Ich wünsche allen einen guten Rutsch ins Jahr 2010 und alles Gute für dieses neue Jahr. Jörg Tauss
Archiv für den Monat: Dezember 2009
Schöne Feiertage! Und guten Appetit mit Orangenmarmelade ;)
Allen Leserinnen und Lesern von tauss-gezwitscher wünsche ich ein angenehmes Weihnachtsfest. Ich bedanke mich bei vielen Menschen für viel Solidariät und Unterstützung im zu Ende gehenden Jahr.
Auf twitter, facebook und neuerdings bei formspring erreichen mich viele interessante, wohlwollende, kritische und wichtige Anregungen und Anfragen. Auch hierfür bedanke ich mich sehr herzlich!
Eine Frage betraf jahreszeitbedingt mein Orangenmarmeladerezept (Orange- Campari), das ich natürlich gerne veröffentliche. Auf die Marmeladenidee bin ich gekommen, weil wir vom Piraten- Infostand zur Vorratsdatenspeicherung in Karlsruhe eine Kiste Orangen übrig hatten (selbstverständlich von mir auch bezahlt!) und ich ein großer Fan von Orangenmarmelade bin. Nicht jeder mag den bitteren Geschmack der britischen Original- Rezepte. Deshalb habe ich einen Kompromiss zwischen süss (deutsch) und bitter (britisch- us-amerikanisch) versucht. Probiert und experimentiert nach Geschmack selbst. Man kann ja fast nichts kaputt machen. Im übrigen gibt’s hunderte Rezepte zum Thema, die man „ergoogeln“ kann:
Zutaten für ca. 6- 8 mittlere Marmeladengläser:
2 kg Orangen (am besten unbehandelt), 1 – 2 kg Gelierzucker (je nach Geschmack und Wunsch nach längerer Haltbarkeit), 1 Grapefruit (unbehandelt), 2 Zitronen, 50g Orangeat (auch verzichtbar!), Grapefruitsaft, Orangensaft, Wasser, Campari.
Zubereitung:
Die Orangen und die Grapefruit werden geschält und in kleine Stücke geschnitten. Weisse Haut bestmöglich entfernen. Alles in einen Topf geben, in dem die Früchte mit Flüssigkeit (1/3 Orangensaft, 1/3 Grapefruitsaft, 1/3 Wasser) knapp bedeckt werden. 1 gewürfelte Orange wird separat mit Campari bedeckt und wie der Topfinhalt eine Nacht lang kühl gestellt. Die Schalen von zwei bis drei unbehandelten (!) Orangen werden geschält (ohne WEISS!!!), in kleine Streifen geschnitten und ebenfalls in Campari eingelegt. Zitronen auspressen und deren Saft in den Topf geben, ebenso die Campariorangenschnitze und die Schalenstreifen. Alles zusammen ca. 1/2 Stunde mit dem Gelierzucker und dem Orangeat vermengt kochen lassen, zwischendurch mit dem Handmixer die kochende Masse ggf. etwas pürieren (Hinweise: Je mehr Gelierzucker verwendet wird, desto süsser die Masse und die Dauer der Haltbarkeit verlängert sich. Das Verhältnis Fruchtmasse zu Gelierzucker sollte aber maximal 1:1 betragen, aber weniger ist manchmal mehr ;))) . Beim KOCHEN bitte am Herd dabei bleiben, weil überkochende Marmelade eine wunderbare Sauerei in der Küche mit sich bringt (getestet!). Die fertig gekochte Orangenmarmelade randvoll in bereitstehende Gläser füllen, die vorher nebst Deckel mit heissem Wasser gespült wurden. Bitte keinen Sauerstoff mehr im Glas lassen! Gläser auf den Kopf gestellt auskühlen. Guten Appetit!
Tipp:
Je mehr Schalen verwendet werden, desto bitterer der Geschmack. Für die englische Marmelade verwendet man Bitterorangen (Pomeranzen) und in der Regel normalen Zucker statt Gelierzucker. Die Herstellung ist insgesamt aufwändiger als bei meinem Rezept.
Auf Madagaskar habe ich eine Orangenmarmelade gegessen, die mit Pfeffer, Peperoni und Chilli verkocht war. Ein hervorragende superscharfe Beigabe zu exotischen Reisgerichten!!
SPD- Abschied vom Zugangserschwerungsgesetz?
