Wespennest

Troll, Hofnarr und Depp waren noch die höflicheren Bezeichnungen. Ansonsten fühlten sich einige Mitmenschen bemüßigt, meine Kritik am falschen Kurs des CCC zu de Maiziere in den letzten Tagen inhaltlich gründlich mißzuverstehen. Frank Rieger, der gerne austeilt und den ich persönlich durchaus schätze, habe ich via twitter nun als jemanden kennen lernen dürfen, der jegliche inhaltliche Kritik an eigenem Verhalten offensichtlich nur mit Wutbeißereien beantworten kann. Von ihm kamen via twitter die albernsten Ausfälle: Tauss mit großer Schnauze auf dünnem Eis und ähnlich gehaltvoll klangen die letzten Entgegnungen.

Schade. Was aber war eigentlich Ursache des Shitstorms, den einige gegen mich entfachen wollten und sich dabei, ganz SPIEGEL-Niveau, nicht einmal zu albern vorkamen, die Anti-Tauss-Keule des „befremdlichen  Kinderpornomilieus“ zu schwingen?

Zwei Fragen stellte und stelle ich in den Raum:

1. Braucht eine (selbstverständlich) unabhängige Bewegung im Interesse der Sache einen politischen Arm und

2. ist die gegenwärtige Strategie des CCC richtig?

Dabei zeigt sich, dass nicht nur Rieger dabei Politik mit was auch immer verwechselt. Nicht allein er redete plötzlich von Parteitagen und böser Parteipolitik statt von Politik. Mehr Politkasterei auf Kraut- und Rübenbasis ist mir jenseits von Dorfstammtischen schon lange nicht mehr untergekommen.

Allein das Wort Politik scheint gewisse Allergien auszulösen, die logisches Denken ausschliessen. Davon kann ich niemand heilen. Wer Politik nicht mag, mag sie eben nicht. Und wer unpolitisch sein will, kann es auch sein. Es darf auch jeder gerne ein insgeamt verdrossener oder gar politikverdrossener Zeitgenosse sein und nach seinen Wünschen politisch oder unpolitisch seelig werden.

Nur damit sind wir beim Problem. Wer wüstenverdrossen ist, sollte sich eben nicht in die Wüste begeben. Wer aber wie der CCC real am politischen Leben aktiv teilnimmt, muß sich nebst dessen Repräsentanten nicht allein von Mitgliedern wie mir aber auch nach demokratischer Legitimation und Strategie fragen lassen. Viele teilen diese Auffassung nicht. Einige meinten dem gegenüber sogar, der CCC hätte doch mit Politik gar nichts zu tun und ich möge die doch, Bitteschön, deshalb auch draußen lassen.

Bitte? Selbstverständlich war und ist der CCC schon immer auch POLITISCH. Ich erinnere mich gut an die Auseinandersetzungen um die Kanther’sche Kryptoregulierung und an die ersten „Multimediagesetze“. Und selbstverständlich wurde auch schon zuvor im Club POLITISCH diskutiert. Und genau so selbstverständlich wird von ihm auch POLITIK gemacht. Das war aktuell nicht erst bei der Frage so, ob man mit der SPD in Sachen Zensursula noch reden solle. Da traf man mit NEIN die richtige Entscheidung. Oder bei der Frage, ob man und mit welcher Fraktion in der Bundestagsenquete „Internet und digitale Gesellschaft“ mitwirken wolle. Man entschied sich (zu Recht) politisch zu einem JA und sicher auch mit guten Gründen dafür, dies bei der LINKEN zu tun. Man entschied mit gutem Grund auch politisch, an den de Maiziére-Runden teilzunehmen.

