Ich will im August nach Berlin. Eigentlich kein Problem. Aber ich will der besseren Mobilität geschuldet mit dem Fahrrad nach Berlin. Schließlich ist Sommer und auch das Umland will mal entdeckt sein. So stellte ich es mir vor. Und schon habe ich ein Problem. Ein freundlicher Bahnbediensteter machte mich darauf aufmerksam, dass sich gerade in der Ferienzeit rechtzeitige Reservierung empfiehlt. Also reserviere ich. ICE geht schon mal nicht. Da sei Herr Grube vor.
Ein Bahnchef hat eigentlich den Job, sich um die Wünsche seiner Kunden zu kümmern. Nicht so Herr Grube. Er kauft jetzt gerade für Milliarden neue ICE-Züge mit weniger Beinfreiheit. Dafür mit Fahrradabteil? Weit gefehlt! Ohne! Denn die Wartezeiten beim Einsteigen mit Fahrrädern seien den anderen Reisenden nicht zumutbar; meint Herr Grube. Ich kann mich allerdings nicht erinnern, jemals an einem Bahnhof gewartet zu haben, nur weil Menschen mit Fahrrad eingestiegen sind. Ich habe wegen Betriebsstörungen gewartet, wegen vereister Weichen, wegen Kindern an der Strecke, wegen Schafen im Tunnel bei Fulda, wegen geklauter Kupferkabel, wegen Defekts des Triebkopfs oder wegen des Verdachts der Zugtrennung oder schlimmerweise wegen der berüchtigten Notarzteinsätze oder Personenschäden etc. etc. etc. Nie aber kam die Mitteilung: Wegen erhöhten Fahrradaufkommens hat unser Zug Verspätung. Und im ICE gab‘ dieses Problem ohnehin nicht, denn dort befördert Herr Grube eben nur Kunden ohne Fahrrad. So gesehen müsten ICE eigentlich pünktlich sein.
Ich flog mal von Edmonton nach Frankfurt zurück und hatte ein Mountainbike dabei. Aus zeitlichen Gründen konnte ich es entgegen meiner Planung vor Abflug nicht mehr in Kanada verkaufen. Kein Problem: „Stellen sie den Lenker quer und lassen Sie wegen des Drucks bitte die Luft aus den Reifen“, flötete mich die nette Dame am International Airport an. Und schon war mein Fahrrad im Flieger und flog mit mir über den Atlantik. Na ja. Fliegen mit Fahrrad kann ja jeder.
Bei der Bahn wird es da schon komplizierter. Schon im Regionalexpress. So war kürzlich das Fahrradabteil ziemlich voll, ich lehnte dager mein Vehikel an und setzte ich mich daneben auf die Treppe. „Eine Treppe ist nicht zum Sitzen da“, pfiff mich der freundliche Schaffner bei Freiburg an. Klar, entgegnete ich. Aber ich will gerne mein Fahrrad im Blick behalten, damit es nicht behindert, versuchte ich den freundlichen Angestellten der Deutschen Bahn von meinem Tun zu überzeugen. „Das Fahrrad steht im Weg“, kam zurück. Und im Kommandoton: „Entfernen!“. Nein, werde ich aufmüpfiger: Das Fahrrad behindert niemanden und falls es jemand stört, kann ich mich sofort darum kümmern. Andere Fahrgäste solidarisieren sich zwischenzeitlich. „Das Fahrrad stört wirklich nicht! Außerdem ist dies das Fahrradabteil.“ Der DB-Mann kapituliert vor der Übermacht und murmelt im Rückwärtsgang:grundsätzlicher: „Es gibt kein Recht auf Fahrradbeförderung.“ Ich beende die Diskussion, indem ich weder die Treppe verlasse noch samt Fahrrad den Zug. Aber wir kommen jetzt ins Gespräch.
