Archiv für den Monat: Dezember 2012

Steinbrück & Co

Ansehensverlust „der Politik“?  Abwendung der Bevölkerung von „der“ politischen Kaste? Gar Hass auf „das Politische“, wie der Focus schreibt? Eher erstaunlich ist, dass sich „die“ Politik darüber zu wundern scheint. Denn sicher geschieht dabei „der Politik“ auch Unrecht. Denn korrupter ist „die Politik“ in Deutschland in den letzten Jahren nicht geworden. Deutlich wird nur, dass die Regierungskoalition Transparenz bei den Nebeneinkünften ihrer Abgeordneten verweigert und dass der §108e StGB (Abgeordnetenbestechung) nicht an internationale Antikorruptionsabkommen angepasst wird.

Schon die Debatten darüber führen zur berüchtigten Politikverdrossenheit, da Mauscheleien heute eben das grelle Licht der Öffentlichkeit erreichen, wo sie früher im Dunklen blieben. Das ist das eigentliche Pech für die Wulffs oder Steinbrücks. Raffkes und Wichtigtuer fielen früher einfach weniger auf. Denn was ist schließlich der Urlaub in der Villa eines Millionärskumpels gegenüber einem Franz Josef Strauss, der es im Amt vom einfachen Landrat, Abgeordneten, Verteidigungsminister und Ministerpräsidenten zum Multimillionär brachte? Trotz seiner natürlich nicht geringen Einkünfte aus öffentlichen Kassen könnte er dies niemals schaffen. Seine Deals in die eigene Tasche, vor allem mit Hilfe der Rüstungsindustrie, wären mit den heutigen Möglichkeiten der Kontrolle einer sensibilisierten Öffentlichkeit nicht mehr möglich.

Und da sind wir eben aktuell wieder bei Leuten wie Wulff oder Steinbrück, welche das nicht verstehen wollen oder können. Darf ein Politiker keine Freunde haben, die einem uneigennützig eben mal ne Menge Geld leihen jammerte Wulff. Dürfen Sozialdemokraten kein Geld verdienen, klagte Steinbrück. Ihr Pech ist es, neben den Guttenbergs eben in der falschen und für sie tödlichen medialen Öffentlichkeit des Internet Politiker geworden zu sein. Ein FJS wäre in dieser Welt so heute nicht mehr möglich. Das mag den Genannten zum kleinen Trost gereichen.

Steinbrück hat kein Projekt

Ist Geld verdienen verwerflich? Grundsätzlich NEIN. Aber es kommt eben darauf an. Unappetitlich kann schon die Nähe zu den Geldgebern werden. Dies betrifft nicht nur Anwaltskanzleien, von denen man sich Gesetze schreiben und Vorträge finanzieren lässt.

Steinbrücks Problem ist aber noch ein ganz anderes. Er verdient bereits nach seinem Amt als Finanzminister und nebenher als MdB. Das ist ihm nicht unbedingt vorzuwerfen, wenngleich es eher eine schwarzgelbe Spezialität ist. Vorwerfen kann man ihm aber seine daraus resultierende Vernachlässigung des Abgeordnetenmandats, zumal er nicht aus der Politik ausscheiden wollte und das höchste Regierungsamt anstrebt. Sein Engagement in der Finanzkrise, also seine Kernkompetenz, blieb jenseits von Vorträgen oberflächlich. Das lässt auf mangelnde Ernsthaftigkeit schließen. Insgesamt fehlt ihm daher ein Projekt, für das er glaubhaft stünde. Es kommen keine Antworten, wofür er steht oder wofür er wenigstens einmal namhaft spendete. Er sagt immer das, was ihm gerade einfällt oder was ihm Parteitagsredenschreiber an Nettigkeiten auflisten.

Schröder stand noch engagiert für etwas, mag man nun dessen Agenda 2010 befürworten oder ablehnen. Selbst der unsägliche Geschäftemacher FJS stand wenigstens für bayerische Folklore und die Schlitzohrigkeit, den damaligen DDR-Oberen und Devisenbeschaffern bayerische Fleischreste verkauft zu haben. Wulff stand nur noch für sich selbst und seine Wichtigtuerei. Steinbrück steht für Nichts.

Ein ehemaliger NRW- Ministerpräsident und dortiger Bundestagsabgeordneter hat eben die Verantwortlichen der Stadtwerke einer bankrotten Stadt zu fragen, ob sie noch ganz dicht sind, wenn sie ihm ein Honorar von 25.000.– Euro für ein abendliches Referat andienen wollen. Das wäre nicht nur eine Frage politischen Anstands, sondern eine schlichte Selbstverständlichkeit.

Mit gerührter Stimme beklagt aber dieser Steinbrück auf SPD-Parteitagen dann lieber und berechtigt die schwierige Lage von Studierenden auf dem Wohnungsmarkt. Prima. Das Studentenwerk Bochum hätte mit 25.000.– Euro schon beim einen oder anderen dieser Probleme von Studierenden helfen können. Diese Rede lässt bei mir aber schon deshalb den Kamm senkrecht schwellen, weil ich wochenlang hinter ihm her rannte, um im Rahmen des damaligen Konjunkturprogramms ein paar Milliönchen für studentischen Wohnungsbau zu ergattern. Tatsächlich konnte so wenigstens nach langem Kampf etwas Geld für energetische Sanierungen in Studentenwohnheimen gepumpt werden. Aber viel lieber steckte man die Mittel tausendfach verpufft in die wenig nachhaltige Abwrackprämie.

