Die Enteignung des Gebührenzahlers

Schon einmal was von Rundfunkänderungsstaatsverträgen gehört? Nein? Nicht schlimm. Die wenigsten Bundesbürger können mit diesem Wortungetüm etwas anfangen. Und doch trifft es alle, die für ihr Rundfunk- oder Fernsehgerät Gebühren zahlen (Schwarzseher natürlich auch ;)). Daher ist das Thema durchaus interessant.

Denn in die – bis hin zu Anhörungen –  vertraulich und höchst intransparent gehaltenen Runden der Rundfunkreferenten wird in den ausgekungelten Regelwerken bis hin zur Höhe der Rundfunkgebühren alles festgelegt, was mit „Öffentlich-Rechtlich“ und der GEZ eben so zu tun hat.

Vor exakt zwei Jahren gab es nun die 12. Ausgabe eines solchen Staatsvertrages. Die Zeitungsverleger verlangten damals von den Ministerpräsidenten, das Print-Meinungsmonopol zu sichern und gegen öffentlich- rechtliche Angebote und Konkurrenz im Internet vorzugehen. Von bild. de über SPON bis Zeit.de war man sich da natürlich völlig einig:

Der öffentlich- rechtliche Rundfunk muss, entgegen eines Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts und somit höchst verfassungswidrig, in seiner online- Entwicklung gestoppt werden. Alle online- Angebote von ARD und ZDF müssen seit dieser Zeit in einem „Drei-Stufen-Test“ überprüft und genehmigt werden.

Bei so viel Lobby beschlossen die Ministerpräsidenten damals gehorsamst das neue Regelwerk für solche Internet-Aktivitäten.  Wer will sich schon mit seinen Zeitungsverlegern anlegen? Mit Hilfe des Drei-Stufen-Tests – so die Idee – sollten bestehende und mit den Zeitungen „konkurrierende“ Angebote im Netz für alle Zeiten eliminiert werden. TV-Sendungen von ARD und ZDF  müssen seither nach sieben Tagen, Sportereignisse nach 24 Stunden, aus dem Netz verschwinden.

Wer kommt im Zeitalter von „open access“ und Internet auf derartige Ideen?  Befehlsempfänger der deutschen Zeitungsverleger waren damals einmal mehr die sogenannten Rundfunkreferenten der Länder, mit denen sich daher an dieser Stelle somit eine nähere Beschäftigung lohnt.

Denn die eigentlich zuständigen Länderparlamente führen nur aus, was die grauen Eminenzen in Kaminrunden für deren ahnungslose Ministerpräsidenten und Parlamente auskungeln (der frühere hessische Minsiterpräsient Koch sagte auf Nachfrage zu Piraten beispielsweise sinngemäß: Mit Details beschäftige ich mich nicht. Das macht unser Rundfunkreferent).

Koch hatte recht. Denn Medienpolitik ist trotz ihrer eigentlichen Wichtigkeit der mit Abstand demokratie- und parlamentsfreieste Raum auf allen Feldern deutscher Politik. Gegen den Widerstand von Kurt Beck war es in der SPD beispielsweise jahrelang so auch unmöglich, eine Medienkommission auf Bundesebene zu installieren. Konkurrenz „stört“ das einfache System der Medienmauschler:

Da diesen „Staatsverträgen“ jeweils alle 16 Länder zustimmen müssen, ist eine regionale Abweichung durch die Landesparlamente kaum möglich. Sonst gibt es eben keinen gemeinsamen Vertrag. Deshalb wird in den Ländern nur abgenickt, was die Herren Referenten als „unveränderbar ausgehandelt“ vorlegen. Und welche Landtagsmehrheit liesse schon „ihren“ Ministerpräsidenten im Regen stehen?

Formuliert wird dieser Skandal im eigentlichen Sinne des Wortes natürlich etwas vornehmer: Es ist alles ausgekungelt ähhhh ausverhandelt und mehr oder weniger geht eben nicht. Punkt. Also bleibt nur Zustimmung. Kritische Nachfragen durch Landtagsabgeordnete aller Parteien gibt es in aller Regel fraktionsübergreifend ohnehin nicht.