Und da sind wir beim Problem: Wie lange will und kann man dies tun, ohne eigene Glaubwürdigkeit zu verspielen? Darum geht es. Und es geht um die Frage, ob es einer Partei wie der Piraten bedarf, mit der man eigene Inhalte transportieren will. Am meisten haben bei dieser Frage „Grüne“ aufgeheult, deren Netzkompetenz spätestens seit den parlamentarischen Zwängen beim Jugendmedienschutzstaatsvertrag sich aber wieder wie in der Geschichte von des Kaisers neue Kleider darstellt. Gerade Grüne sollten sich daher bei dieser Frage zurückhalten. Sie wollten bis in die neunziger Jahre hinein Computer noch schlicht dämonisieren. Sie wurden aber als parlamentarischer Arm von Bewegungen (mit-)gegründet und getragen, die sich durch die alten etablierten Parteien nicht nur in der Friedens- und Umweltpolitik nicht (mehr) repräsentiert fühlten. Kein Mensch käme deshalb auf die Idee, von der Vereinnahmung des Friedens durch Grüne zu reden. Selbstverständlich bedarf Netzpolitik gleichwohl nicht nur oder gar allein der Piraten. Dies habe ich schon bei meinem Austritt aus der SPD gesagt: Wir brauchen Piraten in allen Parteien. Sollte allerdings jemand der Auffassung sein, Netzpolitik sei ohne die Piraten im Bundestagswahlkampf 2009 von den Parteien als schickes Thema entdeckt worden, bezeichnete ich diese Behauptung als groben Irrtum.

Schade, dass eine sachliche Debatte selbst zu diesem Punkt mit einigen der verantwortlichen Protagonisten derzeit nicht möglich zu sein scheint.

Dabei bedarf es aber jetzt einer klaren Ausstiegsstrategie für diese Gespräche mit der Bundesregierung. Es sei denn, dass dort netzpolitische Wunder zu erwarten sind. Dies ist aber so unwahrscheinlich wie die Umwandlung des Wespennests in einen Korb voller Honigbienen. Vorratsdatenspeicherung, die Stockholm-Überwachung, ePerso und die geforderte Zensurinfrastruktur sind nur einige der Projekte, welche de Maiziére bislang unverrückbar gegen Bürgerrechte und Netzinteressen stellt. Und das bedarf endlich auch vom CCC einer politischen Antwort.

13 Gedanken zu „Wespennest

  1. Eike Scholz

    Hm,

    also mir kommt es als langjährigem CCC Mitglied doch ein wenig merkwürdig vor, dass der CCC unpolitisch sei. Er ist und war immer politisch. Es ist auch schwirig in einer (noch?) Demokratie als öffentlich agierender Verein unpolitisch zu sein. Man kann versuchen parteipolitisch neutral zu sein. Das würde ich auch für den CCC befürworten, obwohl ich auch Pirat bin.

    Was den Kurs angeht nun da kann man sicher diskutieren, wohin die Reise gehen soll.

    Nur um nochmal Bezug auf Anonymous zu nehmen. Davon sollte sich der CCC aber sicherlich abgrenzen. Ein guter Teil dessen, was Anonymous tut ist ethisch nicht vertretbar und sicher genau so falsch wie der angesprochene Kurs des CCC.

    Anmerkung tauss: Selbstverständlich soll der CCC politisch UNABHÄNGIG sein. Neutral bei Zensursula, VDS & Co geht nicht. Und wo steht, dass der CCC unpolitisch sei? Ich sagte, die Strategie zu de Maiziére sei unpolitisch. Und dabei bleibe ich bis zum Beweis des Gegenteils :)))

  2. rofl

    „meine Kritik am falschen Kurs des CCC“
    Aha, über die Kritik darf man reden, aber der Kurs ist schon mal definitv falsch.
    Ich denke mal ein so gelagerte Diskussion unterscheidet sich nicht gross von der mit dem Innenminister.
    Sollte man nun konsequenterweise das Gespräch mit ihnen abbrechen?

    PS: Anderen Leuten vorschreiben zu wollen, mit wem sie reden dürfen ist undemokratisch. Die Piraten sind sehr schnell in der Postdemokratie angekommen.

