerlei Ergebnisse gegen mich mehr zutage förderten.
Für just diesen Tag war nach vorhergegangenem Streit in der SPD-Bundestagsfraktion eine abschließende Sitzung zur Festlegung in der Zensursula-Gesetzgebung festgesetzt. Pünktlich zu Beginn der geplanten Sitzung wurde jedoch statt dessen über die Aufhebung meiner Immunität beschlossen, so dass sie nicht mehr stattfinden konnte. Man nannte dieses Zusammentreffen „zufällig“. Das Ergebnis ist bekannt: Die SPD ließ ab diesem Zeitpunkt Martin Dörmann freie Hand pro Zensursula.
Die Presse, und übrigens sogar lokale FDP-Provinzpolitiker, waren über die Ermittlungen gegen mich übrigens schon lange vorab informiert, wie man heute weiß. Die Medien versammelten sich so vor meinen Büros Unter den Linden 50 und am Brettener Marktplatz, noch bevor ich selbst etwas ahnte. Weder wurde ich über die Hausdurchsuchungen noch über Ermittlungen in Kenntnis gesetzt. Dies ist wegen „Verdunklungsgefahr“ eigentlich logisch, aber nicht selbstverständlich, wie der Fall Wulff beweist. Vor meinem Berliner Büro und meiner Dienstwohnung marschierte „dezent“ weiter Polizei auf.
Über die Anwesenheit der Medien informierte mich erst der ermittelnde Kommissar und bot mir an, mich über einen „Hintereingang“ zu begleiten. Dass ich der Presse dennoch selbstbewusst mitteilte, nach meiner Auffassung unschuldig zu sein, wurde mir im späteren Verfahren von der Ermittlungsbehörde sogar vorgeworfen. Ich Böser. Wie kann man auch.
Immerhin haben die jetzt meine Fingerabdrücke und sogar präventiv DNA-Material. „Falls ich mal wieder Kinder begrapschen sollte“, wonach freundliche Journalisten sogar im Dorf fragten. Sie zogen sichtlich enttäuscht von dannen. Der Focus recherchierte entsprechend noch bis Weißrussland, wo ich, bis heute unverändert, als Vorsitzender eines Vereins Tschernobyl-Kinder unterstützte.
Immerhin ist durch die Berichterstattung in den letzten drei Jahren aber eingetreten, was mir damals noch am Abend des 5.3. der stellvertretende SPD- Fraktionsvorsitzende Ulrich Kelber prophezeite: Kein MdB wird sich jemals wieder, es sei denn populistisch, mit dem Thema Kinderpornografie beschäftigen. So ist es auch gekommen. Die offensichtliche Täuschung der deutschen Öffentlichkeit und des Deutschen Bundestages seitens des BKA wurde parlamentarisch nicht einmal bei der Aufhebung der Zensursula-Gesetzgebung erwähnt. Man kümmert sich um das Thema besser nicht. Diese Feigheit der Ex-Kollegen nervt mich ehrlich gesagt mehr als meine Verurteilung.
Auch Grüne und Linke hüllen sich unverändert in devotes Schweigen. Deutsche Sicherheitsbehörden sind, selbst für investigative Journalisten, nicht nur bei diesem gesellschaftlich tabuisierten Thema offensichtlich sakrosankt. Man wundert sich daher nicht, dass dieses Bundeskriminalamt ungeniert weiterhin so auftritt, wie es auftritt. Zierckes Lügenlimbo-Rezepte beim Thema Kinderpornografie und dessen Milliardenmarkt setzt sich auch bei der Vorratsdatenspeicherung bis zu Staatstrojanern offensichtlich erfolgreich in den Köpfen fest.
Mundtot? Irrtum!
Interessant war dessen ungeachtet im weiteren Verfahren, dass Bundestag (Norbert Lammert) und SPD- Bundestagsfraktion es ablehnten, mir Rechtsschutz für einen parlamentsrechtlichen (!) Rechtsbeistand zur Klärung der Angelegenheit zu gewähren. Wie gesagt: Nicht zum Strafrecht in meinem individuellen Fall. Nur zur parlamentsrechtlichen Abklärung, wie ungeniert Staatsanwälte tatsächlich in einem MdB-Büro wüten dürfen. Siehe oben Kauder.
Ohne Rücksprache enthob mich die SPD-Fraktion schon am nächsten Tag aller Ämter und strich entsprechende Bezüge. Dafür machte mir der Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann aber ein ganz anderes freundliches Angebot: Man kannte mein Kanada-Faible und wollte mich daher auf Wunsch (selbst unter Mitnahme meiner Frau) auf Fraktionskosten (also zu Lasten des Steuerzahlers) gerne nach dort oder in eine andere weit entfernte Gegend schicken. Auch der südliche Kaukasus war im Gespräch. Diese freundlichen Angebote nahm ich nicht an, sondern bezog im Parlament, nach Zensursula als Pirat, weiter Stellung. Ich konnte und kann mir unverändert guten Gewissens heute wie damals in den Spiegel sehen und habe schon deshalb nicht die anempfohlene Flucht ergriffen.
Diesen Hinweis gestatte ich mir gegenüber jenen Leuten aus Politik und Medien, die auch noch drei Jahre danach glauben, mich mit kinderpornografischen Anspielungen mundtot machen zu können. Ihnen rufe ich auch drei Jahre nach meiner Justizposse unverändert fröhlich zu: Irrtum!
