Aktualisiert 2. 11. 2010
Noch in diesem Jahr soll endlich der Arbeitnehmerdatenschutz im Deutschen Bundestag beraten und Anfang des neuen Jahres verabschiedet werden. So weit so gut. Immerhin hat die schwarzgelbe Koalition damit deren Ankündigungen wahr gemacht und es mit einem – allerdings leider miserablen Gesetzesentwurf – geschafft, was rotgrüne oder schwarzrote Bundesregierungen mit Ausnahme einer kosmetischen Ankündigung nie zustande brachten: Das Thema endlich auf die parlamentarische Tagesordnung zu setzen.
Denn in den Jahren zuvor wurden Reformbemühungen zum Datenschutz, wie auch zum „Spezialgebiet“ Beschäftigtendatenschutz, seitens der SPD immer wieder im ministeriellen und parlamentarischen Keim erstickt. Das Thema interessierte nicht. Daran änderte sich erst etwas, als die Datenschutzskandale bei Telekom, Bahn, Lidl, Schlecker, Siemens & Co die Schlagzeilen in den Medien beherrschten. Jetzt entdeckte man mit hektischen Aktivitäten das Feld, ohne allerdings die jahrelang verspielte Glaubwürdigkeit in der „Datenschutzszene“ auch nur in Ansätzen wieder gewinnen zu können.
Denn erst mitten im Wahlkampf 2009 stellte der damalige Arbeitsminister Scholz (SPD) noch rasch einen Gesetzentwurf vor, der am Ende der Großen Koalition natürlich keinerlei Aussicht mehr hatte, jemals im Bundesgesetzblatt aufzutauchen.
De Maiziére oder von der Leyen?
So konnte also jetzt Innenminister de Maizière das Heft in die Hand nehmen. Warum aber ausgerechnet er? Schon mit dieser Zuständigkeit außerhalb des Arbeitsministeriums wird deutlich, wohin die Reise gehen soll. Denn von einem eigenständigen Beschäftigtendatenschutzgesetz ist nun nicht mehr die Rede. Vielmehr soll dieser „Aspekt“ Teil des heute geltenden Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) werden.
Darüber könnte man angesichts des durch viele Detailgesetze und bereichsspezifische Regelungen ohnehin zersplitterten und unübersichtlichen deutschen Datenschutzes sogar berechtigt diskutieren. Doch das zuständige Innenministerium gilt spätestens seit den Herren Schily und Schäuble geradezu als Hort der Datenschutzfeindlichkeit. Kein Wunder, dass es im Entwurf also sogar um die erleichterte Durchführung einer Videoüberwachung für Beschäftigte in den Betrieben geht. Und zwar unter Bedingungen, die in öffentlich zugänglichen Räumen nicht akzeptiert würden. Es ist grotesk: Als Konsequenz aus den Datenschutzskandalen sollen die bisher illegalen Praktiken gesetzlich legalisiert werden. Lidl & Co dürfen sich freuen.
Ob allerdings ausgerechnet die als Zensursula bekanntgewordene heutige Arbeitsministerin von der Leyen ein substanziell besseres Gesetz als nun der alte Überwachungsapparatschik de Maiziére auf den Weg gebracht hätte, darf wohl mit Fug und Recht bezweifelt werden. Insofern hat man bei diesen Ministern in Datenschutzfragen tatsächlich nur die Alternative zwischen Pest und Cholera.
Und danach ist der Entwurf auch geraten. Wie nicht anders zu erwarten, steht nach einer ersten Analyse der Deutschen Gesellschaft für Datenschutz nicht die dringend notwendige Sicherung der Persönlichkeitsrechte von Beschäftigten im Zentrum der Überlegungen unseres Bundesüberwachungsministeriums (BMI), wie das Videobeispiel zeigt. Vielmehr ist vordergründiges Ziel, Unternehmen eine Erlaubnis zur Nutzung von Beschäftigtendaten zur Korruptionsbekämpfung und Compliance-Überwachung zu verschaffen.
Korruptionsbekämpfung ist auch genau der Grund, den beispielsweise die Deutsche Bahn stets für deren skandalöse Bespitzelungsaktivitäten gegenüber ihren Beschäftigten vorgeschoben hatte. Dazu wollen die Arbeitgeber auch verdachtslose Datenabgleiche vornehmen können. Der Bundesverband der deutschen Arbeitgeber (BDA) fasst dies unter der schon niedlich anmutenden Formulierung zusammen, „Unternehmens- und Arbeitnehmerdaten sollten sinnvoll aufeinander abgestimmt werden“.
Ziel eines modernen Beschäftigtendatenschutzes müsste es dem gegenüber aber vor allem sein, Arbeitnehmer vor der Verletzung ihres verfassungsmäßig garantierten informationellen Selbstbestimmungsrechts zu schützen. So fordert es die Gesellschaft für Datenschutz zu Recht ein. Von einer Realisierung dieses Wunsches ist der Regierungsentwurf aber um Lichtjahre entfernt. Selbst die drängende Beseitigung von Unklarheiten, wie etwas die private Internet- oder Telefonnutzung im Betrieb, bleiben im de Maiziére – Entwurf außen vor.
Die eingängige Arbeitgeberforderung nach Korruptionsbekämpfung ist übrigens schon deshalb unglaubwürdig, weil die Verbände stets auch ein effektives Informationsfreiheitsgesetz (IFG) abgelehnt haben. Ein solches hätte aber auch nach Auffassung von Transparency einen hohen Effekt bei der Korruptionsbekämpfung. Man kann hinzufügen: Ein höherer Effekt als die verdachtslose Bespitzelung der Arbeitnehmer.
Da zwischen Dezember und Januar aber wohl keine angemessene intensive parlamentarische und öffentliche Beratung des Entwurfes erfolgen dürfte muss befürchtet werden: Arbeitnehmerdatenschutz im Sinne des Wortes wird auch in den nächsten Jahren ein Wunschtraum bleiben.
Man kann nur hoffen, dass entgegen dieser pessimistischen Betrachtung die Datenschutzbeauftragten noch Gehör finden. „Ohne erhebliche Nachbesserungen wird der Entwurf seiner Zielsetzung nicht gerecht“, sagt der baden-württembergische Datenschutzbeauftragte Jörg Klingbeil. Das ist eine sehr höfliche Umschreibung der gerechtfertigt vernichtenden Kritik am de Maiziére – Entwurf.
In dieser Woche tagt die Konferenz der Datenschutzbeauftragten zum Thema. Man darf auf neue Erkenntnisse zum Arbeitnehmerdatenschutz gespannt sein.
Aktuelle Kritik der Datenschutzbeauftragten http://www.unwatched.org/node/2299
Regierungsentwurf 2010: http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetzestexte/Entwuerfe/Entwurf_Beschaeftigtendatenschutz.pdf?__blob=publicationFile
SPD-Entwurf 2009: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/000/1700069.pdf
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