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Verdummerin als Königin des Netzes

Gestern sorgte die CSU- twitterin und Staatsfrau Dorothee Bär wieder einmal für Kurzweil und Popcorn pur:

@DoroBaer: Schön,dass die bayerischen Bürgerinnen und Bürger #Seehofer folgen und die Studiengebühren abschaffen wollen..

Wie bitte? Dass Seehofer und die CSU diese Studiengebühren einführten und noch im November 2012 im bayerischen Landtag vehement die semesterweise 500.– Euro- Abzocke bei den Studierenden verteidigten, ficht nach dem Motto des Geschwätzes von gestern eine DoroBaer doch nicht an.

Wer ist denn nun diese Dorothee Bär geborene Mantel? Bereits während ihres Studiums wurde sie CSU- Bundestagsabgeordnete. Irgendeine berufliche Erfahrung ist nicht vorzuweisen. Dennoch wurde sie auch in den Beirat der Rhön-Kliniken berufen und damit auch stellvertretendes Mitglied im Gesundheitsausschuss des Bundestages. Die Rhön-Kliniken sind mit der CSU ohnehin gut vernetzt. Karl-Theodor zu Guttenberg besass beispielsweise Anteile, die er dann für 260 Millionen Euro veräußerte. Auch Guttenbergs Uni Bayreuth unterhielt gute Beziehungen zu Rhön. Bekannt wurde ein 747.000.– „Kooperationsvertrag“. Ausgerechnet mit Guttenbergs alter Rechtsfakultät. Kein Wunder, dass der studierende CSU-Mann aus adligem Haus  in Bayreuth zunächst so gut angesehen war. Jetzt also hält Bär die Rhön – Kontakte nach Bayern und Berlin lobbyistisch aufrecht.

Doch nicht gesundheits- sondern vor allem netzpolitisch fiel die stellvertretende CSU-Generalsekretärin auf. Auf sie geht das CSU_net zurück. Sie ist auch Vorsitzende des CSU-Netzrats, seit Netzpolitik schick ist. Kritisch äußerte sie sich daher auch zur Vorratsdatenspeicherung und zur Entfernung öffentlich-rechtlicher Inhalte nach sieben Tagen.  Mit dem Berliner Piraten-Abgeordneten Lauer schäkert sie gerne auf twitter, was dessen politische Bedeutung natürlich unterstreicht.

Weniger gerne schäkerte sie, wenn es um konkrete Arbeit im Bundestag ging. Als Obfrau von CDU/CSU nahm sie selten an unseren vorbereitenden Sitzungen im Unteraussschuss Neue Medien teil und schickte, höchst ungewöhnlich, regelmäßig eine Mitarbeiterin. Um überhaupt eine vernünftige Arbeit im Gremium zu ermöglichen, wurde dies von den anderen Fraktionen, welche die Sprecher entsandten, brummelnd akzeptiert. Denn die Nichtanwesenheit war schadlos. Eigene Ideen und Initiativen brachte Bär ohnehin nicht ein.

 

Die Linksaußen der SPD wollten das Internet zum rechtsfeien Raum machen…

 

Als es 2008 mit „Zensursula“ konkreter wurde, änderte sich dies. Hier war sie plötzlich pro Netzsperren außerordentlich aktiv. Sie verlangte beispielsweise, die Kinderpornoshow des Bundeskriminalamts, auch durch die Pressevorführungen der Ursula von der Leyen bekannt geworden, im Unterausschuss Neue Medien vorzuführen. Keine andere Fraktion gab sich dafür her.

Heute lässt sie sich in CSU-Netzkreisen dafür lieber so verlogen wie abgebrüht feiern, dass das Zugangserschwerungsgesetz wieder abgeschafft wurde. Dabei hatte sie zunächst nicht nur zugestimmt, sondern für das Gesetz mit Vehemenz geworben. Markus Beckedahl von netzpolitik.org hat das 2009 erfreulich klar dokumentiert.