PS: Ich bedanke mich bei ALLEN, die mir damals und bis heute solidarisch beiseite standen. So sehr ich auf die Vorgänge als solche verzichten könnte: Das werde ich nie vergessen. Danke.
Nein. Aber ich hätte diesen Druck zB wohl nicht ausgehalten und mich der Sache in Kanada oder anders entzogen. Und ich bin halt der Meinung, dass es mit der Strafe genug gewesen wäre.
Die richterliche Strafe verliert ihren Sinn, wenn die Strafe eigentlich darin liegt, dass jemand geächtet wird. Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf Lebenszeit mir da in den Sinn.
Uns das soll es doch gerade nicht mehr geben. Das ist alles was ich sagen will.
Was bleibt sind die Fotos. Die hat ihnen niemand aufs Handy geschoben, die waren bei klaren Verstand heruntergeladen.
Selbst schuld.
Ich meine das nicht böse, es ist nur Fakt. Zum Glück haben Sie sich nichts angetan unter dem medialen Druck, das ist mE positiv. Dadurch wäre ja auch niemandem geholfen gewesen.
Ich habe immer gerne Bundestagsdebatten im Studium gelesen, wenn mal wieder ihre Zwischenrufe bezeichnet waren. Schade, das es so kommen musste.
Anmerkung tauss: Klar waren die bei vollem Verstand getauscht. Nicht heruntergeladen. Verstehe trotzdem den Gehalt dieser Aussage nicht ?!? Und warum sollte ich mir etwas antun? Wirke ich depressiv?
„Wir wären dir sehr dankbar, wenn du es in Zukunft unterlassen würdest, die Seite der Jungen Piraten zuzuspammen.“ Auf Befehl der Mutter
Anrede fehlt.
Grüße fehlen.
Zensur: gut!?
Piratenkodex: Der Kapitän verlässt als erster das sinkende Schiff.
Um jemanden mundtot zu machen, muss man seine Einträge löschen und aussperren. Ich bereue, dass ich die Piratenpartei 2009 mit einer Spende unterstützt habe. Ich bin sehr traurig, lieber Jörg.
Mundtot vielleicht nicht, aber wirkungslos? Hat ein Abgeordneter nicht mehr Möglichkeiten?
Antwort tauss: Jain. Ein Abgeordneter hat sicher viele Möglichkeiten infolge direkteren Zugangs, Personal etc. Andererseits ist er natürlich auch in Fraktions- und Parlamentsabläufe eingebunden, sodass die unabhängige Rolle einer parlamentserfahrenen Person schon gewisse Möglichkeiten außerparlamentarischer Einflussnahme eröffnet.
Das müssen Sie ja am besten wissen, ob Sie mundtot gemacht wurden; werden sollten oder nicht.
In 2 Jahren feiern Sie dann ja 5 Jahre Mundtot-Jubiläum! Im Voraus schon mal herzlichen Glückwunsch dazu!!!
Anmerkung tauss: Lieber feiere ich dann das 5-Jahre-NICHT-Mundtod-Jubiläum 🙂
Sehr geehrter Herr Tauss,
ich habe Ihren Fall damals mit Interesse verfolgt. Das Thema wird hier in Deutschland so hochgespielt um eben dem deutschen Volkstrottel einzureden, man muß alles und vor allem das Internet noch schärfer überwachen, weil es da von Kinderpornografie und anderen kriminellen Sachen nur so wimmelt. Wer ist aber Schuld an dem skrupellosen Treiben, des BKA, Verfassungsschutz, Justiz und Polizei usw., die Politik, weil diese genannten Vereine ohne jegliche Kontrolle agieren dürfen und können. ich weiß nicht ob Ihnen noch nicht aufgefallen ist, das die BRD ein vollkommen rechtsfreier Raum ist. Das GG hat seit 1990 keine Geltungsbereich mehr, die Gerichte sind Ausnahmegerichte, weil schon 1949 der § 15 GVG aufgehoben wurde in dem einmal stand „die Gerichte sind Staatsgerichte“ und seit 2006 u. 2007 sind die Geltungsbereiche der StPO, ZPO, GVG u. OWiG aufgehoben. Auch den Piraten ist dieser Zustand egal. Ich wurde vor einigen Monaten abgemahnt, von Sasse & Partner. Ich habe denen geschrieben das sie mich können, weil sie keine gesetzliche Grundlage für ihr kriminelles Treiben haben. Seit dem ist Ruhe.
Sie sollten mal dafür sorgen das die BRD wieder ein Rechtsstaat wird und nicht nur eine kriminelle Vereinigung bleibt wie jetzt.
Pingback: 3 Jahre mundtot- Irrtum!
3 jahre ist das schon wieder her?
ich muss ja gestehen, ich hätte vermutlich das kanada angebot angenommen. daher: meine hochachtung dafür, dass sie das so duchgestanden haben. schade, dass sie ihre politische karriere opfern mussten. noch bedauerlicher, dass bei der bild-gebildeten mehrheit der deutschen eben nicht hängengeblieben ist, dass bundesregierung und bka sie nach strich und faden belogen haben, sondern „der tauss befummelt kinder“.