Archiv für den Monat: Juli 2015

SPD: Digital Irre. Von Maas und anderen Zumutungen.

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Ausgerechnet am 20. 6. 2015, dem Tag der Zustimmung des SPD- Parteikonvents  zur Vorratsdatenspeicherung, startete die SPD mit einem DISKUSSIONSPAPIER #DIGITALLEBEN eine weitere netzpolitische Diskussion mit vielen Fragen zu vielen Themen.

 

Wünschenswert wäre dem gegenüber allerdings, wenn diese Partei und deren Bundestagsfraktion nach 20 Jahren Diskussion, einem virtuellen Ortsverein, zwei Enquetekommissionen und vielen internen Beschlussfassungen tatsächlich einmal begänne, Politik im „Neuland“ zu machen, statt zur Selbstbeschäftigung stets dieselben Fragen zu stellen und Pseudodebatten ohne politische Relevanz zu führen. Doch davon ist die SPD weiter entfernt als entfernte Galaxien von dieser Erde.

 

Immerhin trübt dieser betrübliche Fakt nicht das Selbstbewusstsein. Schon im ersten Satz von DigitalLeben wird so kühn wie kategorisch festgestellt, die SPD sei gefordert und würde gebraucht. Ah ja. Wozu? Um der Diskussion willen zu diskutieren? Doch Digitales macht sich eben schick. So entdeckte auch Justizminister Heiko Maas, dessen Aussagen, wie zur Vorratsdatenspeicherung,  bekanntlich auch nur wenige Wochen Halbwertszeit haben, das Thema „Big Data“ am Beispiel des künftigen Autoverkehrs. So mahnte er schon vor Wochen Datenschutz bei vernetzten Autos“  an. In der Tat ein gutes Thema.

 

Allerdings wurde rasch festgestellt, dass auch Maas, wie sein Ministerium, einmal mehr wenig Konkretes in die Welt setzte. Was er zu tun beabsichtige, wurde nicht deutlich, sodass in ersten Diskussionsbeiträgen rasch festgestellt wurde: Maas kuscht. Wieder einmal.

 

Und was dazu „passt“: „Unser“ Justizminister verfolgt und beeinflusst noch nicht einmal den Diskussionsprozess in dessen eigener Partei. So tönte er lautstark gegenüber der Industrie: „Datenvermeidung und Datensparsamkeit müssen leitende Grundsätze sein“. Das wurde ihm aber allerdings rasch relativiert. Im SPD- Papier ist nämlich was ganz anderes zu lesen: Eine Politik, die einseitig auf Datenvermeidung und Datensparsamkeit setzt, würde die Chancen gefährden….., heißt es da. Was denn nun, Herr Minister? Zu sagen hat der Saarländer wohl wenig.

 

Denn in welche Richtung, abseits wohlfeiler ministerieller Reden, die Reise geht, wird aus den Änderungen deutlich, die das SPD- Diskussionspapier noch vor dessen Veröffentlichung erfahren hat. Vom Willy-Brandt-Haus, sprich von Adlaten des Parteivorsitzenden Gabriel, wurde schon in der Überschrift der Halbsatz gestrichen: Digitale Gesellschaft – Im Mittelpunkt steht der Mensch. Auch das ist nachvollziehbar. Schließlich steht der Mensch der SPD häufig im Weg.

 

Und so ist im weiteren Zusammenhang auch viel spannender zu lesen, was Sozialdemokraten aus deren digitalem Datenschutzpapier gestrichen haben, als das, was dann an Textbausteinen und zusammenhanglosen Fragen tatsächlich noch das Licht der Welt erblickte. Nicht mehr drin ist „verständlicherweise“ der Satz: Wir (Anm.:also die SPD) achten das Prinzip der Unschuldsvermutung und des Verbots der anlasslosen staatlichen Beobachtung, lückenlosen Ausforschung und allgegenwärtigen Kontrolle von Bürgerinnen und Bürgern.

 

Das zu schreiben  wäre für die Vorratsdatenspeicherungspartei SPD nach dem 20. Juni allerdings auch eine zu komische Formulierung und böte zu viel Stoff für Kabarett. Dass ein Begriff wie die Unschuldsvermutung, immerhin eine der tragenden Säulen eine Rechtsstaats, nicht mehr in SPD- Papiere des Jahres 2015 passt, kann allerdings schon nicht mehr kabarettistisch kommentiert werden. Es ist nur noch traurig. Die neue Version lautet statt dessen blumig und wenig verfassungsrelevant: Wir müssen in Deutschland die rechtlichen Weichen stellen, um das Innovationspotenzial von Daten voll auszuschöpfen.

 

Gestrichen: Die Menschenwürde

 

Zusätzlich werde die SPD „auch nach Wegen suchen, wie das neue geschaffene Internetgrundrecht mit Leben gefüllt werden kann“. Welches? Damit dies nicht zu heftig ausfällt wurden allerdings gleich noch weitere Bekenntnisse zum Grundgesetz entfernt. So formulierten die ursprünglichen Autoren aus der ehemaligen Rechtsstaatspartei SPD kühn:

 

Die Würde des Menschen ist unantastbar- nicht aber ein Geschäftsmodell. Aber selbst Artikel 1 des GG fand keine Gnade vor Gabriel und fiel dem Rotstift zum Opfer. Statt dessen heißt es nun als „Auftrag“: „Geklärt werden (muss), wie andere Datenbestände, etwa (anonymiserte) Daten zu Verkehrsflüssen ..geöffnet werden können….. Bei personenbezogenen Daten geht es vor allem um die Frage, ob diese in anonymisierter form genutzt werden können.“

 

Vor Jahren diskutierte die SPD noch über Anonymität und forderte diese ein. Gerade im Verkehr wäre dies möglich. Um Staus zu vermeiden, muss niemand wissen, wer in welchem Auto mit welchem Kennzeichen sitzt, sondern dass eben ein Fahrzeug von A nach B unterwegs ist. Jetzt sollen die Daten bestenfalls also noch „anonymisiert“ sein. Auf Deutsch: Es soll keine anonyme Erfassung der Verkehrsflüsse geben, sondern die halterbezogene Überwachung jedes Fahrzeugs, das auf unseren Straßen unterwegs ist. …Und diese Daten stehen dann, offen wie ein Scheunentor, von Europol bis BND, NSA etc. etc. beliebig den Diensten zur Verfügung.

 

Insofern passt dazu, dass im  Papier „DigitalLeben“ auch noch das zuvor noch postulierte Bekenntnis zur einer „Vermeidung von der zügellosen Ausforschung der Individualität Einzelner“ gestrichen wurde. Natürlich stören dabei auch Gerichte. Gabriels Zensoren  strichen folgenden Satz: wir müssen sicherstellen, dass die europarechtlich- und verfassungsrechtlich gewährleisteten Ansprüche auf informationelle Selbstbestimmung …ausreichend Beachtung finden.

 

Dafür will man nun statt dessen eine (staatliche) „starke und unabhängige Kontrolle“. Noch bevor man diese aber konkret benannte, wurde die ursprüngliche Forderung „nach einer entsprechenden Ausstattung dieser Stelle“ auch gleich wieder gestrichen.

 

Fazit: Die SPD hat schlicht aufgehört, Rechtsstaats- und Datenschutzpartei zu sein. Sie ist Digital Irre. Nicht nur wegen Gabriel und dessen Marionetten- Justizminister. Man könnte sagen: Not Found.The requested URL Rechtsstaatspartei SPD was not found.. Port 443

 

(die Papiere zum Diskussionsprozesses liegen mir vor)