Denn welcher dieser Abgeordneten interessiert sich schon für ein Politikfeld, auf dem er oder sie nichts, aber auch gar nichts, zu sagen hat? Und so findet hierzulande eben keine Medienpolitik im Sinne des Wortes statt. Doch dies wiederum ist fatal, weil neben der Bildung exakt dieses Politikfeld in unserem föderalen System eigentlich eine zentrale Länderaufgabe darstellt oder besser: Darstellen SOLLTE.

Einem breiteren Publikum wurde dieses System übrigens durch den gegenwärtig in den Landtagen kursierenden Jugendmedienschutzstaatsvertrag bekannt, mit dem die rot/schwarz/gelb/grün/linken Kenner des Dampfradios das Internet in Deutschlands Ländern hinter deren Gartenzäunen so ganz nebenbei mit Sendezeiten und Altersbegrenzungen überzogen. Dies ist übrigens keine Polemik. In ALLEN Ländern (von Bayern über Berlin und Schleswig-Holstein) ist eine dieser genannten Parteien an der Regierung und könnte etwas ändern. Aber wie gesagt: wer interessiert sich schon für Medienpolitik?

Dubiose Figur Stadelmaier

Koordiniert wird die Herrenrunde der „Rundfunkreferenten“ durch eine der dubiosesten Figuren der deutschen Medienpolitik, Martin Stadelmaier. Er ficht, sollte er sich gelegentlich tatsächlich nicht einmal für Rheinland-Pfalz interessieren, hauptsächlich im Auftrag seines Herrn, Ministerpräsident Kurt Beck (SPD), gemeinsam mit dem bayerischen Professor Ring von der Jugendmedienschutzkommission  (KJM) und seiner nicht minder dubiosen Stelle jugendschutz.net in Mainz einen leidenschaftlichen Kampf gegen alles, was im Internet auch nur nach Sex riecht und vor dem alle unter 18-jährigen „Kinder“ bewahrt werden müssen. Sarah Palin aus dem fernen Alaska würde darob vor Neid erblassen, wüsste sie nur, wo Europa und Mainz liegt.

Warum Mainz? Nun: Traditionell ist das Weinland Rheinland- Pfalz ausgerechnet für die Medienpolitik der Länder zuständig. Und damit der Chef der Staatskanzlei, also Martin Stadelmaier. Nach seinem Geschichtsstudium arbeitete er beim SPD- Parteivorstand. Medien sind sein Hobby. Unter anderem will er Rundfunkgebühren für Handys und PC erheben. Der Choleriker reagiert höchst aggressiv auf Kritik. Diskussionen mit ihm in unterschiedlichsten Funktionen gehörten in den Jahren 1994 bis 2009 zu den „Höhepunkten“ meiner damaligen parlamentarischen Tätigkeit als Mitglied des Bundestages und auch in der SPD-Medienkommission.

Hochbezahlte Intendanten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks werden von ihm schon gerne einmal, wie in einer  Sitzung der SPD-Medienkommission geschehen, wörtlich als „Arschlöcher“ bezeichnet.

Dieser sozialdemokratische Staatssekretär hat aber nicht nur wenig gesellschaftsfähige Ausdrücke und den Kampf gegen das böse Internet im Kopf. Um der Rheinpfalz einen Gefallen zu tun, scheut er keinen Bückling.

Sein Herz für Verleger, denen die öffentlich- rechtlichen Online- Angebote als Konkurrenz von SPON bis zeit.de natürlich seit Jahren ein Dorn im Auge waren, ist sprichwörtlich. Auf der Suche nach jemandem, der eben mal locker Urteile des Bundesverfassungsgerichts aushebelt, wenn es um die Weiterentwicklung von Fernsehen in Zeiten der Konvergenz geht, wurden die Herren der deutschen Zeitungslandschaft also folgerichtig rasch fündig:

Natürlich bei Martin Stadelmaier, der in einer verblüffend gut funktionierenden SPD/CSU- Achse Mainz/ München Herr im deutschen Medienring und in dessen nichtöffentlichen Anhörungen ist.  Bei diesem tüchtigen Sozi konnten die Herren (pardon Friede Springer als Dame) logischerweise unbeeinträchtigt von kritischer Öffenlichkeit fröhlich bestellen, was deren Herz und Geldbeutel so begehrte.

