Strafen für Demonstranten

Zur geplanten Verschärfung des Demonstrationsrechts, das unter dem Stichwort „Gewalt gegen Polizisten“ durchgesetzt werden soll, habe ich der Justizministerin geschrieben:

Sehr geehrte Frau Leutheusser-Schnarrenberger,

drei Jahre Haft für jemanden, der sich bei einer Demonstration aus dem Polizeigriff losreisst? Gibt es bei diesen Polizeistaatsstrafrechtlern in Ihrem Hause und im Deutschen Bundestag eigentlich noch irgendeine Verhältnismäßigkeit?

Ich halte es für eine schlichte Provokation, wenige Tage nach den schlimmen Vorgängen in Stuttgart ein solches Gesetz auf den Weg zu bringen. Warum werden dann eigentlich nicht gleichzeitig die Strafen für Prügelpolizisten erhöht? Also für beamtete Körperverletzer, die friedlichen Bürgern das Auge aus dem Kopf spritzen und  junge Menschen mit Wasserwerfern aus Bäumen schiessen wollen und dabei bewusst schwerste Verletzungen und möglicherweise deren Tod billigend in Kauf nehmen.

Bei der Demonstration „Freiheit statt Angst“ wurde im letzten Jahr von einem Berliner Polizisten ein Demonstrant brutal zusammengeschlagen. Bis heute ist nichts passiert, obgleich der Täter bekannt ist. Auch dies beweist: Demonstranten werden Freiwild, die Polizeischläger werden durch die Justiz geschützt. Nichts anderes signalisiert auch diese inakzeptable Gesetzesinitiative. Ist dies Ihr Verständnis von „liberalem“ Strafrecht? Würde mich doch zumindest stark wundern.

So lange die Polizei noch nicht einmal bereit, sich kennzeichnen zu lassen und den Bürgern gewalttätig und nur noch vermummt entgegentritt, brauchen wir keine derartigen Einschüchterungsversuche zur Unterhöhlung des Demonstrationsrechts. Ganz im Gegenteil.

Mit freundlichen Grüßen

Jörg Tauss

Hinweis Tauss: Ein Polizist wurde zwischenzeitlich verurteilt. Vielen Dank für die Info! http://www.taz.de/1/berlin/artikel/1/ein-schlag-in-den-ruecken/

13 Gedanken zu „Strafen für Demonstranten

  1. Micha

    Das Urteil bezüglich des Vorfalls auf der Freiheit statt Angst Demo 2009 betrifft ja bisher „leider nur“ den Stoß in den Rücken. Der unverhältnismäßige Übergriff und die schwere Körperverletzung an der Person im blauen T-Shirt, welcher die Dienstnummer eines ebenfalls zuvor gewalttätigen Beamten forderte, ist derzeit nicht verhandelt. Hier läuft die Verschleierungstaktik auf Hochtouren.
    Wann gibt es denn ein Gesetz in dem Zivilpolizisten, wenn sie als Provokateure und Anstifter von Gewalt auftreten, unter Strafe gestellt werden?

  2. reeaal

    Ja kann sein, dass ich mit dem letzten Satz viele in einen Topf geworfen habe, sorry für diejenigen die versuchen da tatsächlich konstruktiv etwas zu erreichen.
    Es ist aber eben so, dass sehr viele Leute dieses Projekt nur aus einer Perspektive sehen, weil ein Haufen populistischer Linke und Grüne jeden Montag ihre Predigten halten und Buttons austeilen, die sich jeder 2. auf die Jacke steckt ohne konkret Bescheid zu wissen. Es ist auch nicht mein Verständnis von Demokratie, dass derjenige mit dem größeren Dickkopf dominiert. Das gilt sowohl für die Deutsche Bahn, CDU und Co., als auch für unsere linken „Demonstranten“.
    Ich habe jetzt „Demonstranten“ bewusst in Anführungszeichen gesetzt.
    Wie schon richtig erwähnt:
    „Den >>Widerstand<< auf den letzten Satz zu reduzieren halte ich für eine völlig falsche Beobachtung."
    Wikipedia: Demonstration (von lat.: demonstrare, zeigen, hinweisen, nachweisen)
    Was hat das mit Sitzblockaden zu tun?
    Man hat die Polizei auch nicht hergeschickt um jemanden die Meinungsfreiheit zu nehmen, sondern um Platz zu machen, damit weiter gearbeitet werden kann.

    Ich hab nicht umsonst dieses hier geschrieben:
    "Ich will nochmal unterstreichen: Ich bestreite nicht, dass die Polizei mit übertriebener Härte vorgegangen ist und gewisse Sachen wirklich umenschlich waren."

    Da braucht es nicht, dass man in einer Anmerkung darunter nochmal wiederholt auf die übertriebene Polizeigewalt hinweist. Ich glaub die Bilder sollten langsam alle kennen und ob Für oder Dagegen, sowas kann niemand toll finden. Da denk ich, sind wir uns alle einig.