In der unendlichen Geschichte des Zugangserschwerungsgesetzes will sich die SPD- Bundestagsfraktion nun von ihrer eigenen Gesetzgebung und Blamage verabschieden:
http://www.heise.de/ct/meldung/SPD-wendet-sich-gegen-Internet-Sperrgesetz-884257.html
„Schluss mit dem Gewürge“ forderte jetzt der neue stellvertretende Fraktionsvorsitzende, Olaf Scholz, der allerdings entgegen aller Warnungen und ungeachtet der Petition gegen „Zensursula“ das Gesetzgebungsverfahren innerhalb der Bundesregierung schon im April des Jahres mit durchgewunken hatte.
Aber auch er hätte es besser wissen können: Der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages formulierte „verfassungsrechtliche Bedenken“. Ein Expertengespräch des Unterausschusses Neue Medien zeigte schon im Spätherbst 2008 deutlich, dass mit Ausnahme des Bundeskriminalamts (BKA) und von selbsternannten „Jugendschützern“ niemand das Vorhaben verteidigte.
Fanatische Befürworter des Gesetzes, allerdings ohne jegliche Nennung zutreffender Fakten, waren neben anderen Organisationen die von ihre Skandalen ablenkende UNICEF und der „Kinderschutzbund“. Diese Organisationen behaupteten unter anderem schlicht wahrheitswidrig und unter Berufung auf das BKA , „dass kinderpornografische Inhalte immer und überall verfügbar seien“ (Helga Kuhn, UNICEF Deutschland). Erstaunlich, dass diese Organisationen aber von den Kritikern des Vorhabens mit grosser Chuzpe stets „Sachlichkeit“ verlangten.
Die Familienpolitiker der SPD- Bundestagsfraktion machten sich diese „Argumente“ allerdings zu eigen. Kerstin Griese, damals Vorsitzende des Ausschusses Jugend und Familie, sagte mir unverblümt, „wir bedienen eben auch eine Szene, zum Beispiel UNICEF“.
http://www.unicef.de/index.php?id=5700
Professor Sieber vom Max-Planck-Institut für internationales Strafrecht und andere Stimmen der Vernunft forderten dem gegenüber vor einem derartigen Gesetzgebungsverfahren gegen diese von Union, BKA, Presse und den genannten Organisationen angeheizte öffentliche Stimmung vergeblich einen umfassenden gesellschaftlichen, rechtlichen und technischen Dialog.
Missbrauchsopfer (MOGIS Verein) wandten sich ebenso gegen #Zensursula wie Datenschützer, der CCC, Wissenschaft und Wirtschaft (Providerverband ECO, der Verband Bitcom, die Gesellschaft für Informatik (GI) etc.). Auch sie fanden kein Gehör.
Mir gegenüber hatte die SPD- Fraktionsführung im internen Gespräch allerdings wenigstens ihr Wort gegeben, „dass man der Union nicht entgegenkommen wolle, sondern das Gesetz von der Agenda genommen werde und somit wohl in die Diskontinuität falle“ (Thomas Oppermann, 1. Fraktionsgeschäftsführer). Um zur Erreichung dieses Ziels die Union nicht zu „provozieren“ wurde ich sogar darum gebeten, nicht an der Anhörung zum Gesetzgebungsverfahren teilzunehmen.
Man kannte also die Probleme. Dennoch wurde auf dem SPD- Bundesparteitag am 14. Juni eine Debatte über das Zugangserschwerungsgesetz verhindert und die Beratung eines von Boehning, Mönikes und anderen eingebrachten Antrages gegen Zensursula von Franz Müntefering als „medial unerwünscht“ verhindert.
Gleichfalls aus Angst vor der Presse forderte Peter Struck am 16. Juni die Fraktion auf, dem Vorhaben zuzustimmen. Zitat: „Bedenkt, was morgen in der Presse und in BILD zu lesen ist, wenn wir das heute ablehnen.“ 13 junge Bundestagskandidaten warnten in einem Schreiben vor dieser Argumentation: „Ihr tauscht die begrenzte Gefahr einer negativen „BILD“- Schlagzeile mit der unbegrenzten Gefahr des Verlustes der Glaubwürdigkeit bei einer ganzen Generation.“
http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/0,1518,666745,00.html
Dennoch ging man der Union blind auf den Leim. Der damalige Innenminister Schäuble äußerste im Oktober 2009 in entwaffnender Offenheit, dass das Gesetz auch deshalb entstanden sei, „um die Union gegenüber anderen Parteien abzusetzen.“ Er sprach zugleich von „handwerklichen Fehlern“.