Es verwundert nicht, dass bei so viel Wendigkeit gerade die CSU gerne für den elektronischen Radiergummi ist. Denn nicht nur bei Studiengebühren ist das Bär-CSU-Gedächtnis kurz. Zitieren wir die geläuterte Gegnerin von Zensursula von damals, als die SPD-Bundestagsfraktion gegen mich und für Zensursula entschied. Nochmals der Originalton Bär:

 „Unter Berufung auf eine angebliche Internetzensur durch den Staat wollten die Linksaußen in der SPD durchsetzen, dass das Internet zum rechtsfreien Raum wird. Die SPD wäre dadurch Gefahr gelaufen, Straftaten im Internet Vorschub zu leisten, von der Vergewaltigung und Erniedrigung kleiner Kinder bis hin zu Urheberrechtsverletzungen in breitestem Ausmaß gegenüber Künstlern und Kreativen. Allen engagierten Streitern gegen das abscheuliche Verbrechen der Kinderpornografie ist angesichts des Scheiterns der SPD-Linken ein Stein vom Herzen gefallen. Wir fordern daher die SPD-Fraktion auf, das Gesetz nun zügig zu verabschieden – im Interesse der Kinder. Dabei machen wir – gerade als Medienpolitiker – ganz klar: Zugangssperren im Internet müssen und werden einzig und allein auf kinderpornographische Seiten beschränkt bleiben.“

Auch beim Urheberrecht sieht sie das mit dem rechtsfreien Raum, ganz modern, nun auch nicht mehr so verbissen. Außer Pressemitteilungen sind von ihr innerhalb der Union jedoch keinerlei parlamentarische Initiativen für ein modernes Urheberrecht bekannt. Sie sei gegen das Leistungsschutzrecht, tönte Bär vor einem Jahr bei iRights. Als „Abwegig, nicht praktikabel, völlig absurd, schädlich“ kritisierte sie das schwarzgelbe Projekt, das im Februar mit ihrer Fraktion durch den Bundestag gepeitscht werden soll. Jetzt ist nichts mehr von ihr zu hören. Sie ist im aktuellen Gesetzgebungsverfahren völlig abgetaucht. Selbst bei der Anhörung des Rechtsausschusses wurde die leidenschaftliche Gegnerin des Projekts LSR nicht gesehen. Wie immer, wenn es heiß wird.

Bei der letzten CSU- Klausur in Wildbad Kreuth gab es erneut ein klares Bekenntnis der Partei zur Vorratsdatenspeicherung. Nichts dazu von der VDS-“Gegnerin“ Bär. Dies geschehe im Hintergrund, twitterten ihre CSU-Fanboys. Nö. Es ist ganz einfach: Bär hat in der Union nichts zu bestellen. Das Urheberrecht machen die Hevelings und Krings, die Vorratsdatenspeicherung die Uhls und den Rundfunk der Landtag.

Diese rote Linie durchzieht die gesamte Arbeit „der Königin des Netzes“ (Stammtischjubel des BayerischenRundfunks). Täuschen und tarnen beherrscht sie perfekt. Und  so plappert die CSU-Königin weiterhin endlos so unbedarft wie unwirksam vor sich hin. Nach 7 Tagen dürfen gemäß 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag die öffentlich-rechtliche Beiträge im Netz nicht mehr auffindbar sein (siehe tauss-gezwitscher: Die Enteignung des Gebührenzahlers). Auch gegen diese „Depublizierung“ ist Bär. Natürlich. Doch es war wiederum der Freistaat Bayern, der zusammen mit dem Beck-Land Rheinland-Pfalz den Unfug eindealte. Von Bär hörte man damals nichts dazu. Auch denkt niemand in der CSU-Landtagsfraktion daran, auf Bärs Vorstoß einzugehen, der allein wieder auf die Verdummung der (Netz)Öffentlichkeit und nicht auf politische Veränderung eines Missstands  ausgerichtet war.

Peter Piksa brachte es in einem Tweet an @DoroBaer gestern auf den Punkt:

Wissen Sie, was mich anwidert? Wenn durch Parteimitgliedschaft Befangene (wie Sie) die Bürger „so“ augenfällig für dumm halten.

Dem ist am Beispiel Bär und CSU nichts hinzuzufügen.

 

 

Meine 10 schlimmsten Niederlagen als MdB

Ein (übrigens sehr tüchtiger!) Mitarbeiter der grünen Bundestagsfraktion hat kürzlich auf twitter und nach Meckereien von mir gefeixt, ich hätte mich im Bundestag doch immer durchgesetzt. Zitat:

 JoernPL ‏@JoernPL @tauss ich denk, du hättest Dich immer durchgesetzt?!? Früher und so.