Bilanz nach 2 Jahren

Ziehen wir nach zwei Jahren also kritische Bilanz. Ich habe bei ARD und ZDF nachgefragt.

Wie steht es beispielsweise um die ARD-Gemeinschafts-Telemedienangebote? Sie sind weg. Wie von den Verlagsbossen gewünscht.

Denn mit seinem 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag sorgte Stadelmaier bis heute dafür,  dass seit 2008 bis zu 80 Prozent der dortigenInhalte gelöscht werden mussten. Dies gilt zum Beispiel für das Angebot von tagesschau.de.

Dort wurden bis Ende August 2010 bereits rund 26.000 Audios, 270.000 Videos und 250.000 Meldungen „depubliziert“. So nennt man es, wenn Meldungen, die älter als ein Jahr sind – sie sind für zeitgeschichtliche Recherchen zu einzelnen Themen jedoch durchaus spannend –  aufgrund von Stadelmaiers „Verweildauerkonzepts“  und unerreichbar für die Gebührenzahler auf alle Zeiten entfernt werden müssen.

Konkret: Fast alle Tagesschau-Sendungen oder das Nachtmagazin sind seit 2008 als komplette Sendung nur noch 7 Tage im Netz abrufbar.

Beim Gemeinschaftsangebot „DasErste.de“ wurden und werden ebenfalls aufgrund des Stadelmaierischen Verweildauerkonzepts viele Seiten gelöscht. Bei laufenden Sendereihen wie „Druckfrisch“, „Weltspiegel“ und „Plusminus“ müssen die Seiten zum Beispiel nach spätestens einem Jahr gelöscht sein.

Beim Gemeinschaftsangebot sportschau.de wurden nach bisherigen Schätzungen (ARD) mindestens 60 Prozent der Inhalte entfernt. So mussten aufgrund der Verweildauerkonzepte nicht nur Berichte und Dossiers zu großen Sportereignissen der vergangenen Jahre wie Weltmeisterschaften oder Tour de France aus dem Netz genommen werden. Selbst preisgekröntes Format wie eine Multimedia-Reportage tu einem Rollstuhl-Rugby-Turnier ist nicht mehr verfügbar.

Blickt man auf die Onlineangebote der einzelnen Landesrundfunkanstalten liegen die Prozentsätze ebenfalls bei bis zu 80 Prozent Entfernung. Beim rbb mussten zum Beispiel auf den Seiten von kulturradio.de rund 80 Prozent der Rezensionen von Filmen, Büchern, CDs und Theateraufführungen vom Netz genommen werden. Beim Politikmagazin „Klartext“ werden die Beiträge aus 10 Jahren nicht mehr verfügbar sein, die einen Überblick über politisch relevante Themen dieser Jahre ermöglichten.

Beim SWR mussten unter anderem 60 Prozent der Dokumente zur „Teleakademie“ aus dem Angebot genommen werden. Bei WDR.de gingen und gehen unter anderem die WDR-Sendung „Servicezeit“ mit vielen tausend Tipps zu Gesundheit, Familie, Mobilität und Ernährung verloren.

Auch zehntausende Beiträge der Hörfunkberichterstattung, deren journalistische Bedeutung weit über die Zeitspanne von 12 Monaten hinaus geht, werden aus dem Netz entfernt. Das ist bei Themen von landesweiter oder bundesweiter Bedeutung bedauerlich und schränkt Recherchemöglichkeiten erheblich ein.