Und hier sind wir beim Steinbrück- Problem. Er interessiert sich nicht wirklich für die realen Probleme von Menschen. Deutlich wurde dies zuletzt auch an seinem 5.– Euro Fauxpas, als er seine Weingewohnheiten mit einer Kindergelderhöhung in Zusammenhang brachte. Das Beispiel war nicht nur wegen des Themas unpassend. Ihm fehlt als Sozialdemokrat offensichtlich jedes Gespür dafür, dass es in manchen Familien besonderer Anlässe bedarf, sich auch für „nur“  5.– oder 10.–  Euro mal wieder einen ordentlichen Wein zu leisten.

Insofern kann Merkel kalt lächelnd mit dem Verweis auf ihre ausreichenden Bezüge punkten. Und sie lenkt dank dieser Eskapaden unseres deutschen Mitt Peer Romney vom eigentlichen Treiben ihres Kabinetts und von schwarzgelber Korruption ab. In dieser Gemengelage entsteht in der Tat Hass auf die Politik. Die Wirkung ist grauenvoll, sagt Parteienforscher Falter. Leider richtig.

Klarnamen

Der vielseitige Klaus Peukert, Mitglied des Piraten Bundesvorstands, Tugendwächter, Mobber, Gegner „jüdischer Nasen“ und Repräsentant der „datenschutzkritischen“ Spackeria innerhalb der Piratenpartei, hat Facebook – Aktivitäten des schleswig-holsteinischen Datenschutzbeauftragten Thilo Weichert aufs Korn genommen.

http://www.tarzun.de/archives/531-Datenschutztheater,-Dezembervorstellung.html#content

@Tarzun kritisiert im Wesentlichen (und natürlich ausnahmsweise nicht zu Unrecht), dass sich der deutsche Datenschutz vor allem um ein kalifornisches Unternehmen kümmere, statt sich der Klarnamensdebatte insgesamt zu stellen. Diese Kritik habe ich mit der Bitte um Stellungnahme an Thilo Weichert weiter gegeben. Sie erfolgte prompt:

 Lieber Jörg Tauss,

 auf Deine Mail kann ich Dir Folgendes antworten: Dem ULD ist bekannt, dass viele Unternehmen, auch mit Sitz in Deutschland, die Telemedien anbieten, Klarnamen verlangen. Beschwerden hierzu, insbesondere solche, bei denen der Wohnsitz der BeschwerdeführerIn in Schleswig-Holstein ist, liegen uns nur zu Facebook vor. Von den Beschwerdeführenden wurde uns mitgeteilt, dass wegen einer pseudonymen Meldung die Konten geschlossen wurden. Derartig weitgehende Maßnahmen sind mir von anderen Unternehmen, selbst vom globalen Konkurrenten Google+, nicht bekannt. Facebook hat sich dem ULD gegenüber zur Schließung derartiger Konten bekannt und behauptet, § 13 Abs. 6 TMG sei europarechtswidrig und für das Unternehmen nicht anwendbar. Entsprechende Positionen sind mir von anderen Unternehmen nicht bekannt.

Ich gestehe dem Autor Klaus Peukert zu, dass es im Internet mehr Datenschutzverstöße mit ULD-Zuständigkeit gibt, als wir im ULD aufgreifen können. Wir würden gerne mehr tun. Hierfür werden uns aber leider von der Politik nicht die nötigen Ressourcen bereitgestellt. Deshalb müssen wir im Rahmen unserer Opportunitätserwägungen eine – für den Datenschutz möglichst wirkungsvolle – Auswahl vornehmen.

Ich habe nichts dagegen, wenn Du diese meine Position dem Autor Klaus Peukert mitteilst oder auch diese Stellungnahme selbst verbreitest.

Gruß mit Wünschen für ein frohes Weihnachtsfest und ein gesundes und glückliches Jahr 2013

Thilo Weichert

Anmerkung: Die Schließung von „Konten“ bei Google+ ist schon deshalb nicht möglich, weil man dort ohne Klarnamen von vorn herein keinen Account bekommt…. Dies ist auch einer der Gründe, weshalb ich die zahlreichen „Einladungen“ zu diesem Verein nicht angenommen habe. Dessen ungeachtet habe ich meinen facebook Account aufgegeben, nachdem man von mir dort, ohne Beantwortung von entsprechenden Rückfragen zu den Gründen, eine Kopie meines Personalausweises übermittelt haben wollte. Eine Ausweispflicht gegenüber us-amerikanischen Unternehmen lehne ich aber sehr entschieden ab.

Anmerkung 2: Zur Klarnamensdebatte insgesamt erhielt ich nun auch noch die ergänzende Stellungnahme Weicherts, die ich gleichfalls im Wortlaut zitiere:

Lieber Jörg Tauss,

in meiner soeben versandten Mail hatte ich es unterlassen, auf Deine zweite Frage zu antworten: Die Klarnamendebatte in der deutschen Politik verfolgen wir hier im ULD mit großer Sorge. Dabei kommt oft eine massive Unkenntnis von politisch Verantwortlichen zum Ausdruck. Das ULD hat sich in diese insbesondere auf Bundesebene geführte Debatte bisher nicht aktiv eingeschaltet. Die verfassungsrechtliche Situation sollte spätestens seit der Spick-mich-Entscheidung des BGH eigentlich glasklar sein. Unser Angriff auf die Klarnamenpflicht von Facebook kann als unser Beitrag zu dieser Debatte verstanden werden.

Gruß
Thilo Weichert