Alle Bedenken, die Scholz heute gegen das Machwerk der Frau von der Leyen äußert, sind und waren richtig: Das Gesetz sei „populistisch“, die Internetsperren „ineffektiv, ungenau und ohne weiteres zu umgehen.“ So zumindest berichteten heise und SPON.
Trotz dieser, jetzt auch von Scholz vorgetragenen Argumente, haben am 18. Juni des Jahres nur zwei (!) Bundestagsabgeordnete der SPD neben mir gegen das Gesetz gestimmt (Steffen Reiche und Wolfgang Wodarg). Alle anderen Fraktionsmitglieder wollten Gegenargumente allerdings nicht hören.
Deshalb hatte ich im Deutschen Bundestag am 18. Juni nochmals und ein letztes Mal als Mitglied der SPD- Bundestagsfraktion das Wort ergriffen:
http://www.youtube.com/watch?v=DwuZS8H4k2w
Nach dieser Rede schlug mir aus dieser Fraktion, der ich immerhin fast 15 Jahre angehört hatte, wie auch schon während der Diskussion in der Fraktionssitzung zwei Tage zuvor, offener Hass entgegen. Zwei Tage später zog ich aus diesen Vorgängen die Konsequenz und trat, auch aus Protest gegen die Missachtung der Petenten um Franziska Heine, aus der SPD aus und der Piratenpartei bei.
Nachtrag:
Die persönlich Verantwortlichen für das Desaster sind weiterhin SPD- Abgeordnete und mit Ausnahme von Franz Müntefering und Peter Struck, der nicht wieder für den Bundestag kandidierte, in ihren Ämtern verblieben. Namentlich nenne ich Thomas Oppermann als 1. Fraktionsgeschäftsführer, Martin Dörmann als „Verhandlungsführer“ gegenüber der Union, Christl Humme als stv. Fraktionsvorsitzende und Karen Marks als Sprecherin für Jugend und Familie. Alle drei „Abweichler“ gehören dem Deutschen Bundestag nicht mehr an.
Dass sich nun ausgerechnet Dörmann gegen Zensursula ausspricht, ist nur noch mit dem Begriff Chuzpe zu umschreiben:
http://www.spd-fraktion.de/cnt/rs/rs_dok/0,,50129,00.pdf
Was Herr Dörmann nun genau meint, bleibt aber auch nach Tagen noch unklar: „Löschen STATT sperren“ oder „Löschen vor Sperren“ ??? :
http://www.netzpolitik.org/2009/spd-heute-wieder-loeschen-vor-sperren/
Der klassische Kompromiss, den Dörmann sicherlich als Erfolg bei Verhandlungen mit der Union feiern würde, hiesse „Löschen UND sperren.“(Vorsicht: Ironie mit Wahrheitsgehalt 😉 )
Augen zu, vertraue mir!
Bundesinnenminister de Maiziére wirbt wie die Kanzlerin um „Vertrauen“ für die staatliche Internetpolitik. Nicht einmal dumme Schafe vertrauen Wölfen. Damit könnte eigentlich schon alles gesagt sein.
Doch will ich an dieser Stelle in der kommenden Zeit Stück für Stück dokumentieren, wie seit den 90iger Jahren durch immer mehr staatliche Überwachung und inkompetente Netzpolitik das Vertrauen in die politisch Handelnden verloren ging.
Seit dem Achtungserfolg der Piratenpartei bei der Bundestagswahl hört man jetzt bis hin zur Bundeskanzlerin neue Töne. Doch die Wölfe haben lediglich Kreide gefressen. Zensursula ist nur vorübergehend vom Tisch und SWIFT, die Auslieferung aller Bankdaten der Bürger an die USA, war erst in diesen Tagen ein deutlicher Beleg dafür, dass sich nach dem eklatanten netzpolitischen Versagen von „Rot“ in den Jahren 1998 – 2009 auch unter Schwarz- Gelb nichts ändern wird und „Vertrauen“ fehl am Platz wäre.
Da vieles davon leider auch schon wieder vergessen ist, haben die Piraten Aachen verdienstvollerweise eine „Giftliste“ der Massnahmen der vergangenen Jahre zusammengestellt. Diese ist hier zu finden:
http://www.piratenpartei-aachen.de/sites/default/files/giftliste_v21.pdf
Hierzu habe ich ganz am Ende dieses Artikels die kleine Geschichtskunde zum Abbau der Bürgerrechte mit negativen und leider nur wenigen positiven Beispielen angefügt.