Beim NDR.de sind allein im Bereich Nachrichten und Wirtschaft ebenfalls rund 80 Prozent der Inhalte entfernt worden. Von der umfangreichen Berichterstattung  über die Unregelmäßigkeiten bei UNICEF (wie praktisch bei diesen Zensursula- Befürwortern) oder den Folgen des Jahrhundertsturms Kyrill ist kaum noch etwas zu finden.

Der SR muss Unpolitisches, wie etwa das Archiv von „Leas Kochlust“, komplett aus dem Netz nehmen. Dabei handekt es sich um eine Sammlung von regionaltypischen Rezepten. Näher als saarländisches Essen liegt mir das gesamte Comedy-Archiv von 103.7 UnserDing – weg damit!

Auch ein Thema wie Krebs liegt nicht mehr im öffentlich-rechlichen Interesse und musste entfernt werden: Meine Anfrage an die ARD wurde wie folgt beantwortet:

…..Dossiers zur Themenwoche Krebs aus dem Jahr 2006 sind wegen Ablaufs der maximal zulässigen Verweildauerfrist… nicht mehr verfügbar…

Für das ZDF liegen mir noch keine vergleichbaren Zahlen vor. Die dortige Pressestelle schweigt gegenüber Tauss traditionsgemäß beharrlich. Doch dort sieht es nach internen Informationen genau so aus. Muss also erst wieder das Bundesverfassungsgericht den offenkundigen Skandal in unserer vermeintlichen „Informationsgesellschaft“ stoppen? Offensichtlich!

PS: Ich habe übrigens bei der SPD nachgefragt, was sie von den Umtrieben des Herrn Stadelmaier und dieser Art der Enteignung des Gebührenzahlers hält. Keine Antwort. Sollte jemand das alles spanisch vorkommen: Spanisch hat Stadelmaier unter anderem auch in Madrid studiert 😉

PS 2: Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) zeigte sich nicht nur 2008 mit den Internet-Regeln des 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrags zufrieden. Warum auch nicht? Hoffentlich erweist man sich auch im Landtagswahlkampf 2011 gegenüber Beck und dem unsäglichen Leiter seiner Staatskanzlei erkenntlich. Korruption? Nein: Win-Win-Effekt!

PS 3: In der offiziellen Sprachregelung (Politikerneusprech Stadelmaier) nennt sich dieser geschilderte Vorgang natürlich „grünes Licht für den AUSBAU der Internetpräsenz von ARD, ZDF und Deutschlandradio“

PS 4: Stadelmaiers bester Kumpel, Vorsitzender der SPD-Medienkommission und ehemalige NRW- Landtagsabgeordnete Marc Jan Eumann wurde in diesem schönen Land unter Ministerpräsidentin Hannelore Kraft nun Staatssekretär. Wofür? Natürlich für Medienfragen. Auch in Europa. In einer ersten Amtshandlung sorgte der fanatische Intermetsperren- Befürworter Eumann dafür, dass NRW entgegen der Wahlkampfaussagen von Rot/Grün dem Jugendmedienschutzstaatsvertrag (JMStV) zustimmte. Dies lässt für die Zukunft der NRW- Medienpolitik Schlimmstes befürchten.

10 Gedanken zu „Die Enteignung des Gebührenzahlers

  1. kar

    Ich möchte an der Stelle an mitlesende Mitpiraten und Mitpiratinnen aus NRW gerichtet, etwas Werbung zu einem leider aktuellen Thema machen.

    Lange Rede, kurzer Sinn: http://forum.piratenpartei.de/viewtopic.php?f=19&t=21678

    Vielleicht findet sich auch der ein oder andere, der in weiteren Landesverbänden neben NRW sinngemäße Diskussionen einbringt. Das solche Diskussionen überhaupt noch geführt werden müssen, zeigt, wie selbstverständlich rechtliche Bestimmungen wie Grundrechte im politischen Tagesgeschäft ignoriert werden. Und wie wenig Vorbild manche Stellen leider geworden sind.