Nette Ironie. Gefällt mir. Aber bevor ich sarkastisch unterlegte Legende werde, oute ich mal meine schlimmsten Niederlagen im Zeitraum 1994 – 2009, sofern es sich um meine Zuständigkeitsbereiche als MdB gehandelt hat. Deshalb sind die Punkte nur individuell und nicht gesamtpolitisch zu sehen (falls jemand zur Recht viel wichtigere politische Themen aus jener Zeit bis hin zu Krieg und Frieden vermisst): :

  1. Das Telekommunikationsgesetz. Hier hatte ich es gegen die Telekomlobby in der SPD-Fraktion nicht geschafft, statt der ISDN-Merkmale einen breitbandigen Universaldienst zu verankern.
  2. Die „Multimediagesetze“ des Bundes und der Länder. Damals ging es mit dem Unfug los, das Internet dem Rundfunk gleichzusetzen. Sendezeiten im Internet und so….
  3. Der große Lauschangriff. Da habe ich ganz kläglich versagt und ließ mich von den Innenpolitikern (damals zum letzten Mal allerdings) täuschen (es wäre das Ende der Fahnenstange und so..) Was danach kam waren immer schlimmere Schritte, auch in der Strafprozessordnung.
  4. Der Hackerparagraph. Hier hat sich mein Lieblingsfeind am Bundesgerichtshof durchgesetzt, der den Rechtsausschuss entsprechend bequatschte und dem das Internet schon immer ein Graus war. Herr Graf durfte übrigens später ganz „unbefangen“ meine Revision vor dem BGH  im Strafverfahren mit ablehnen.
  5. Die Vorratsdatenspeicherung. Schily scheiterte zunächst an mir (sage ich mit großer Freude). Er trug seinen Schwachsinn dann leider erfolgreich nach Europa. Erfreulicherweise scheiterte die VDS dann bis heute am Bundesverfassungsgericht.
  6. Das BKA-Gesetz und die Telekommunikationsüberwachungsverordnungen als weitere Schritte in den Präventions- und Überwachungsstaat, der systematisch den Rechtsstaat in Deutschland ablöst.
  7. Das von mir mitformulierte Gesetz zum Verbot von Studiengebühren wurde durch das Bundesverfassungsgericht als „verfassungswidrig“ gekippt. Selten war ich so stolz, verfassungswidrig zu sein. Der Bund sei nicht zulässig- die Länder durften Studiengebühren einführen. Jetzt geht’s zum Glück wieder in die andere Richtung.
  8. Mit der Föderalismusreform 1 wurde gegen meinen heftigen Widerstand (als Sprecher für Bildung und Forschung) das grundgesetzliche Kooperationsverbot im Bildungsbereich verankert. Der Bund darf seither „Bildung“ nicht mehr mitfinanzieren.
  9. Datenschutz. Das Jahr 2008 sollte nach den Skandalen bei Bahn, Lidl und Telekom eigentlich das Jahr eines modernen und lesbaren (Beschäftigten-)Datenschutzes werden. Doch der heutige innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Hartmann und der zwischenzeitlich verstorbene Peter Struck entzogen mir zuvor in einer Nacht- und Nebelaktion im November des Jahres 2008 die Zuständigkeit für mein langjähriges Themengebiet, um faule Kompromisse mit der Union zu ermöglichen.
  10. Zensursula. Die Front „…aber denkt doch an die armen Kinder und die BILD-Zeitung..“ war zu stark. Für mich war das übrigens auch meine wohl wichtigste Rede im Bundestag- eine der Letzten. Nur zwei damalige (SPD!) Kollegen stimmten noch mit mir gegen den später sang- und klaglos wieder eingestampften Quark der von der Leyens und Guttenbergs: Steffen Reiche und Wolfgang Wodarg. Alle anderen kapitulierten vor BILD und Peter Struck. Diese letzte Niederlage war dann auch mein Abschied von der SPD. Daher sass ich mit Vergnügen auf der Pressetribüne des Bundestages, als das Machwerk in der anschließenden Legislaturperiode kleinlaut wieder gekippt wurde.

Die obigen Beispiele sollen zeigen, dass man sich in der Politik viele blutige Nasen holen kann. Zu diesen darf man aufrecht stehen und sie nicht, wie heute politisch eher üblich, noch als modisches Accessoire verkaufen wollen, werte Grüne.