Doch zum Einstieg in dieses traurige Kapitel soll auch der Humor nicht zu kurz kommen. Florian Bernstorff hat mich via facebook auf das Dschungelbuch hingewiesen, wo das schlängelnde Dschungeltierchen bei Mogli um dessen Vertrauen warb. Der Text könnte aus der Feder der Redenschreiber unserer Kanzlerin entsprungen sein:
Hier Angela Merkel in ihrer Ansprache als Schlange KAA an die liebe „Internetgemeinde“:
„Hör‘ auf mich, glaube mir. Augen zu, vertraue mir! Schlafe sanft, süß und fein. Will Dein Schutzengel sein! Sink‘ nur in tiefen Schlummer, schwebe dahin im Traum. Langsam umgibt Dich Vergessen, doch das spürst Du kaum! Hör auf mich und glaube mir. Augen zu, vertraue mir! Hör auf mich, glaube mir! Augen zu, vertraue mir.“
Link zum Original in englischer Sprache :)) Viel Spass
http://www.youtube.com/watch?v=-T0I5UepXMA&sns=em
Die Geschichtskunde zum Abbau der Bürgerrechte sei mit der interessanten Debatte zum Thema Kryptografieregulierung begonnen…..
Fast vergessen, weil bis heute ernsthaft nicht wieder aufgenommen, ist die erfolgreich beendete Auseinandersetzung um eine „Krypto-Regulierung“ in Deutschland. Dabei war dieser Erfolg keinesfalls selbstverständlich. Auf Druck des damaligen Innenministers Kanther beabsichtigte die Bundesregierung im Jahre 1997 nach heftigen politischen Auseinandersetzungen, die es seit 1995 übrigens selbst innerhalb des BMI gab, Kryptografie in Deutschland quasi zu verbieten (Verschlüsselungen sollten allenfalls und für den Export mit schon damals leicht zu knackenden Schlüsseln in der Stärke von nur 56 Bit DES zulässig sein).
Über die Auseinandersetzungen berichtete die Computerwoche in ihrer Ausgabe vom 4. April 1997: http://www.computerwoche.de/heftarchiv/1997/14/1097998/ .
Parallel sollte jeder angewandte Schlüssel zentral beim Staat hinterlegt werden (Key Recovery). Selbst PGP- Verschlüsselungen ohne hinterlegten Schlüssel, wie er mit PGP 5 vorgesehen war, wären somit letztlich quasi illegal gewesen. Sicherheitsbehörden hätten auf diese hinterlegten Schlüssel jederzeit Zugriff gehabt. Mit Hilfe dieser Massnahmen sollte laut Kanther Kriminellen die Möglichkeit genommen werden, Mitteilungen und Festplatten zu verschlüsseln. Unsere Gegeneinwände waren damals verfassungsrechtlicher Art (Art. 10 Abs. 1. GG, Vertraulichkeit der Kommunikation) und die für kriminelle Elemente einzusetzenden technischen Möglichkeiten, eine solche Regulierung leicht zu umgehen.
Benachteiligt wäre also lediglich der gesetzestreue Bürger gewesen, der seine Daten nicht mehr im erforderlichen Mass hätte schützen können. Auch Wirtschaft und Forschung hätten beliebig Opfer von Forschungsspionage werden können. Nicht wenige Kritiker unterstellten damals wohl berechtigt den USA, genau dies mit einer Kryptoregulierung in Wahrheit auch bezwecken zu wollen. Namentlich der damalige US- Vizepräsident Al Gore übte erheblichen internationalen Druck aus, zu einer Regulierung zu kommen. Die US- Regierung ernannte dafür 1996 eigens einen Sonderbotschafter (David Aaron), der damals weltweit Regierungen und aufmüpfige Abgeordnete auf us- amerikanische „Linie“ bringen sollte. Zur us- amerikanischen Kryptokontrollpolitik nahm damals die FITUG http://www.fitug.de/news/1998_99/aaron.html kritisch Stellung.
