Wie man MdB wird. Am Beispiel Herr Urbach (Teil 1)

Mit zunehmendem Erfolg träumen immer mehr Piraten davon, MdB zu werden. Bei mir war es ja noch ganz einfach, erster Pirat im Deutschen Bundestag zu sein. Ich wurde Mitglied und meine alte Partei mochte mich seit geraumer Zeit nun gar nicht mehr. Und umgekehrt. Aber was machen diejenigen, die schon Mitglied aber noch nicht Bundestagsabgeordnete sind? Die haben‘s schwerer. Denn so leicht schafft man es dann auch nicht auf eines der blauen Sesselchen im Plenarsaal. Deshalb hier ein paar Tipps am Beispiel eines großen heraufdämmernden politischen Talents: Herr Urbach, Berlin:

Dessen Problem heißt: Wie kommt man gut abgesichert auf so ne Landesliste für die Bundestagswahl 2013? Nun, ganz einfach: Man wird vorgeschlagen. Von Leuten die was zu sagen haben. Bei der SPD sind das Leute ganz oben. Bei den Piraten ist das die Basis.

Aber wie merkt die Basis, dass jemand wie Stephan Urbach auf die Landesliste will? Man muss es ihr sagen. Nur ist das bei Piraten und in allen Parteien nicht ganz einfach. Denn wer einfach sagt, dass er will, kommt nicht gut an. Wer es aber nicht sagt, wird eventuell übersehen. Da muss man also rechtzeitig was tun. Was?

Man sollte in der eigenen Partei mit Fleiß und Aktivitäten schon mal aufgefallen sein. Zu viel Fleiß und Aktivität schadet aber auch, weil man sonst von den weniger Fleißigen und Aktiven schon mal ruckzuck überholt wird. Doch die eigene Partei genügt auch wieder nicht. Da ist Engagement anderswo auch gut. Telecomix ist zum Beispiel eine gute Idee. Aber auch der CCC, ein Katzentierheim oder alternative Kultur passen immer.

Als künftiger MdB ist es nämlich zunächst gut, nach allen Seiten wahrgenommen zu werden. Wurde man beispielsweise schon mal an der Seite eines bundesweit bekannten Kinderporno-Igittigitt gesehen, bietet sich zum Ausgleich ein versöhnendes Gespräch mit Zensursula – Befürwortern und Abmahnern an:

…Ich bedanke mich hiermit noch einmal bei der Kinderhilfe e.V, dass sie dieses Gespräch ermöglicht hat. Wir sehen: Aus Feinden können Freunde werden…

Das ist schon mal stark. Der Mann ist als Politiker nach allen Seiten offen. Findet man ganz selten.

Gut ist es natürlich auch immer, wenn man MEDIAL wahrgenommen wird. Da passt es, zum Beispiel neben Herrn Guttenberg zu sitzen, wenn der gerade praktischerweise eine Torte ins Gesicht geworfen bekommt. Macht sich total gut. Darüber wird berichtet. Aber nur Torten und Guttenberg wirken auf Dauer unseriös und haben abnehmenden Unterhaltungswert. Deshalb lässt man sich vom Bundesvorstand der Piraten dann zum Ausgleich zum ungleich seriöseren Deutschen Katholikentag entsenden.

…Ich darf euch mitteilen, dass ich zum 98. Deutschen Katholikentag in Mannheim zu folgendem Podium …eingeladen wurde und in Absprache mit Bernd Schlömer die Einladung angenommen habe….Stephan Urbach

Professionell. Taktisch sogar sehr gut…Ich wurde eingeladen..und habe angenommen… Vermutlich der Papst hat angerufen und der 2. Vorsitzende der Piratenpartei segnet. Auf dem genannten Katholikenpodium sitzt übrigens auch Peter Altmaier . Der ist schon MdB, Parlamentarischer CDU/CSU – Geschäftsführer im Deutschen Bundestag zu Berlin und bereits ein ganz guter Kumpel. Zitat Altmeier (auf Anfragen nach Heveling u.a.):

…Anfragen von Tauss beantworte ich erst, wenn der sich zuvor bei Herrn Urbach entschuldigt..