    Anmerkung tauss: Merkwürdiger Kommentar: Ich bin kein Innenminister, der beabsichtigt, Bürgerfreiheiten einzuschränken. Ich bin auch kein Innenminister, der aus Gesprächen mit dem CCC im Sinne von „Feigenblatt“ medial Vorteile zieht. Und ich äußere hier ausschließlich meine private Meinung und bin nicht „Sprecher“ der Piratenpartei. Und erneut weise ich darauf hin, dass ich nicht grundsätzlich gegen Gespräche mit de Maiziere war und bin. Ich erwarte allerdings als CCC- Mitglied eine Austiegsstrategie aus solchen Gesprächen, wenn sie mehr Schaden als Nutzen stiften.

  3. AbbeFaria

    Nach meinem Eindruck ist die ganze Debatte zwar durchaus wert sie zu führen, allerdings wird sie ganz offensichtlich viel zu emotional geführt.

    Erstmal runterkommen, die verbalen Keulen wegstecken und sachlich drüber reden.

  4. Jan Dark

    Da ist aber einer wütend 🙂

    In der Sache möchte ich gerne Zustimmen. Gespräche mit de Misere sind völlig sinnlos. Es soll eingelullt werden, um Poltik auszuschalten.

    Die Enquete-Kommission geht vollständig an der Bevölkerung vorbei und nach wie vor beharrt de Misere lernunfähig auf seiner verfassungswidrigen Vorratsdatenspeicherung.

    Nach meiner Ansicht ist es das Beste, die in ihrem eigenen Saft und ihrer eigenen Unfähigkeit schmoren zu lassen, um dann wie bei dem Zugangserschwerungsgesetz mit Petition große Bevölkerungskreise zu erreichen. Oder von mir aus mit Campact.

    Zu dem halte ich die aktuelle Nichtanwendung des Zugangserschwerungsgesetzes für Rechtsbeugung. In dem Gesetz setht keine Ermächtigung für die Regierung es anzuwenden oder nicht. Die Sperrlisten sind zu liefern. Punkt. Wer es nicht tut, verstösst gegen das Gesetz. Wie de Misere und L.-S. Und mit Gesetzesbrechern würde ich nicht gerne kooperieren müssen. Wenn die das Gesetz nicht wollen, sollen die ein anderes einbringen, aber Bundestag und Bundespräsidenten durch Nichtanwendung zu verhöhnen ist das Allerletzte als Regierung. Schlimmer als bekennende Anarchos 🙂

  5. k-f

    Die z.T. etwas unsachlichen Äußerungen in den Kommentaren, auch von „offizieller“ Seite des CCC aus, lässt mich doch etwas verwundert dreinschauen.
    Wenn der CCC für sich als Fahrplan beschlossen hat, dass es sinnvoller ist, Politikern nur beratend zur Seite zu stehen und über eine breite Aufklärung in der Bevölkerung einen Umschwung in der Legislative herbeizuführen, dann soll das ja OK sein.
    Dass das hier alles dermaßen hochkocht ist wirklich sehr verwunderlich.

    k_f

    Anmerkung tauss: Diese Verwunderung teile ich auch als langjähriges Mitglied des CCC ausdrücklich

  6. Tharben

    Warum nochmal sollte sich der ccc nach einer Herrn Tauss genehmen Strategie richten? Er ist schon immer ohne eine solche Beratung ausgekommen, denn wir erinnern uns: der ccc hat frueher Herrn Tauss beraten, nicht andersrum.

    Dass viele Piraten sich im ccc beheimatet fuehlen, ist ein offenes Geheimnis, andersrum ja ebenso. Was ist die Agenda dieses unsortierten, weitgehend substanzlosen Gemeckers? Herr Tauss darf in Zukunft gern davon absehen, ratschlaege zu erteilen, das nutzt doch niemandem, einen Keil zwischen zwei hinsichtlich ihrer Ziele unterschiedlich arbeitenden Organisationen zu treiben.

    Hat Herr Tauss bei den Piraten inhaltlich kein Thema mehr? Was soll das?