Ein breites Bündnis aus Datenschützern, Wirtschaft, Wissenschaft und Bürgerrechtlern konnte damals jedoch letztlich die Kryptoregulierung verhindern. Auf Kanthers Seite stand am Ende der gut vorbereiteten Auseinandersetzungen niemand mehr – ausser dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), das sich entgegen eigener und entgegengesetzter interner Einschätzungen dem Druck seines „Dienstherrn“ beugen musste. Das BSI befürwortete eine Kryptoregulierung. Auch dieser Vorgang zeigt, dass das BSI aus dem Verantwortungsbereich des Bundesministeriums des Inneren herausgelöst werden muss.
(….wird fortgesetzt….)
Gegen das wissenschaftsfeindliche alte Urheberrecht
„Erst mussten die Studierenden dank SchwarzGelb Studiengebühren zahlen. Dafür versperrt ihnen SchwarzGelb jetzt auch noch den Zugang zu digitalen Bibliotheken“ (Jörg Tauss für die Piratenpartei vor Studenten in Darmstadt)
Studierende und Lehrende dürfen laut OLG Frankfurt/M. an elektronischen Leseplätzen der Uni- Bibliotheken künftig keine Dateien mehr ausdrucken oder selbst abspeichern!
Dies ist ein schwerer Schlag gegen eine moderne Wissens- und Informationsgesellschaft. Aus diesem Grunde muss jetzt die politische Auseinandersetzung zur Beseitigung des analogen Steinzeiturheberrechts in Deutschland mit SchwarzGelb aufgenommen werden.
Ein erster Schritt zur Information der Öffentlichkeit, auch im Vorfeld der nächsten Landtagswahl in Nordrhein- Westfalen, muss die öffentliche Mobilisierung für die beim Deutschen Bundestag aktuell vorliegende Petition mit bisher über 15.000 Unterzeichnern sein:
„Wissenschaft und Forschung – Kostenloser Erwerb wissenschaftlicher Publikationen“ vom 20. 10. 2009 ( https://epetitionen.bundestag.de/index.php?action=petition;sa=details;petition=7922 ).
Die Zeichnungsfrist für diese Petition endet allerdings bereits am 22. 12. 2009.
Politisches Handeln ist nötig, da das merkwürdige letztinstanzliche Urteil des OLG Frankfurt ( http://tinyurl.com/yjom4o4 ) auch unmittelbare Folge einer vom Börsenverein und seiner Lobbyisten im Parlament durchgesetzten schwammigen Gesetzgebung ist. Dies ist auch Auswirkung des jahrelangen Kampfes dieser Kreise gegen die notwendige Reform des Urheberrechts. Nach diesem Urteil im „Namen des Volkes“ wird jeder mit 250.000.– Euro Strafe oder 6 Monate Haft bedroht, der Studierende oder Lehrende an elektronischen Terminals in der Uni Bibliothek Texte ausdrucken lässt. Satire? Nein! Das ist der reale Stand der Informations- und Wissensgesellschaft Deutschland im Jahre 2009.
Verlagsinteressen werden mit Wissenschaftsinteressen verwechselt
Damit wurde von der alten Bundesregierung sogar gegen den Koalitionsvertrag verstoßen, der ursprünglich eine wissenschaftsfreundliche Reform des Urheberrechts vorsah. Als „wissenschaftsfreundlich“ wurden jedoch in der Folgezeit nur die Verlagsinteressen interpretiert, die mit der Publikation öffentlich geförderter Forschung Geld verdienen und dann der Wissenschaft deren eigene Forschungsergebnisse überteuert „zurückverkaufen.“ Selbst elektronische Leseplätze in den Bibliotheken wurden deshalb drastisch reglementiert und begrenzt.
Zypries & Co als Verlagslobbyisten
Zu diesem Urteil trug in der abgelaufenen Legislaturperiode jedoch vor allem die Mutlosigkeit der damaligen Justizministerin Zypries bei, die bei der letzten Reform des Urheberrechts, dem so genannten „2. Korb“, kläglich versagte. Über die damaligen Auseinandersetzungen in der SPD- Bundestagsfraktion mit Zypries berichteten u. a. das Handelsblatt ( http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/spd-fraktion-lehnt-neues-urheberrecht-ab;1054405 ) und heise ( http://www.heise.de/newsticker/meldung/SPD-Medienexperte-fordert-Nachbesserungen-bei-der-Urheberrechtsnovelle-112593.html ) .