Chapeau! Erfolg in der Politik hat auch der, wer sich (zunächst) bescheiden zurück hält und dennoch vom politischen Gegner früh wahrgenommen wird. Und umgekehrt dann natürlich auch diesen lobt. Das hat unser Freund Urbach schon ganz gut begriffen:

….möchte ich noch festhalten, dass das Gespräch mit Herrn Altmaier sehr angenehm war und er ein sehr interessanter Gesprächspartner ist….

Aber gerne. Dummerweise stößt die freundliche Azeptanz bei CDU, Kinderhilfe, Teilnahme am Katholikentag sowie die kommende Unterstützung des Papstes im säkularisierten Berlin aber offensichtlich noch nicht auf sooooo große Begeisterung, dass man sofort angefleht wird, nun auch endlich für den Bundestag zu kandidieren. Noch ist der Ruf nicht laut genug. Torten genügt nicht. Aber auch hier helfen Anrufe. So wie heute…

Via twitter berichtet uns Herr Urbach:

Interview zu meinem Wunsch nach Bundestagslistenplatz abgelehnt – ich mache das innerparteilich, nicht über die Medien.

Geschickt. Gegenüber „den Medien“ als Pirat entschlossene Härte zeigen. Und wieder wurde zum Glück angerufen. Praktisch sind dann in solchen Situationen Verstärker, die jeder potenzielle MdB braucht:

Enno @ennoman@herrurbach finde ich gut! Interviews mit Draußen gibt man, wenn man den Listenplatz hat. Aber nach Innen musst du dich positionieren.

Solch guten Rat und Tipps von Freunden braucht man. Genau! Bitte erst auftrumpfen, WENN man den Listenplatz hat. Hilfe wird aber auch schon vorher sicher sinnvoll sein:

Enno @ennoman@herrurbach und wenn ich das Interview mit dir führe? ^^

@herrurbach an @ennomane Ich habe da echt Probleme mit – ich will nicht den Diskurs von aussen steuern…

Gut so! Bescheidenheit ziert…. Ich will nicht von AUSSEN steuern… Super!  Auf dem Weg zum Profi.

Jetzt aber mal hopp..hopp.. arbeiten, lieber Stephan Urbach. Schließlich bezahlt Dich INNEN die Berliner Bevölkerung ja nicht ausschließlich für die Vorbereitung der Bundestagskandidatur… 🙂

Fortsetzung folgt garantiert! (tauss-gezwitscher berichtet wahr und wohlwollend in lockerer Reihe weiter, bis Herr Urbach und andere Piraten 2013 ins Parlament ziehen).

8 Gedanken zu „Wie man MdB wird. Am Beispiel Herr Urbach (Teil 1)

  1. Jan Dark

    Hier noch ein Nachtrag. Gestern hat sich der Herr Urbach der Trollforschung zugewandt. Nach seinen Geheimgesprächen mit dem ehemaligen politischen Gegnern Altmaier und Tortenopfer Guttenberg macht er sich ganz im Sinne seines Rechtsrucks ACTA-compliant.
    Schon vor Tagen drohte er seine Zensurvorliebe an:

    „Don’t feed the trolls! ist keine Option mehr.

    Jetzt müssen härtere Massnahmen her? Vorzensur, Hadopi, ACTA, Leistungsschutzrecht, alles das, was ihn bei seinen Gesprächspartnern bei der CDU/CSU hoffähig macht. Alte SPD-Taktik 🙂

    „#Trolle und das Wegsehen – gelten im Netz andere Machtstrukturen?“
    http://stephanurbach.de/2012/03/trolle-und-das-wegsehen-gelten-im-netz-andere-machtstrukturen/

    Dort erklärt nun den neuen Weg (der INSM?): alles was anderer Meinung ist, ist ein Troll und wird wegzensiert. Gnadenlos. Weil volksschädlich.