Ein Mitreisender berichtet, wie er in bequemen Schweizer Zügen nebst Fahrrad gerde tagelang unterwegs war und man ihm sogar beim Einladen behilflich war. Dies konnte ich bestätigen. Andere Reisende auch. Aber hier sind wir ja nicht in der Schweiz. Mir fällt das berühmte Zitat von Herrn Grube ein, wäre er Bahnchef in der Schweiz, könnte er täglich um 15.00 Uhr zum Golf. Das leuchtet ein und sollte den Nachbarn erspart bleiben. Grube würde selbst die vorbildliche Schweizer Bahn an den Abgrund bringen und Fahrradtransporte sicherlich auch dort erschweren. Oder wie bei Stuttgart 21 gar nicht erst einplanen. Fahrräder in einem engen verbuddelten Tunnelbahnhof wären ja auch das Letzte. Schon deshalb bin ich übrigens gegen dieses dümmste Projekt seit dem Turmbau zu Babel.
Aber zurück zu meiner aktuellen Reiseplanung: „Ich habe eine Verbindung mit 4 x umsteigen in 10 Stunden 15 Minuten, erfuhr ich am Servicecenter.Wie gesagt: Nicht nach Edmonton, sondern nur mit dem Fahrrad nach Berlin. Gibt es da nichts anderes? Sie schaut nach einer anderen Uhrzeit, wird fündig und strahlt: „Hier habe ich noch was über Hannover in 8 Stunden und 8 Minuten.“ Na gut. Die „kurze“ Wartezeit in Hannover zwischen 13.56 und 15.24 Uhr werde ich auch überstehen. Ich freue mich auf Berlin. Nur Herrn Grube würde ich einmal mehr gerne feuern. Und ich beschließe, den Fahrradclub mehr zu unterstützen 😉 Der ADFC macht in Sachen Fahrrad gerade auf die Bahn Druck. Sehr gut.
Hallo,
ich hatte damals mit meinem Vater ähnliche Erfahrungen mit der DB gemacht. Wir wollten nach Bozen und sind dort nur sehr sperrlich und sehr unentspannt angekommen.
Zugausfälle zwischendurch brachten den ganzen Plan den wir uns gemacht hatten zunichte. Heute würde ich lieber, wenn ich kein Fahrrad habe mit einer Mitfahrgelegenheit fahren, anstatt mit der DB.
Beste Grüße
Sehr interessante Geschichte. Leider, sind die Leute wie Herr Grube überall und man muss andauernd kämpfen…
Ich denke das ist einfach Teil des überaus durchgeplanten Gesamtkonzepts der Bahn:
1. Fahrradmitnahme wird verboten
2. Fahrräder dürfen nicht mit in die Gebäude der Bahn genommen werden
3. Vor den Bahnhöfen werden alle Fahrradständer demontiert, pro Bahnhof werden 50 Bahnbedienstete dafür abgestellt zu kontrollieren, dass niemand widerrechtlich Fahrräder auf den Grundstücken der Bahn abstellt oder bewegt
4. Die überaus modernen und leichtgängigen Fahrräder der Bahn (Rent a Bike) werden zu hunderten vor den Bahnhöfen drapiert und zu kostengünstigen Jahresabos angeboten
5. Parkplätze rund um die Bahnhöfe werden, sofern noch nicht geschehen in hübsche abgesperrte Betonflächen umgewandelt
6. Weitere 50 Bahnbedienstete kontrollieren, dass keine Fahrzeuge widerrechtlich abgstellt werden
7. Die extrem kostengünstigen Autos vom DB Carsharing werden zu hunderten vor den Bahnhöfen drapiert
Klingt doch alles ganz logisch, oder?
Ist doch eigentlich ganz einfach:
Man miete sich, falls kein eigenes geeignetes Gefährt vorhanden ist, ein kommodes KFZ bei einer Verleihfirma des Vertrauens, nehme ein sauberes Gefährt von freundlichen Angestellten in Empfang, packe seinen Drahtesel in den Kofferraum und genieße eine entspannte Fahrt nach Berlin. Unterwegs kann man nach Lust und Laune Pause machen, während der Fahrt in wohltemperierter Atmosphäre ungestört die Musik seiner Wahl genießen und, falls unbedingt Lust auf menschliche Unterhaltung besteht, inseriere man seine Fahrt entweder vorher bei einer Mitfahrzentrale (senkt sogar noch die Kosten), oder sammle Unterwegs einen Anhalter auf. Dann hat man sogar noch ein gutes Werk getan 😉
In Berlin gebe man den Wagen dann einfach ab, steige auf seine Rad und fahre entspannt seines Weges.