    Wie sagte schon der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog:

    „Das kann doch nicht sein, dass der Bürger, der sich gesetzmäßig verhält, sich wie ein Idiot vorkommen muss.“ Treffender kann man das nicht sagen.

  2. kar

    Quellenangaben zu Stuttgart 21 bzw. dem U-Bahnpfusch in Köln:

    http://www.spiegelfechter.com/wordpress/4247/stuttgart-21-der-bahnhof-den-niemand-will-und-niemand-braucht
    http://www.stern.de/wirtschaft/immobilien/gefahr-fuer-leib-und-leben-stuttgart-21-architekt-fordert-den-sofortigen-baustopp-1596547.html
    http://www.an-online.de/dossier/detail-an/1220921%3F_link=zArchiveinst%26amp;skip=%26amp;_g=Der-U-Bahn-Bau-hat-die-Koelner-Severinstrasse-kaputt-gemacht.html
    http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,611410,00.html
    http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2010-02/koelner-stadtarchiv
    http://www.youtube.com/watch?v=kH6PTef5ICo

    Man sieht anhand der Entwicklung in Köln sehr wohl voraus, zu was es bei Stuttgart 21 kommen wird, sollte nicht endlich die Notbremse gezogen werden. Die Fakten, die teils jahrelang von Verantwortlichen aus Politik und Wirtschaft zurückgehalten worden sind, sind längst öffentlich.

  3. kar

    Es wundert mich, warum hier weniger auf Stuttgart 21 eingegangen wird.

    Dieses Projekt ist in höchsten Maße bedenklich. Auch die Methodik, die gegen friedliche Demonstranten eingesetzt wurde, ist ein Alarmsignal.

    In aller Klarheit, es geht um Menschenleben. Sollte nämlich dieses Stuttgart 21, was jetzt vorangebracht wird, genauso wie es aktuell geplant ist, kommen, dann wird dieser Tunnel genauso wie letztes Jahr ein Teilstück einer neueren U-Bahn-Verbindung in Köln in der Severinstr. einstürzen. Damals hat es in Köln Tote geben müssen. Auch sind geschichtsbezogen unschätzbar wichtige Kulturgüter aufgrund gröbster Fahrlässigkeit zerstört worden. Arbeiter haben tonnenweise Material, was für die Absicherung des Baus gedacht war, aus der Baustelle rausschmuggeln können, um diese anschließend auf Schrottplätzen verhökern zu können. Vielleicht haben Beteiligte keinen Mindestlohn gezahlt bekommen und die Leute wussten sich nicht anders zu helfen. Auch, wenn das. was die darauf hin für nötig hielten, nicht entschuldbar ist, das war eine mögliche Motivation, die es leider gab. Und da sollte man auch Ursachenforschung für zukünftige Bauvorhaben betreiben. Das währe in der Tat das mindeste, was angebracht ist. Von den anderen Konsequenzen, über die Verantwortliche mal nachdenken sollten, mal ganz zu schweigen.

    Der Architekt Otto, der eigentlich Mitentwickler der Idee zu Stuttgart 21 war, hat sich aufgrund der Gefahr für Leib und Leben der Anwohner der Baustelle rund um den Bahnhof zwischenzeitlich von dem Projekt Stuttgart 21 distanziert. Man fragt sich, wollen die Befürworter von Stuttgart 21 auch Tote für das Projekt in Kauf nehmen? Es hat in der Tat ein Geschmäckle, wenn wie hier umfassend für einen Weiterbau gegen alle sachlich vorgebrachte Hinweise auf Baumängel gekämpft wird. Man fürchtet öffentlich eine Gefahr für zukünftige Großprojekte? Dann sollte man diese von Anfang an so planen, das es in keinster Weise Gefahr für Leib und Leben von Anwohnern, Nutzern des Angebotes etc. geben wird! Großprojekte, bei denen andere Ziele größer gewichtet werden, sollten grundsätzlich in Frage gestellt werden.

