Seehofers sexy Nazis und VDS

Vorratsdatenspeicherung ist ein wirksames und unverzichtbares Mittel, auch um den braunen Sumpf trocken zu legen….

Mit dieser frohen Nachricht überrascht uns der bayerische Ministerpräsident gleich zu Beginn des neuen Jahres. Gähn.

Wenig überraschend ist, dass Seehofer die bescheidenen Stimmchen aus seiner eigenen Partei  überhört, die bei der VDS wenigstens zu Bedacht statt übereilter Einführung mahnen.

Noch weniger Überraschung ist, dass nach der Kinderpornografie, der erfreulichen Nicht-in-die-Luft-Sprengung-des Deutschen-Bundestages-2010 und dem nun auch 2011 ausgefallenen islamistischen Terror in Deutschland jetzt eben die Nazis als Argument herhalten müssen.

Warum dann aber mit der Trockenlegung des braunen Sumpfes nicht in Bayern beginnen? Davon war bisher nie die Rede. Anlass hätte es bislang nicht erst in den Jahren nach dem unaufgeklärten Oktoberfest-Attentat von 1980 genug gegeben.

Die ZEIT hat aufgelistet:  ….wurde am 9. September 2000 der türkische Blumenhändler Enver Simsek … an seinem Blumenstand in Nürnberg mit acht Schüssen aus zwei Pistolen angeschossen. Es folgten der Mord an dem Schneider Abdurrahim Özüdogru (13. Juni 2001, Nürnberg),  und Habil Kilic (29. August 2001, München), am Dönerbudenbesitzer Ismail Yasar (9. Juni 2005, Nürnberg), am Griechen Theodoros Boulgarides, Mitinhaber eines Schlüsseldienstes in München (15. Juni 2005).

Das alles fand also so ganz nebenbei im Hort der Sicherheit im Freistaat Bayern statt. Seehofer erläutert uns nun nicht, wobei nun die Vorratsdatenspeicherung den Opfern oder wenigstens der Aufklärung geholfen hätte.

Denn munter wurde statt dessen auch mit Hilfe der Medien durch die bayerische Polizei stets in eine andere Richtung ermittelt. Irgendwie mussten die Opfer doch selbst schuld sein. Auch der SPIEGEL beteiligte sich mehr spekulativ denn investigativ an der Hetze gegen sie.

Was Seehofer entgangen zu sein scheint: Millionen Datensätze (sic!) von Handys und Kreditkarten konnten nach Polizeiangaben und laut SPIEGEL in diesen Fällen überprüft werden. Allerdings geschah dies eben nur in in die bequeme Richtung einer vermeintlichen türkischen Mafia am „Bospurus“, die offensichtlich so mal eben nach Bayern geschippert kam.

Die Vorratsdatenspeicherung war im Gegensatz zur Mordserie nach 2005 übrigens oft Diskussionsthema in der Innenministerkonferenz.


Überwachung gilt stets den Gegnern des braunen Sumpfes


Doch merkwürdig: Weder aus Bayern oder aus Sachsen wurde sie aber jemals mit „braunem Sumpf“ in Verbindung gebracht. Im Gegenteil. Rechtsextremismus gab es bei den versammelten Innenministern von CDU/CSU/SPD schlicht nicht.

Lieber unterhielt man sich über Al Qaida oder Feuermelder. In KEINEM Protokoll der Innenministerkonferenzen findet sich in Jahren (!) auch nur ein Hinweis auf national befreite Zonen oder ähnliche Umtriebe.

Vor einem knappen Jahr griffen Nazis das linke Hausprojekt „Praxis“ in Dresden an. Nach übereinstimmenden Berichten warfen rechte Gewalttäter mit Steinen und Stöcken die Fensterscheiben ein und versetzten die Bewohner in Angst und Schrecken. Eine Horde von Schwarz gekleideten, teils vermummten Menschen warf mit Steinen und Stöcken die Fensterscheiben des Erdgeschosses ein.Ohne einzugreifen oder Verstärkung anzufordern regelt die Polizei daneben den Verkehr und schaut zu.

Man stelle sich vor, „Linke“ hätten an dieser Ecke eine Filiale der Deutschen Bank demoliert. Es hätte unter TOP 1 der Innenministerkonferenz gestanden und vermutlich eine Sondersitzung gegeben.

Einer der beeindruckendsten Beiträge („Sachsen dreht frei“) beim diesjährigen 28C3 kam von der Journalistin Anne Roth zu genau diesem Thema. Es lohnt sich, die Stunde Anschauungsunterricht zum Thema staatlicher Toleranz gegenüber Nazis zu verfolgen. Gegner landen vor Gericht. Rechtsextreme Gewalttäter bleiben unbehelligt. Und die Überwachung galt einmal mehr bestenfalls den Gegnern des braunen Sumpfes, für die eine rechts blinde sächsische Justiz natürlich genügend Zeit hat.

Kein Wunder daher, dass auch die Informationen zur rechten Terrorzelle aus Thüringen (NSU) immer unglaublicher werden. Hier schauten beamtete Verfassungsschützer im Gegensatz zur sächsischen Polizei gegenüber dem Nazimob nicht nur zu. Der „nationalsozialistische Untergrund“ (NSU)  wurde systematisch logistisch und mit Geld unterstützt.

Sexy werden die netten randalierenden und mordenden Nazis von nebenan offensichtlich erst, wenn sie den Seehofers als Argument für den Präventionsstaat dienen können.

Der Kampf gegen Vorratsdatenspeicherung und Quellen – TKÜ wird also immer offener zu einem Kampf für Freiheit und Demokratie. Den Kampf gegen Nazis könnte man gesellschaftlich anders gewinnen. Wenn man denn wollte.