Irgendwann hatte ich im Bundestag mal ein Trinkglas von Otto Schily erbeutet und ich bin seit dieser Zeit im Besitz seiner Fingerabdrücke. Selbstverständlich habe ich mir auch seine DNA besorgt. Zufällig traf ich ihn mal beim Friseur und ich konnte so auch noch eine Locke seines Haupthaars sichern. Er schüttelte auch sonst zu heftig den Kopf, wenn ihm deutlich gemacht wurde, dass Freiheit vor Sicherheit kommt.
Insofern kann ich der Union gar nicht so wirklich böse sein, wenn sie so permanent wie borniert Sicherheit und Freiheit vor sich herschiebt. Ex- Grüne – Sozialdemokraten sind nämlich um keinen Deut besser. Allein beim Gedanken an unser Grundgesetz, nach dem Freiheit eben aus gutem Grund vor Sicherheit kommt, fallen den Schily und deMaiziére – Typen immer Haare aus. Schon deshalb erfinden sie neue „Supergrundrechte“.
Jedenfalls erinnere ich mich Freude an das Gesicht Schilys, als ich ihm vor der SPD- Fraktion, Wochen nach meinem erfolgreichen Glasdiebstahl, mitteilen durfte, an meinen Tatorten künftig seine Fingerabdrücke und seine DNA- Spuren zu hinterlassen. Selbst Sicherheitsfachleute wie meine Ex- Genossen Edathy und Hartmann fanden damals, dass dies etwas weit ginge. Innenpolitiker konnten mich eben nie wirklich gut leiden. Spass machte es dennoch oder gerade deshalb. Soll niemand sagen, man erlebte als Abgeordneter im Bundestag keine vergnüglichen Stunden.
Doch die Fingerabdruckfetischisten haben sich dessen ungeachtet nie von ihrem biometrischen Wahn gelöst. Im Gegenteil. An allen Ecken und Enden sollen und müssen wir, auch dank der privatwirtschaftlichen Interessen Schilys, unsere Fingerabdrücke hinterlassen. Die Innenpolitik und unsere Polizei ist einfach intellektuell mit der simplen Vorstellung überfordert, dass eines der besten Beweismittel seinen Wert verliert, wenn wir beliebig und immer besser missbräuchlich einsetzbar unsere Fingerabdrücke allüberall abzuliefern haben.
Einen besonderen Unfug leistet sich dabei einmal mehr die EU mit ihren Schengen- Mitgliedsstaaten. Alle Nicht- EU- Reisenden über 12 Jahre müssen spätestens 2015 deren Fingerabdrücke bei Visa- Antragstellung abliefern. Bei einigen Staaten ist es schon soweit. Jetzt kommt, geplant ab Januar 2015, Belarus und Russland dran. Ausgenommen sind Mitglieder der Königshäuser.Welche auch immer damit gemeint sind.
Das wirft ganz praktische Probleme auf. Ein Kinder- und Jugendaustausch mit Russland wird so praktisch unmöglich. Welche Schulklasse (wie gesagt ab Alter 12) reist schon vor einer Reise hunderte Kilometer ins gelobte Deutschland vorab Wochen zuvor per Bus oder Flieger nach Moskau oder Minsk, um, wie vorgeschrieben, zuvor alle Abdrücke aller zehn Finger abzuliefern? Nur an eine Einschränkung haben die Bürokraten gedacht: Wer unpraktischerweise einen Finger verloren hat muss für diesen keinen Abdruck hinterlassen. Danke!!
Umgekehrt wird sich Russland jetzt demnächst natürlich in gleicher Weise revanchieren: Selbstverständlich wird auch dort künftig verlangt werden, dass alle Einreisenden aus der EU erstmal alle Abdrücke aller vorhanden Finger einfordern. Natürlich dann auch China, Nordkorea etc.
Stück für Stück kommen also unsere bösen Feinde, wie schon heute der Schurkenstaat USA, in den Besitz unserer Fingerabdrücke. Selbstverständlich werden sie einem besten Datenschutzregime unterworfen. Sollte künftig mein Fingerabdruck irgendwo auftauchen werde ich also auf Bush oder Putin oder einen anderen geliebten Führer verweisen. Oder besser: Mit Handschuhzen gleich die Schily- DNA austreten. Sorgt wenigstens für ermittlungstechnische Verwirrung 🙂
PS:
Die Einführung des VIS (Visa) Informationssystems klappt laut Auswärtigem Amt jetzt doch noch nicht ab Januar 2015. Sie bitten noch um etwas Geduld, wie ich gerade während des Schreibens dieser Zeilen erfahre. Da habe ich doch gerne Geduld 🙂
Guter Tip: Bekannte in Russland sollten also noch vor März deren Visa beantragen. Es erspart den Fingerabdruck. Wie gesagt: Aus technischen Gründen. Nicht aus Vernunftgründen, die bei dieser EU kaum Berücksichtigung finden dürften.