Innerhalb der Unionsfraktion gehörte vor allem der NRW- Bundestagsabgeordnete und heutige stellvertretende CDU/CSU- Fraktionsvorsitzende, Dr. Günter Krings (Mönchengladbach), zu den Reformverhinderern. Seit Jahren bekämpft er mit seiner Fraktion verbissen wissenschaftsfreundliche Urheberechtsreformen ( Beispiele aus dem Jahr 2003 http://www.ub.uni-dortmund.de/listen/inetbib/msg11140.html ).
Aber auch die damalige Oppositionsfraktion FDP hatte sich, sogar selbst deren Mitglieder im Bundestagsausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, im Bundestag wie im Bundesrat stets als Interessenvertreterin der Verlage gegen die Interessen von Wissenschaft und der Studierenden verstanden.
Die daraus jetzt resultierenden Folgen sind der Stellungnahme der Technischen Universität Darmstadt ( http://tinyurl.com/ydo3k7u ) zu entnehmen. Bibliotheksinnovationen der letzten Jahre werden durch dieses skandalöse Urteil zu einem schwammigen Gesetz sinnlos zerstört.
Zu diesem vorläufigen „Sieg“ des Stuttgarter Ulmer Verlags vor dem OLG Frankfurt/M. über die Universität Darmstadt hatte ich Matthias Ulmer nach dem Triumphgeschrei des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels ( http://www.boersenverein.de/sixcms/detail.php/349347 ) kurz & knapp das Nachstehende geschrieben:
Sehr geehrter Herr Ulmer,
mit Interesse habe ich Ihren Kommentar zu den berechtigten Anmerkungen Professor Kuhlens zum Urteil des OLG Frankfurt gelesen ( http://www.inf.uni-konstanz.de/netethicsblog/?p=202 ).
Auch wenn ich Ihnen natürlich sportlich fair zu Ihrem „Sieg“ gratulieren muss, teile ich Herrn Kuhlens Einschätzung vollständig. Auch ich gehe – vor allem für Ihren Verlag – von einem Pyrrhussieg aus.
Dass Sie sich auf das Gesetz berufen, belegt allerdings eine nicht geringe Chuzpe Ihrerseits. Der Wille des Gesetzgebers war anders, wenngleich ich zugeben muss, dass Ihre beste Lobbyistin, die damalige Justizministerin, alles getan hat, diesen Willen bei der Gesetzgebung zum 2. Korb nicht klarer zum Ausdruck zu bringen. Dass ausgerechnet die im Wahlkreis von Frau Zypries gelegene Universität Darmstadt nun das Opfer des analogen Urheberrechtswahns der Dame wurde, entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie.
Ich hoffe jedenfalls, dass Universitäten und Wissenschaft nun endgültig aufwachen und die Kriegserklärungen der Verlage und von Teilen der Politik an eine moderne Informations- und Wissensgesellschaft zu Ihren Ungunsten angemessen beantworten. Ihre Freude über das Urteil wird im Interesse der deutschen Wissenschaft bis hin zu den Studierenden hoffentlich nur von kurzer Dauer sein.
Mit freundlichen Grüßen
Jörg Tauss
MdB von 1994 – 2009
Soweit dieses Schreiben. Doch wie gesagt:
Es darf jetzt nicht beim Protest bleiben! Dem Börsenverein, einigen Steinzeitverlagen und deren Lobbyisten muss im Interesse des Wissenschaftsstandorts Deutschland endlich mit einem neuen Urheberrecht und mit Open Access begegnet werden.
Da aber ja nicht nur Verlage wie Ulmer um sich schlagen. sondern sich auch die Musikindustrie mit ihrem Prozess- und Abmahnunwesen zunehmend zu einem gesellschaftlichen Problem entwickelt, an dieser Stelle auch ein interessanter Link zum Thema „Filesharing“ , Beitrag des CCC:
http://www.zeit.de/digital/internet/2009-12/ccc-filesharing-gaycken?page=all
KEIN Antrag auf LAN-Party Verbot in Ettlingen
++++ Eilmeldung +++
Stadtrat Jürgen Maisch hat mitgeteilt, dass der Antrag zurückgezogen wird. Man wolle den Dialog! Dies ist eine äußerst begrüßenswerte Entwicklung!
LAN- Party- Verbote auch in Ettlingen?