Niederlagen (auch in einer Enquete) nicht zu benennen und gar als Teil-(Erfolge) verkaufen zu wollen, führt bestenfalls zur viel diskutierten Politikverdrossenheit und zu jenen Glaubwürdigkeitskrisen, denen Parlamentarier heute und zunehmend ausgesetzt sind. Ganz schuldlos sind sie daran leider nicht.

Augsburg und der Präventionsstaat

Dass die bayerische Justiz eine ganz besondere Justiz ist, weiß man nicht erst seit dem Fall Mollath. Dass Justiz und CSU eng zusammenwirken und vor allem zusammenhängen, zeigt auch der jüngste Fall der Durchsuchung von Redaktionsräumen der Augsburger Allgemeinen Zeitung.

Die Polizei hatte am Montag laut einem Bericht der Zeitung bei dem Verlag die Daten eines Internet- Forennutzers beschlagnahmt (siehe auch Main-Post).

Zur Vermeidung der angeordneten polizeilichen Durchsuchung gab die Zeitung die Daten des „Beleidigers“ zur Offenlegung des Pseudonyms nach ursprünglicher Weigerung heraus. Schade. Man hätte den offensichtlichen Skandal durch weniger Willfährigkeit gegenüber der Staatsgewalt redaktionsseitig noch steigern können und Deutschland wäre in der offiziellen internationalen Statistik der Pressefreiheit (derzeit Platz 17) noch ein Stück weiter nach unten gerutscht.

Ausgangspunkt war, dass sich irgendein Herr Ullrich, kommunaler CSU-Beamter (Ordnungsreferent, sic!) und potenzieller Bundestagskandidat seiner Partei auf den Schlips getreten fühlte. „Rechtsbeugung“ sei dem armen Mann in einem Chatroom unterstellt worden, behauptete der mit der Beleidigungsanzeige befasste Oberstaatsanwalt Matthias Nickolai. Wie furchtbar.

Diese staatsanwaltschaftliche Figur erwirkte beim Amtsgericht daher einen Durchsuchungsbefehl, weil „Chatrooms kein rechtsfreier Raum“ sein dürften. Intellektuell scheinen bayerische Oberstaatsanwälte nicht nur mit rechtsfreien Räumen, sondern bereits mit dem Begriff Chatroom überfordert zu sein. Der Unterschied zu einem Forum ist zumindest in der Augsburger Strafjustiz offensichtlich unbekannt.

Man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen: Ein „Ordnungsreferent“ fühlt sich in einem nicht vorhandenen Chatroom beleidigt und im Deutschland des Jahres 2013 suchen Polizisten deshalb Redaktionsräume einer Zeitung heim. Über diesen Vorgang ist zu reden. Nicht über diese alberne Augsburger Figur Ullrich.

Dass ein Amtsgericht diesen Durchsuchungsbefehlsantrag dann überhaupt zur Kenntnis nimmt und ihn dem Herrn Oberstaatsanwalt nicht schallend um die Ohren haut, ist der weitere Skandal. Das vielstrapazierte Wort darf man in diesem Zusammenhang benutzen.

Es zeigt sich einmal mehr, dass die berühmte „richterliche Weisung“, auf die ja von Vorratsdatenspeicherung bis zum Staatstrojaner von deren Protagonisten so heuchlerisch wie treuherzig gerne verwiesen wird, nicht einmal das Papier wert ist, auf der sie in Gesetzen steht. Der durchschnittliche Amtsrichter unterschreibt ALLES, und sei es staatsanwaltschaftlich noch so obskur begründet. Wenn eine Amtsrichterin bereits so wie im Falle Ullrich reagiert und Polizei in Marsch setzt, mag man sich gar nicht ausmalen, welche Durchsuchungs- und Überwachungsbefehle hierzulande auch sonst noch aus Jux und Tollerei von Richter(inne)n unterzeichnet werden.

Es wird Zeit, im Präventions- und Überwachungsstaat Deutschland verstärkt Polizei und Justiz auf die Finger zu sehen. Vertrauen ist jedenfalls keines angebracht. Rechtsstaat sieht anders aus.

 

Fragen zum „Internetausschuss“

Gestern tagte die Enquetekommission „Internet und digitale Gesellschaft“ ein letztes Mal. Hierzu habe ich auch gezwitschert („Verstaubende Ergebnisse“). Verständlicherweise sehen das die Protagonisten der Enquete anders und überschlagen sich gegenseitig mit Lob und Begeisterung.