    Über das Projekt selbst kann ich mich auch gerne an anderer Stelle nochmal äußern, mir geht es aber in erster Linie erstmal darum, dass nicht wieder alles emotionalisiert wird.
    Das hatte der Frau von der Leyen, bei der KiPo-Debatte letztendlich auch nicht mehr geholfen.

    Seht die Dinge so wie sie sind und folgt nicht jeden blind. 😉

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  4. reeaal

    Ebenfalls überrascht. Gibt es dazu Quellen?
    Habe danach gegoogelt und habe zum Polizeigriff keine offizielle, geschweige denn neutrale Quelle finden können.
    Aus einem Forum konnte ich entnehmen, dass das momentan mit bis zu 2 Jahren Haft verurteilt werden kann?
    Genauso übertrieben.
    Trotz alledem kann ich die Meinung vieler hier nicht teilen.
    So leid es mir tut, spätestens, wenn eine Armee von Polizisten organisiert wird sollte man doch merken, dass die es Ernst meinen und sich nicht mehr auf den Arm nehmen lassen.
    Diese Demonstrationen ziehen sich schon lange hin. Respekt vor der Polizei? Fehlanzeige.
    Wieso sollte man sie auch respektieren? Sind ja nur minderwertige Menschen.
    Ich mein, sorry ich war selbst dabei und habe die Livestreams gesehen, wenn ihr das auch tun würdet, würdet ihr etwas feststellen:
    „Komm haut mich doch! Kommt schon! Los macht schon! Aua, der hat mich gehaun!“
    So in ungefähr kann man diese Demonstrationen beschreiben.
    Ich will nochmal unterstreichen: Ich bestreite nicht, dass die Polizei mit übertriebener Härte vorgegangen ist und gewisse Sachen wirklich umenschlich waren.
    So leid es mir tut, es war keine friedliche Demonstration, wie doch viele behaupten. Kann sie auch gar nicht gewesen sein, bei einer solchen Menschenmenge. Wäre ich ein Polizist und würde tausenden von tobenden Demonstranten gegenüber stehen, würde ich auch etwas nervös werden.
    Es ist auch nicht so, dass die Polizei sofort wild auf die Menschenmenge eingedroschen hat. Sie haben klare Ansagen gemacht und wie schon erwähnt: Wenn eine Armee von Polizisten ankommt, dann sind die ganz sicher nicht da um Tee zu trinken.
    Spätestens dann sollte es *klick* machen: „Oh, vielleicht sollte ich ja doch lieber wo anders demonstrieren gehen?? Vielleicht 50 Meter weiter weg und nicht direkt da wo die Polizei das Gelände absperrt??“
    Der Wasserwerfer hat auch nicht sofort mit hohem Druck geschossen. Es war anfangs tatsächlich ein Sprühregen. (was natürlich niemanden gejuckt hat)
    Die Polizei ist schrittweise vorgegangen.
    Naja was macht man gegen tausende dickköpfige Menschen, die sich auf Einsatzfahrzeuge hocken und an Bäume ketten?
    In Ruhe lassen? Resignieren?
    Erzähl das mal deinen Gläubigern.
    „Tut mir leid, da sind n paar tausend Demonstranten, wir brechen den Bau ab.“
    Ist das den Befürwortern von S21 gerechtfertigt, die schon seit 10 Jahren für dieses Projekt sind oder auch daran gearbeitet haben? Nur weil sehr verspätet ein Trend duch die Bevölkerung geht, gegen alles zu sein was Geld kostet?

    Anmerkung tauss: Den Widerstand auf den letzten Satz zu reduzieren halte ich für eine völlig falsche Beobachtung. Seit Jahren wird (von den Verantwortlichen UNGEHÖRT) an Alternativen gearbeitet. Aus meiner Berliner Arbeit kenne ich dem gegenüber die Bemühungen, das Projekt schönzurechnen. Anyway: Selbstverständlich gab es auch seitens einiger (WENIGER!) Demonstranten unschöne Szenen. Aber es gab keine Szenen, die das Mass an Gewalt von Seiten der Polizei rechtfertigten. Es war eine FRIEDLICHE Demonstration. Wer dann mit höchstem Wasserdruck in die Menge „feuert“, wer Jugendliche per Wasserwerfer aus Bäumen schiessen will und dabei schwerste Verletzungen und gar deren Tod billigend in Kauf nimmt, handelt nicht wie die Polizei eines demokratischen Staates. Nicht zu teilen vermag ich außerdem die Auffassung, dass eine genehmigte Demonstration abgesagt sollte, weil oder wenn eine Polizeiarmada anrückt. Sorry: Das ist nicht mein Verständnis von Rechtsstaat und dem Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit.