Ganz im Ernst, wenn ich eine (lange) Strecke von A nach B wollte, wäre die Bahn so sicher das letzte Verkehrsmittel, welches ich in Betracht zöge.
Im Hauptbahnhof in Hannover gibt es eine leckere Pommesbude. Das vielleicht als kleinen Trost 😉
Oder eventuell das Fahrrad vorher per Spedition nach Berlin schicken, und dann mit dem Zug überholen? Also… soweit man damit planen kann 😀
Anmerkung tauss: Das nächste Mal 😉
Hi!
Ich habe schon mehrmals zwischen Berlin und München ein Fahrrad mitgenommen. Allerdings nicht als „Fahrrad“ sondern als Gepäck. Dazu habe ich das Vorderrad abmontiert (Schnellspanner) und mit Schloss an den Rahmen angeschlossen. Damit auch wirklich keiner meckert, habe ich zusätzlich 2 große Mülltüten (120 l) von beiden Seiten übergestülpt. Damit ist es nun eindeutig Gepäck und m.E. hat der Bahnbedienstete nicht das Recht hineinzuschauen und es als was anderes zu betrachten. Im Gepäckabteil vom ICE 3 (im alten ging das auch irgendwie) passte das Rad wunderbar rein und konnte dank der Streben dort auch angeschlossen werden 🙂
Ansonsten find ich das Anti-Fahrrad-Verhalten der Bahn auch unverschämt. Dabei ist die Kombination Bahn + Fahrrad eigentlich ideal und umweltfreundlich. Leider sind die Fahrgäste in Bahn und S-Bahn auch nicht besser. Stets besetzen sie die Fahrradabteile und sind brüskiert wenn man sein Fahrrad abstellen will. Das führt dazu, dass jeder mit seinem Fahrrad stehen muss und damit mehr Platz benötigt als ein Stapel angelehnter Fahrräder, was wiederum dazu führt, dass man sich über die Radfahrer aufregt – ein Teufelskreis 😉
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Die Bahn befördert nciht nur keine Fahrräder, sie ist auch sonst recht unflexibel. Selbst dann, wenn ich von Metropole zu Metropole möchte. Die letzte Bahncard habe ich genau einmal verwendet, schade eigentlich. Also keine Verlängerung, sondern Umstieg ins Flugzeug. Das letzte mal sogar 50 Euro gespart. Und rund 4 Stunden Reisezeit.
Naja, zum Thema TGV sollte man den verlinkten Text auch mal lesen:
„Demontierte Räder können komplett verpackt als Handgepäck mitgenommen werden. Zusammengeklappte Fahrräder gehen auch unverpackt mit. Die einzige Bedingung um von diesem kostenlosen Service zu profitieren: Das Paket bzw. das zusammengeklappte Fahrrad muss unter oder über dem Sitz verstaubar sein.“ (Quelle: http://tgv.tgv-europe.de/de/fahrradmitnahme-tgv)
Also wenn sich das Fahrrad nicht unter oder über dem Sitz verstauen lässt (das dürfte die meisten Räder betreffen, vermute ich als Nichtradler), dann hat es sich erledigt.
Zum Thema Verzögerung durch Fahrräder:
Da sollte wohl mal jemand über die Fahrpläne nachdenken, wenn diese durch ein paar Radler über den Haufen geworfen werden. Wird aber nicht passieren (das Nachdenken).
Wenn das, was Flecky schreibt, stimmt, dann wird der fertige S21-Bahnhof an der ersten Reisegruppe mit Fahrrädern gnadenlos scheitern. Daher denke ich mal, das Fahrradfahrer nicht im Stresstest berücksichtigt werden / wurden. Oder Sie werden eben verboten.
Ausnahmsweise muss ich Herrn Grube mal in Schutz nehmen: Die Mitteilung, dass sich die Abfahrt wegen Reisegruppen mit Fahrrädern verzögert, habe ich in Regionalzügen schon oft gehört. Zuletzt übrigens letzten Monat auf der Fahrt nach …. tadaa… Berlin. 😀
Anmerkung tauss: Kann hier NUR von MEINEN erfahrungen berichten. Aber komisch. In Frankreich klappt es auch: TGV http://tgv.tgv-europe.de/de/fahrradmitnahme-tgv