Der Tag begann ganz furchtbar. CSU.net um die berühmte netzpolitische Staatsfrau Doro Bär hat mich „gespamblockt“. Meine Welt bricht zusammen. Bisher kannte ich das ja nur von kommunikationsunfähigen Piraten wie dem Berliner twitter-Verweigerer Lauer und seinen anderen Ministalinisten. Aber nun gut. Das Leben ist hart und man versteht, warum sich Brüder und Schwestern im Geiste, also Bär und Lauer, parteiübergreifend so gut verstehen. Man hat einfach ein Problem mit abweichenden Meinungen.
Aber kommen wir zum Kern der Auseinandersetzung, wegen der man mich heute in beliebiger Folge mal als Troll (Grüne) oder als Spammer (CSU) desavouierte. Hintergrund ist, dass ich einfach nicht in den gemeinschaftlichen schwarz-rot-gelb-grün-röter gehaltenen Jubel über die Arbeit der endlich beendeten Internet- Enquetekommission einstimmen will. Das geht aber auch nun gar nicht. Wo kämen wir auch hin, wenn man parlamentarisch verordnetem Jubel nicht folgen mag?
Dass ich mit meiner Kritik an dieser Alibi- Enquete von der ersten Minute an Recht hatte beweisen nur leider deren Ergebnisse. Es sind fleißige Bestandsaufnahmen fürs Bücherregal ohne Wirkung. Nur EIN kleines Beispiel: Kürzlich diskutierte der Landtag NRW das Thema Medienkompetenz. Der Landtag kam nicht einmal auf die Idee, dass es da einen ordentlichen Enquetebericht auf Bundesebene zum Thema geben könnte. Ich habe ihn auf Bitten einer Fraktion in Papierform hingeschickt. War mir das Porto wert. Wie gesagt: Nur EIN Beispiel, dass die Enquete noch nicht einmal im parlamentarischen Raum kommuniziert wird. Schade um die Arbeit.
Nun ist nicht verwunderlich, dass jene, welche die (Fleiss-)Arbeit leisteten, das anders sehen. Das ist menschlich sogar nachvollziehbar. Wer gibt schon gerne zu, für den Papierkorb gearbeitet zu haben? Dass man aber politisch von Seiten der Opposition noch nicht einmal ansatzweise erkennt, mit dieser Enquete Schwarzgelb als Deckmantel für mehrjährigen netzpolitischen Stillstand und Rückschritt in Deutschland gedient zu haben, ist mehr als erstaunlich.
Statt dessen werden gemeinschaftlich und parteiübergreifend die nicht vorhandenen Erfolge gefeiert. Dies geschieht so penetrant, dass es selbst die Welt bemerkt. Es scheint irgendwie natürliche Aufgabe von Netzpolitikern zu sein, Hoffnung zu wecken, wo bestenfalls Tristesse vorherrscht. Das eigene Scheitern einzugestehen wäre, gerade nach dem so traurigen wie klassischen Modellfall Leistungsschutzrecht, wohl zu viel verlangt.
Nun soll es also in der nächsten Legislaturperiode ein Staatsminister und ein ständiger Internetausschuss des Deutschen Bundestages richten. Toll. Das wird der staunenden Öffentlichkeit als wahre politische Innovation präsentiert. Doch noch nicht einmal die Idee ist neu. Die Piraten forderten 2009 wenigstens noch einen InternetMINISTER. Was aber sind Staatsminister? So heißen die parlamentarischen Staatssekretäre im Bundeskanzleramt und im Auswärtigen Amt, weil sich Staatsminister eben noch besser anhört als Sekretär.
Die Ministerien erzittern…
Als parlamentarische Staatssekretäre oder analog als Staatsminister werden solche Abgeordnete mit Dienstwagen und Fahrer bezeichnet, die nach allgemeinem Beamtenverständnis Arbeiten erledigen, die ohne sie gar nicht erst anfielen. Parlamentarische Staatssekretäre werden jene, die für ein Ministeramt vor allem aus regionalem Proporz nicht zum Zuge kommen aber in den Fraktionen noch wichtig genug sind, etwas in der Bundesregierung mitspielen dürfen. Aus 15 Jahren Bonn und Berlin fallen mir aus vielen Dutzend dieser Figuren höchstens drei, vier Namen parlamentarischer Staatssekretäre ein, die tatsächlich als politische Schwergewichte zu werten waren.
Ein solcher Staatsminister soll nun also endlich die Netzpolitik in Deutschland voranbringen. Schön. Nehmen wir mal an, zu Zeiten der großen Koalition wäre dieser ins Kabinett eingebundene Internetstaatssekretär bei Otto Schily erschienen und hätte diesen höflich ersucht, im Interesse des Netzes auf die Vorratsdatenspeicherung zu verzichten. Da hat Schily bekanntermaßen schon ganz anderen Leuten Aktenordner hinterhergeworfen. Oder unser braver Internetsekretär, wahlweise gerne Staatsministerin, erschiene im Justizministerium und reklamierte die Zuständigkeit für das Urheberrecht. Oder im Wirtschaftsministerium für die Netzneutralität. Oder die IT- Forschungsförderung im Ministerium für Bildung und Forschung….. Oder, oder oder…..
Die Ministerien erzitterten und erbebten monatelang – vor Frau/ Herrn Internetstaatsminister und zuförderst vor allgemeinem Gelächter.
Auf die Idee eines solch albernen Konstrukts zu kommen zeigt, dass die selbsternannten Netzpolitiker in den Fraktionen von realer Politik weniger Ahnung haben als damals die jugendlichen Piraten – Newcomer im Jahre 2009. Die wussten wenigstens, dass nur ein Ministerium mit weiten Aufgabenübertragungen aus den Bereichen Innen, Wirtschaft, Forschung, Justiz etc. tatsächlich netzpolitisch etwas bewirken könnte. Sonst nicht. Daher wäre die Umsetzung der Forderung nach einem Internetstaatsminister als reine Alibiveranstaltung so gefährlich und wirkungslos für die Netzpolitik wie es diese Enquete war.
Noch deutlicher: Wer einen Internetstaatssekretär will hat netzpolitisch kapituliert und veralbert die Öffentlichkeit mit Schattenzirkus.
Und wer diese schlichte Wahrheit und nüchterne Benennung eines schlichten Sachverhalts verleugnet, mag im politischen Ränkespiel eventuell sogar selbst irgendwann Internetstaatsminister spielen dürfen. Für Netzpolitik ist es das Letzte, was es braucht.
Was wäre die Alternative? Egal wer regiert: Wer netzpolitisch etwas bewegen will, muss es bereits in die Koalitionsvereinbarung schreiben. Für Bürgerrechte, gegen Vorratsdatenspeicherung, gegen die Abmahnlobby, gegen die Contentmafia, gegen Leistungsschutzrechte und für eine freiheitliche Wissensgesellschaft. Haben die braven Netzpolitiker, die jetzt die Öffentlichkeit so eklig täuschen, dazu Einfluss und Kraft? Leider nein.
Und wer dies sagt, ist dann natürlich ein Troll (Grüne). Oder ein Spammer (CSU). Aber in Wahrheit wissen die Herrschaften genau, dass die Kritik berechtigt ist. Und Wahrheit tut weh. Also wird geblockt. Gähn. Die Debatte, werte ehemalige Kolleginnen und Kollegen, gewinnt man so aber nicht.