  5. Pingback: Scheißhemmung bei den Genossen in Baden-Württemberg und Berlin

  6. Tom

    Dass die Strafen für friedliche Demonstranten, die sich ihren Protest nicht verbieten lassen wollen, verschärft werden, paßt genau in meinen Eindruck der Politik den ich spätestens seit dem 09.11.2001 habe. Meiner Meinung nach soll in Deutschland bzw. in der EU eine Diktatur/ 2. DDR aufgebaut werden und da stören eigene Meinungen der Bürger: Meiner Meinung nach soll mit solchen Gesetzen, genau wie mit den ganzen Überwachungen, Sperren, Onlinedurchsuchungen usw., die sowieso alle höchstens Kleinkriminelle treffen werden, da sie sehr leicht zu umgehen sind, nur Unsicherheit in der Bevölkerung geschürt werden, damit die Leute schön still sind und alles was die Regierung macht schlucken und den Mund halten. Klar werden die Leute bei den Wahlen weiterhin die Wahl zwischen CDU/CSU, SPD, FDP und Grüne haben, aber es ist doch egal wer von denen an der Regierung ist, weil sich die Politik sowieso nur marginal unterscheidet. In der Opposition schwingen die Parteien große Reden und wenn sie an der Regierung sind ändert sich kaum was.

  7. kar

    Sorry für den Einwurf, aber ich frage mich gerade, wie könnte wohl ein Computersystem aussehen bzw. funktionieren, das mit vergleichbarem Elan von Befürwortern v. Stuttgart 21 auf den Weg gebracht/zusammengeschustert worden wäre?

    Das wäre doch mal eine Frage!

  8. Tim Mayer

    Bessere Kommunikation?

    Wenn Politiker sich den Fehler eingestehen, dass von Beginn an nicht richtig geworben und die Bevölkerung nicht „mitgenommen“ wurde – was wollen Sie uns damit sagen? Dass man noch mehr hätte knüppeln müssen? Dass mit besseren Infos sich S21-Gegner überzeugen lassen? Dass die Millionen für bunte Broschüren und inhaltsschwache Werbung umsonst war? Dass man wichtige Argumente vergessen hat?
    Was genau hätte man denn besser kommunizieren sollen? Das können die Befürworter ja jetzt gerne endlich mal sagen. Aber wetten, es wird nichts mehr kommen – weil es nämlich nichts Neues zu sagen gibt. Denn das alles sind nur Floskeln, um zu besänftigen und von allen Planungsfehlern abzulenken. Jetzt versucht es die Politik auf die schleimige Tour.

    Es geht auch nicht darum das Projekt S21 besser zu verkaufen. Denn die Befürworter haben sicher nicht ohne Grund lange Zeit vieles verschwiegen, was jetzt so langsam alles aufgedeckt wird. Denn dann wären ja die Menschen alle noch viel früher auf die Straße gegangen!

    Das Projekt selbst ist nämlich der Fehler! Eine einzige Katastrophe. Die vielen friedlichen Demonstranten (darunter unzählige langjährige CDU-Wähler) sind vor allem deshalb gegen S21, weil der neu geplante Tiefbahnhof absolut nicht notwendig, zu eng, zu kompliziert, zu unflexibel und schlussendlich eine Geldvernichtungsmaschine ist. Es gibt keinen Bahnknoten neu zu ordnen, denn es gibt kein Problem mit dem jetzigen Bahnhof, das gelöst werden müsste. Stuttgart hat den pünktlichsten Kopfbahnhof in ganz Deutschland!

    Wir alle sind für die Zukunft, für Modernität und Funktionalität – aber nicht für einen künstlich geschaffenen Engpass. Sondern für einen variablen und attraktiven, weil viel sinnvolleren Kopfbahnhof! Nur hier können Züge aufeinander warten, nur hier funktioniert der integrierte Taktfahrplan. Es geht auch nicht darum, in Zukunft alle Großprojekte zu hinterfragen. Aber wenn Verschlechterungen geplant sind statt Verbesserungen herbei zu führen, nur um Immobiliengeschäfte zu tätigen und schwäbischen Vetterleswirtschaft praktizieren zu können, dann wird sich auch in Zukunft das Volk einmischen und friedlich(!) zur Wehr setzen. Da kann Polizei aufmarschieren wie sie will.

    Übrigens – dies alles hat mit der Wahl im Frühjahr überhaupt nichts zu tun. Dass die CDU dann abgestraft wird, steht auf einem anderen Blatt. Der Widerstand wäre nämlich exakt derselbe auch wenn 2011 keine Wahlen wären. Solche billigen Argumente machen das Projekt S21 keinen Deut besser!

  9. H. Schrozberg

    100% ACK

    Kann mir da bei Frau Leutheusser-Schnarrenberger auch kaum Zustimmung vorstellen!

    Bitte etwaige Antwort veröffentlichen, thx

    Anmerkung tauss: Na ja. Sie hat das Gesetz eingebracht. Bin auch sehr überrascht.

  10. Mario

    Ich verstehe ja, das die Polizisten nicht mit „Klarnamen“ auf der Uniform rumlaufen, aber wieso nicht die Personalnummer auf die Brust und den Helm, um die Schläger in Uniform identifizieren zu können?

    Anmerkung tauss: Genau darum geht es. Deutliche Rückennummern.

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