Eigentlich plätscherte alles ganz friedlich vor sich hin. Beim diesjährigen Politcamp in Berlin („Netz trifft Politik“) bekamen die Piraten Berlin einen eigenen Programmpunkt zum Thema „1 Jahr Abgeordnetenhaus“. Mit von der Partie: Die Vertreter anderer Fraktionen und die beiden Piraten – Fraktionsvorsitzenden Andreas Baum und Christopher Lauer.
Doch statt die Chance zu nutzen, Inhalte zu transportieren und den Ruf als Chaostruppe zu entkräften, sorgte Lauer für einen Eklat. Auf die durchaus freundlich und bestenfalls ironisch gemeinte Anmerkung des Berliner Landespolitikers Sven Kohlmeier, die Kommunikation mit den Piraten sei gelegentlich wegen deren ständiger Handynutzung, selbst während eines Gesprächs, schwierig, rastete Lauer aus.
Warum tue ich mir diesen Scheiss an, verbreitete er noch via twitter und verschwand unter lautstarker Abgabe wirrer Erklärungen vom Podium und aus dem Gebäude. Das Publikum reagierte berechtigt mit völligem Unverständnis und Buhrufen. Schon zuvor war ihm aufgefallen, dass Lauer die Veranstaltung zu trollen beabischtigte. In behäbigster Art, die an eine miese Kopie des frühen Joschka Fischer erinnerte, provozierte er die Anwesenden ab dem ersten Moment seines verspäteten Eintreffens mit Gesten und deutlich vorgetragenem Desinteresse.
Sichtlich gelangweilt kommentierte er wichtige Fragen mit „Nö“ und Gebrumm, während er weiter an seinem Handy spielte. Der neben ihm sitzende Baum, sichtlich um Sachlichkeit und Entspannung bemüht, konnte einem leid tun. Denn die anderen Parteien, einschließlich CDU, Grüne und SPD gingen mit den Berliner Piraten an diesem Nachmittag schon bis zur Langeweile wohlwollend um.
Ausdrücklich wurde ihnen bescheinigt, frischen Wind ins Abgeordnetenhaus gebracht und zumindest die beiden regierenden Volksparteien nicht nur netzpolitisch vor sich hergetrieben zu haben. Nicht erwähnt wurde von den politischen Konkurrenten der holprige naive Start mit einer nicht nur medial verunglückten Auftaktreise von Teilen der Fraktion nach Island nach der sensationellen Berlinwahl. Nichts vom Skandal, dass die Bewerber um Jobs als Mitarbeiter im Abgeordnetenhaus durch eine „Datenschutzpanne“ des damaligen Fraktionsgeschäftsführers dilettantisch geoutet wurden. Lauer damals: „Das ist doch kein Problem“. Wie bei einigen Piraten üblich, wurde ganz im Stile der Politik 1.0 auch dieser Vorgang damals vertuscht und beerdigt.
Niemand thematisierte beim Politcamp das schon systematische Mobbing innerhalb der Berliner Piraten, welches Lauer zu Lasten seines Vorgängers neben Baum überhaupt erst an die Spitze der Fraktion gespült hatte. Niemand sprach die üblen Intrigenspielchen einiger Fraktionsmitarbeiter gegen gewählte Abgeordnete an. Keiner die Tatsache, dass Mitglieder der Fraktion andere Piraten mit Abmahnungen bekriegen . Und dennoch rastete die „Diva“ wegen dieser minimalen Kohlmeier-Spitze aus.
Sein Abgang wurde von mrtopf in Ermangelung eines Streams noch geistesgegenwärtig gefilmt und bei Youtube hochgeladen. Man sieht darauf, wie Lauer noch im Stehen Podium und Publikum trollt und dann den Saal verlässt.
Selten wurde wohl ein eher wohlgewogener Saal durch einen Piraten so nachhaltig peinlich berührt. Die Piraten Berlin, von denen sich welche sofort via twitter für den überflüssigen Eklat entschuldigten, haben nicht nur dieses lauernde Personalproblem. Christopher Lauer ist die tickende Zeitbombe, welche das ganz Piraten-Schiff spätestens zur Bundestagswahl zum Kentern bringen kann. Schade, wenn ein so wichtiges politisches Projekt am Psychotrip der Lauer-Truppe scheiterte.