    Anmerkung tauss: Ungeachtet der beleidigten Aussagen zum Thema „Beratung“, wo es beiderseits und, wie im Jahresbericht 2009 ausdrücklich hervorgehoben, zwischen dem CCC und dem Büro Tauss langjährig gegenseitige „winwin- Effekte“ gab, verwundert doch vor allem ein Punkt: Es ist schon erstaunlich, welche Aggressionen und Polemik meine eigentlich einfache Frage (als Mitglied des CCC!) nach einer Ausstiegsstrategie des CCC aus den Gesprächen mit Herrn de Maiziére auslöst und vor allem als „Spaltung, Keil, Gemecker“ etc. etc. aufgenommen wird. Werter Tharben: Genau diese Reaktion macht mich so langsam zutiefst misstrauisch.

  7. tanine

    Blubb, wir machne uns alle lächerlich, blubb, Schlammschlacht.
    Alt bekanntes Problem: Es wird gerne verallgemeinert.

    Wer sagt, dass alle Piraten nur zocken und leachen? Wer sagt, dass alle in und rund um den CCC unpolitisch sein wollen.. und wer sagt, dass Piraten gegen Liquid Feedback wären?

    Wie sich eine derart große und bekannte Organisation wie der CCC positioniert, ist durchaus eine interessante Frage.
    Und keineswegs ein Schlammgebiet für Schlammschlachten. 😉

  8. mark

    @Andreas

    Wie kommst du darauf das der Beschluss zur LqFb Einführung nicht umgesetzt wurde? Es läuft doch, und das ändert sich auch nicht.

  9. tux.

    Was lässt dich schließen, ich gehörte irgendeinem wie auch immer gearteten „Rand“ an? Vielmehr betrachte ich mich selbst als liberal mit Einsprengseln beider „Richtungen“. Kritik am CCC = rechter Rand? Na dann …

  10. tiptap

    @tux: Oh, der rechte Rand meldet sich
    auch wenn ich mir selber nicht darüber klar bin ob der Club an sich Politisch aktiv werden sollte (also darüber hinaus als er es eh scho ist, und er ist es),
    mit ihm Zusammenarbeiten halte ich trotzdem für sehr Wichtig!

    Anmerkung tauss: ALLE mit unseren Zielen müssten zusammenarbeiten…

  11. Andreas

    Eben jener Innenminister hat sich neulich in den USA in einem Interview öffentlich dahingehend geäußert, daß er das Vorgehen von Wikileaks bislang als unter die Pressefreiheit fallend betrachtet, und damit durchaus seine Hand schützend über die Finanzierung von Wikileaks durch die Wau-Holland-Stiftung gehalten. Das ist halt immer so eine Sache der Abwägung, mit den Beziehungen zur Regierung…

    Im übrigen haben wir im Jahresrückblick deutlich die Zweischneidigkeit der Gespräche mit dem Minister dargelegt.

    Ach, und wo wir schon beim gegenseitigen Ranten sind: mit der Zermürbung des LQFB-Teams und der Nichtumsetzung des Parteitagsbeschlusses zur LQFB-Einführung hat die Piratenpartei sich leider als unglaubwürdig und untauglich entlarvt.

    Anmerkung tauss: Bin ja gespannt, ob die schützende Hand bis zur Finanzverwaltung reicht;)

    Die letzte Anmerkung ist mir dem gegenüber etwas zu einfach und erneut ein schlecht konstruierter Versuch, vom Thema abzulenken. Als Befürworter (!!) des LQFB-Beschlusses habe ich mit Bedauern zur Kenntnis genommen, dass das LQFB-Team Anregungen von der Basis (darunter auch hoch hochqalifizierte Entwickler) leider nur, höflich formuliert, „zurückhaltend“ z. K. genommen hat 😉

  12. Torsten

    Die vom CCC sind wohl noch zu glücklich darüber, mit einem Politiker reden zu dürfen, als dass sie bermerken würden, dass dieser ihnen mit den Gesprächen nur Beruhigungspillen gibt.

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