    „Im Netz scheinen sich die Machtstrukturen aber zu verschieben bzw. zu erweitern: neben den oben beschrieben Strukturen kommt noch etwas hinzu: Lautstärke und Followerschaft. Das Equivalent zur Lautstärke ist im Netz Frequenz und Länge von Kommentaren, Postings und ähnlichem, die auch gerne mal in epischer Breite erklären, dass jemand ein völlig falsches Bild hat, dem politischen Gegner opportun entgegen kommt oder auch einfach keine Ahnung hat. “

    Herr Urbach weiss von er redet. Empirisch gesichert. Mit knapp 5.000 Followern gab er am 18.1.2012 auf einer Cloud-Computing Veranstaltung einer US-Firma folgende bahnbrechende Erkenntnis auf Twitter zu Protokoll, dass der Moderator offenbar ein Troll sei:

    „Fühle mich veralbert. Von einem Moderator.
    Schöne neue M$-Lobbywelt.
    Ich glaube, der Moderator hat seine Hose ausgestopft oder ne Erekrion. #notsureiflike
    Erektion! Ich meinte Erektion!“

    Ich war gestern wieder auf einer Cloud-Computing Veranstaltung mit diesem Moderator, der einfach dreist über andere Themen redete, obwohl ich von Trollerklärer @HerrUrbach wusste, worauf es wirklich ankommt.

    Ich bin so glücklich, dass der Herr Urbach uns den rechten Weg weist. Wir würden sonst noch denken, das Trollen sei normal und menschlich. Aber jetzt wissen wir, dass es mit unnachgiebiger Härte, hart wie Kruppstahl, Flink wie Wiesel und lustig wie Troll, energisch bekämpft werden muss.“

    Wenn jetzt die fürsorgliche Belagerung und die wohlwollende Zensur um sich greift, dann wissen wie durch Herrn Urbach, dass es nur zu unserem Besten ist, wenn wie Abweichler hart als Trolle strafverfolgen. Jau.

  2. V.

    Herr Urbach hat auch bereits den AK Vorrat für „tot“ erklärt. So macht mensch sich bestimmt keine Freunde in der Netzpolitik …

  3. crzydg

    Danke Jörg, für diese wirklich ausführliche Zusammenfassung, die man, wenn man nicht @herrurbach auf Twitter folgt, auch so nicht mitbekommt 🙂

  4. dasuxullebt

    Politiker ist Politiker. Und die Piraten werden entweder untergehen, oder eine Mainstream-Partei. Wahrscheinlich noch viel schneller als die Grünen es wurden, einfach, weil die Zeiten sich geändert haben.

    Das ist so, und wer etwas anderes erwartet ist naiv. Ich persönlich beschränke mich darauf, zu hoffen, dass sie bis zu dieser Zeit noch einige positive Impulse in der Politik setzen.

  5. Der Onkel mit dem Speiseeis

    Diejenigen welche sich immer und überall für die Partei einsetzen haben um nach oben zu kommen, hats in der DDR schon gegeben.

    Am Ende muss die Basis entscheiden und da hilft’s wenn die Details bekannt sind und nicht im nachhinein geleakt werden.

  6. Eninat

    Das nächste Mal wäre eine Erklärung verwendeter Abkürzungen bei der ersten Verwendung auch nett. MdB wurde erst im Kontext des weiteren Absatzes klar…

  7. schlumpi

    Herr Tauss, werden Sie eigentlich noch lange rumbashen? Langsam ist die Sache ein klein wenig ausgelutscht imho.

    Anmerkung tauss: Wieso? Kommen doch immer neue lustige Gags dazu. Habe heute so viele neue Details zu Herrn Urbach erhalten, dass es bald wieder zu einem neuen Artikel reicht 😉

  8. Bayernpirat

    Als Ergänzung übrigens, was mir auch immer wieder generell auffällt:

    Es scheint sich in der Partei ein ungesunder Trend entwickelt zu haben, dass die Leute jede kleine eigene Aktivität für die Partei großspurig auf Twitter verkünden. Gerne, indem sie diese zusätzlich mit Vokabeln unterfüttern, die Aufopferung und Arbeitsüberlastung suggerieren, und somit wohl den Anschein von Unverzichtbarkeit erregen sollen.

    Dieses selbstdarstellerische Verhalten wird dann gerne verbrämt als „Transparenz“ hingestellt, aber ist in Wahrheit oft doch nur ein billiges Manöver…

    Was den konkreten Fall hier angeht: Ankündigungen, seinen Kandidaturwunsch für den Bundestag nicht mit den Medien debattieren zu wollen und diesen Umstand dann aber gleichzeitig heldenhaft bei Twitter nach außen breitzutreten, ist schon ein kleines ironisches Meisterstück!

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