Der populistische Unfug geht weiter! Stadtrat Jürgen Maisch von den Freien Wählern hat in den Rat der Stadt Ettlingen einen Antrag eingebracht, künftig LAN- Partys mit „Killerspielen“ zu verbieten. Schon in der nächsten Woche (Dienstag, 8.12.2009) soll in öffentlicher Sitzung darüber beraten werden. Ich habe Herrn Maisch daher wie folgt angeschrieben:
Sehr geehrter Herr Maisch,
mit Bedauern habe ich Ihren Antrag für den Ettlinger Stadtrat für ein LAN- Party- Verbot mit so genannten „Killerspielen“ zur Kenntnis genommen. Um es deutlich zu sagen: Ettlingen muss eigentlich nicht jeden Unfug mitmachen, der schon im Karlsruher Stadtrat diskutiert wurde.
Die von Ihnen konstruierten Zusammenhänge mit Winnenden sind zu simpel, um sie für eine Bevormundung erwachsener Menschen in Ihrer Stadt zu missbrauchen. Dabei muss auch nicht alles herangezogen werden, was man gelegentlich in den BNN liest, wo ein Redakteur des Südwestechos in dieser Frage äußerst einseitig berichtet und kommentiert. Eine Sachverständigenanhörung im baden- württembergischen Landtag mit tatsächlichen Experten auf dem Gebiet der Medienwirkungsforschung führte kürzlich zu ganz anderen Ergebnissen.
Da da das Thema aber sehr komplex ist, rege ich an, den Antrag zurückzuziehen, sich vor möglichen populistischen Beschlussfassungen im Rat vorab sachkundig zu machen und auch einmal mit den Gamern in Ihrer Stadt selbst zu reden. In der Region ist genügend Fachkunde vorhanden.
Ein Schreiben von mir zum Thema an die Innenminister habe ich angehängt. Vielleicht ist der eine oder andere Aspekt für Sie dabei auch interessant. Für Fragen stehe ich gerne zur Verfügung.
Viele Grüße
Jörg Tauss
Anhang http://jaccomat.net/net/jtauss/dl/2009-06_Brief-Innenminister.pdf
Adnan und Emin seit Juli in Haft
So ein gemütlicher Adventssonntag ist eine ganz gute Gelegenheit an Leute zu denken, die wie Adnan und Emin wegen nichts anderem als wegen ihrer freien Meinungsäußerung als Bürgerrechtler, als Blogger oder Internetaktivisten inhaftiert sind.
Leider geraten solche Menschen nach einer Anfangsaufregung in unserer schnelllebigen Zeit oft wieder in Vergessenheit. Darauf spekulieren die menschenverachtenden Polizeistaaten wie Aserbaidschan, die Mullahs im Iran oder in anderen Teilen der Welt. Deshalb erlaube ich mir immer wieder, ohne die „twitteria“ und andere damit nerven zu wollen, gerade auf den Fall von #EminAdnan aufmerksam zu machen.
Und sicher freut sich das Regime auch weiterhin über Post, und Mails an die Botschaft office@azembassy.de , die nach Baku weitergeleitet werden können. Wer Lust und Zeit hat, kann sich die Vorgänge noch einmal vor Augen führen http://tinyurl.com/ybzc73e . Herzlichen Dank für Solidarität an dieser Stelle übrigens auch noch einmal ausdrücklich im Namen der Familien und der Freunde der Inhaftierten.
Zum Vorgang erschien in „der Freitag“ zum Jahreswechsel 2009/ 2010 der nachstehende Artikel , der die Ereignisse nochmals gut zusammenfasst:
http://www.freitag.de/datenbank/freitag/2009/52/aserbaidschan-opposition-internet-bloggerszene/print
Von Minaretten und Terrorismusfurcht
Forscht man nach den Gründen einer Minarettablehnung, ist oft quer durch die Bevölkerung, auch bei uns, eine sehr diffuse Türken,- Islam- und Islamistenangst feststellbar. „Hassprediger“ in deutschen Moscheen scheinen offensichtlich Freitag für Freitag in Deutschland zum heiligen Krieg aufzurufen und der Beobachter wundert sich, dass die solcherart Agitierten anschliessend gemütlich Tee trinken oder friedlich nach Hause gehen, statt schon seit Jahren Amok zu laufen, die deutsche Bevölkerung zu massakrieren oder wenigstens schweizerische Gipfelkreuze zu eliminieren.
Erst heute versäumte BILD es in der Minarettdebatte erneut nicht, darauf hinzuweisen, dass einer der Attentäter vom 11. September in Hamburg „die Moschee“ (mit oder ohne Türmchen?) besuchte. Es ist erst wenige Jahre her, dass der hessliche Ministerpräsident Roland Koch mit einer an Verlogenheit und Falschdarstellungen kaum zu überbietenden Agitation am Beispiel des „Doppelpasses“ die hessische Bevölkerung für sich und ganz eindeutig „gegen türkische Ausländer“ mehrheitlich mobilisieren konnte.