    Zur Stunde wird es nach einer massiven Polizeigewalt gegen Kinder, Jugendliche und Alte, die, entgegen lügnerischer Behauptungen aus gewissen Kreisen, sehr wohl friedlich demonstriert haben, nicht zu einem Untersuchungsausschuss kommen. Von CDU/FDP ist man da einiges gewöhnt, aber das die SPD sich auch noch gegen einen Untersuchungsausschuss ausspricht, ist ein Skandal. Derzeit haben in Umfragen die Grünen eine Mehrheit, die bedeuten kann, dass diese nach der nächsten Landtagswahl für 4 Jahre den Misterpräsidenten in Baden Württemberg mit Juniorpartner SPD stellen können.

    Hier sollte aber die SPD Baden Württemberg, die einen Untersuchungsausschuss verhindert, bei der nächsten Wahl genauso wie CDU/FDP abgestraft werden. Einen umfassenden Denkzettel muss (und wird) es geben (, wenn man den letzten Umfragen glauben kann). Es wäre auch langsam Zeit. Und an der Stelle, wie kann es sein, das für Gerichtsverfahren gegen unsinnige Bauvorhaben, die für alles von Sachschäden bishin zu Gefahren für Leib und Leben von Anwohnern stehen, Rechte von Bürgern allen Ernstes eingeschränkt werden sollen? Man ist sich ja nicht einmal mehr dafür zu Schade, öffentlich über Regreßforderungen bei Klagen vor Gerichten, die vollauf berechtigt sein können, nachzudenken.

    —-> http://www.focus.de/finanzen/news/stuttgart-21-union-will-baugegner-zur-kasse-bitte_aid_560679.html

    Kommentar, bei Stuttgart 21 wird ein sehr hässliches Weltbild von manchem Politiker zu Lasten der Allgemeinheit offenbart, man nimmt sogar entgegen aller Warnungen nicht weniger Sachverständiger und zwischenzeitlich aufgrund von festgestellten Negativfolgen ausgestiegener Beteiligter, willentlich Gefährdungen von Leib und Leben von Anwohnern und Bahnkunden in Kauf. Wenn das das Verständnis von Großprojekten aus Wirtschaft und Politik sein soll, dann kann man auf diese Großprojekte getrost verzichten. Ich hoffe doch sehr, das zukünftig zu Großprojekten wieder soetwas wie Realität und Bodenständigkeit aufkommt. Und die Frage der Risiken für die Allgemeinheit sollte erst Recht eine Rolle spielen. Dann erst, wenn Risiken konsequent von Anfang an minimiert werden, kann und sollte erst über zukünftige Großprojekte geredet werden.

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  5. Martin Weigele

    Wer die tieferen Hintergründe zu diesem Treiben lesen will, wird bei Werner Rügemers Vortrag fündig: http://www.nachdenkseiten.de/?p=6946
    Werner Rügemer: Subvention, Korruption, Marktzerstörung

    Die Themen Rundfunkstaatsvertrag und Maut und Digitaler Polizeifunk und und und, ja sogar Stuttgart 21 – sie alle sind konkrete Ausprägungen der von Rügemer beschriebenen Situation, die in der Finanzkrise ihren vorläufigen, exzessiven Höhepunkt gefunden hat.

  6. DonnyK77

    Es tut weh zu wissen, dass große Teile eines „kollektiven Gedächtnisses“ einfach gelöscht werden.
    Dieser Vorgang ist auch eine Art Zensur. – Nein, es ist Zensur. Es ist ein politisches Verfahren zur Informationskontrolle.
    Und meist sind es die Menschen, die immer wieder laut nach Moral, Anstand und Sitte schreien und meinen andere Menschen vor den Ruchlosigkeiten dieser Welt schützen zu müssen, die zu höchst unmoralischen Mitteln greifen um andere zu kontrollieren und seine eigenen Interessen durch zu setzen.
    Es ist aber auch äußerst praktisch, zu verhindern, dass der Wähler sich bei der nächsten Wahl mit einem Mausklick „erinnert“, mit was für leeren Versprechungen er bei der letzten Wahl geködert wurde und gleichzeitig ein paar meinungsbildenden Lobbygruppen ein Geschenk zu machen.