Unsere „Minarettabstimmung“ hatten wir also schon – bis hin zur Leitkulturdebatte. Dies sei denen gesagt, die anklagend auf die Schweiz zeigen. Erstaunlich oft begegneten mir in den letzten Tagen sogar junge Leute, die plötzlich völlig irrational argumentieren. Selbst nach eigener Einschätzung weltoffene Dönerverspeiser äußern sich plötzlich in einer Form, die sich nur nur noch in Sprachgewandtheit und Rechtschreibung vom einfachen brandenburgischen Dorfnazi unterscheidet. „Passt nicht hierher“ ist ein oft gebrauchtes Argument.
Wer aber legt bitte in einer pluralen weltoffenen Gesellschaft in der Mitte Europas heute fest, was passt und was nicht hierher passt? Der Turm an der Moschee, der Punk auf dem Marktplatz, der frühstückende Flashmob in Braunschweig? Natürlich darf und muss (!) man sich mit religiös begründeten Auswüchsen von der Scharia bis hin zu „Ehrenmorden“ irre gewordener männlicher Familienangehöriger kritisch auseinandersetzen und diese auch verabscheuen. Doch steht weder die Moschee noch ein Minarett für Terrorismus, Ehrenmorde oder fehlende Integration. Beide stehen so wenig dafür, wie der katholische Dorfkirchturm heute für Hexenverbrennungen steht. Die Aufgeregtheit der Debatte um dieses „Symbol“ ist dessen ungeachtet auch mit real existierenden und überhaupt nicht zu leugnenden Integrationsproblemen erklärbar, für die sich beide „Seiten“ jeweils trefflich unterlegt Schuld zuweisen können.
Die hauptsächliche Ursache hierfür wird dabei aber noch immer aus der gesellschaftlichen Diskussion in Deutschland peinlich ausgeblendet. Diese besteht aus der unter Führung der Unionsparteien aus ideologischen Gründen jahrzehntelang gepflegten Behauptung, „Deutschland sei kein Einwanderungsland.“ Nun sind aber eben Menschen islamischen Glaubens bei uns zwischenzeitlich über Generationen hinweg zugewandert. Dazu passt „treffend“ der Satz von CDU- Rechtsaußen Bosbach, „wonach das Ergebnis der Volksabstimmung Ausdruck einer auch in Deutschland weit verbreiteten Angst vor einer Islamisierung der Gesellschaft sei“. Wie heuchlerisch! Wie verlogen! An dieser Angst schürte Bosbach bis heute kräftig mit, indem auch er jedes „Terrorvideo“ eines spätpubertierenden „Islamisten“ nicht nur vor Bundestagswahlen zur realen Terrorwarnung hochstilisierte. Diese Warnungen versetzen Deutschland seit Jahren in einen gruseligen Dauerzustand antiislamischer Stammtischhysterie. Aus diesem Grunde ist auch eine jetzt veröffentlichte Untersuchung äußerst interessant, die mit der Formulierung „Terror- die inszenierte Gefahr“ gut beschrieben ist.
Stück für Stück weisen Wissenschaftler der Universität Jena ohne jede Beschönigung realer Gefahren nach, wie das Bild des Islam letztlich durch die Berichterstattung über religiös verbrämten Terrorismus geprägt wird. Thematisiert werden, so der Kommunikationspsychologe Professor Frindte, nicht die Ursachen von Terror, sondern die Massnahmen gegen ihn. Und hier wird es interessant: Fremdenfeindlich eingestellte Personen, die Muslime generell ablehnen, befürworten auch verschärfte Sicherheits- und Überwachungsmassnahmen im so genannten Kampf gegen den Terrorismus. Die Ablehnung von Muslimen wird von solchen Menschen gerade mit „islamistischer“ Gefahr begründet. Dazu trägt die medial inszenierte Terrorgefahr bei.
Vielleicht passen deshalb Minarette ja doch zu uns: Als Symbol dafür, dass es noch Bürgerrechte gibt- auch für Minderheiten islamischen Glaubens. Wer heute Bürgerrechte für Minderheiten schützt, muss möglicherweise morgen nicht um seine eigenen Rechte fürchten.