    Danke für diesen Artikel, der nochmals etwas tiefer hinter die Kulissen blicken lässt.

    Anmerkung tauss: Gelöscht erfreulicherweise weniger. Aber keine Zugänge mehr. Erinnert mich irgendwie an eine moderne Version von Eccos Turm im “Namen der Rose”

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  8. kar

    „Was mich daran und an INDECT, ACTA etc. so maßlos ärgert ist die unsägliche Ignoranz der Bevölkerung bzw. der Wähler.“

    @manyota, Sie vergessen in Ihren Ausführungen die neue Debatte zu Softwarepatenten, gezogene Konsequenzen nach der letzten Loveparade, Stuttgart 21, sowie das Anliegen hinter dem Wort Domainneutralität. Da ist nämlich auch einiges aufzuarbeiten bzw. so mancher Filz dringendstmöglich im Sinne der Allgemeinheit zu benennen. Und nach meiner Auffassung ist es dringend erforderlich, auch Informationsvorenthaltungen im Zusammenhang mit Gerichtsverfahren schneller aufgeklärt werden muß. Im Zusammenhang mit Stuttgart 21 wurde das deutlich. Spätestens in dem Moment, wo sich ein Gericht mit Forderungen auf einen Baustopp beschäftigen musste. Es wurde ein Schreiben des Eisenbahnbundesamtes, was durchaus verfahrensrelevant war, von dem Rechtsanwalt der Deutschen Bahn AG nicht dem Gericht mitgeteilt. Ob wohl nach Eingang des Schreibens der Anwalt über Stunden mit dem Gericht telefoniert hat. Man hat erkennbar willentlich bzw. grob rechtswidrig Urkunden unterdrückt.

    In dem Zusammenhang ist auch interessant, das dies im Zusammenhang damit steht, das die Deutsche Bahn als Bauherr einen massiven Polizeieinsatz beantragte, infolge dessen hunderte Verletzte, davon mehrere Jugendliche und Alte. Hierzu wird zwar behauptet, es seien Pflastersteine von Demonstranten auf Polizeibeamte geworfen worden. Aber, das musste man schon zurücknehmen. Es werden möglicherweise auch hier Beweismittel unterschlagen. Immerhin filmt die Polizei selbst. Wenn also die Verantwortlichen behaupten, es habe das und das gegeben, wieso veröffentlichen diese nicht einfach das gefilmte Material. Wie man sieht, es wird viel behauptet, aber wenig bis gar nichts bewiesen. Und nach meiner Auffassung ist eine Spielwiese von Leuten, die umfassend für rechtswidrige Handlungen verantwortlich sind, nicht tragbar.

    Auch, wenn mich das Thema Stuttgart 21 zuvor weniger interessiert hat, ich finde, wenn für ein Projekt massivst rechtliche Bestimmungen mit Folgen für Leib und Leben der Anwohner ignoriert werden, man mit Drohungen und Gewalt vorgeht, dann hat sich dieses Projekt eigentlich überlebt. Kurz, ein Projekt mit solchen Vorzeichen braucht absolut niemand. PS: Ein Blogger führt in dem Zusammenhang unter der Überschrift „Britische Terrorwarnung kommt zu spät “ aus: „An Sonntag, dem 3. Oktober hat das britische Außenministerium eine Terrorwarnung ausgesprochen. In Deutschland gebe es, insbesondere in der Nähe von Bahnhöfen, eine erhöhte Gefahr für Leib und Leben.

    Also scheinbar haben die Briten einen sehr langsamen Geheimdienst, denn „Stuttgart 21″ war schon am 30. September, also am Donnerstag.“ hat der damit nicht schon recht?

  9. manyota

    hmpf…
    Was mich daran und an INDECT, ACTA etc. so maßlos ärgert ist die unsägliche Ignoranz der Bevölkerung bzw. der Wähler.

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