Zu wesentlichen Empfehlungen der Enquete zu Netzthemen im Bereich des Urheberrechts,der Netzneutralität, der Freiheit des Internets konnte man sich leider nicht verständigen. Nicht nur deshalb bleiben die Ergebnisse noch hinter den Mindesterwartungen außerhalb des Bundestages zurück. „Quasselbude“ war noch eine der höflicheren, wenngleich historisch bedauerlichen, Formulierungen (heise). Doch wenigstens auf neue parlamantarische und beamtete Jobs konnte man sich einigen: Fraktionsübergreifend  wird angestrebt, „schnellstmöglich“ im Deutschen Bundestag einen Internetausschuss einzurichten.

Exekutiv soll dieser parlamentarische Ausschuss einem leibhaftigen Internet(staats)minister zugeordnet werden, der natürlich auch Frau sein darf. Da die Forderungen nach Ausschuss und (Staats-)Minister(in) fraktionsübergreifend als wesentliche parlamentarische netzpolitische Innovation der Enquete dargestellt wird, habe ich einige Nachfragen. Diese wurden von mir deshalb heute den Obleuten (Sprechern) der Fraktionen in der Enquete übermittelt:

Sehr geehrter Ex-Kollege Fischer, sehr geehrte Herren, sehr geehrte Frau Wawzyniak, *)

Jimmy Schulz hat eine PM zum „erfolgreichen Ende der Enquetearbeit“ herausgegeben“ (FDP, 29.1.13). Vielen Dank für deren Übermittlung. An deren Schluss heißt es zu dem von Ihnen empfohlenen Internetausschuss: 

„Alle in der Enquete-Kommission beschlossenen Handlungsempfehlungen benötigen ein Gremium, das sie umsetzt und in die Tagespolitik trägt. Das kann und soll dieser neue Ausschuss leisten“.

Schön. Ähnliches hört(e) man ja auch von den anderen Sprechern. Deshalb an Sie alle, und nicht nur an Herrn Schulz, auch ein paar Fragen:

Wie soll das geschehen? In welcher Form wird die GO des Bundestages hierzu geändert? Gibt es dazu bereits Empfehlungen? Darf der Internetausschuss dann z. B. Anhörungen durchführen zu Themen, bei denen er nicht die Federführung hat? Zu welchen Fragen hat er die Federführung? Wie bringt der Internetausschuss, an den vorhandenen federführenden Ausschüssen ggf. vorbei, Themen oder gar Gesetze ins Plenum?

Zum Hintergrund praktische Beispiele: 

Nehmen wir einmal an, die Enquete hätte sich auch nur an den Empfehlungen der FDP (!) Justizministerin zur Bekämpfung des Abmahnunwesens orientiert und es existierte nun der Internetausschuss: Wie will er seine Anliegen in den federführenden Ausschuss, in diesem Falle Recht, tragen oder gar „umsetzen“? Oder zum Urheberrecht? 

Nehmen wir mal an, es gibt den Bundestagsausschuss und der wäre gegen die Vorratsdatenspeicherung (hatten wir ja schon mal fraktionsübergreifend in der 15. LP) . Wie trüge die Enquete und der Internetausschuss das Anliegen zur Umsetzung in den wiederum federführenden Innenausschuss? 

Ähnlich verhält es sich mit der Netzneutralität. Auch hier die Frage nach dem WIE des Tragens und der Umsetzung in und durch die (Wirtschafts-) Tagespolitik?

Ich will es bei diesen drei einfachen legislativen Beispielen bewenden lassen. 

Kommen wir zur Exekutive und damit zu dem von Ihnen vorgeschlagenen Internet(staats)minister (oder der…ministerin):

Welche Kompetenzen aus den mit Netzpolitik befassten Häusern Innen, Justiz, Wirtschaft, Forschung, Familie und Jugend, Kultur und Medien etc. sollen ihm nach Wunsch der Enquete und von Ihnen zu den jeweiligen netzpolitischen Feldern übertragen werden? Alle? Einige? Welche? 

Soll er und seine Behörde (oder sein Ministerium) eine Art Veto- und Initiativrecht im Kabinett zu allen Fragen der Netzpolitik haben und bekommen? Wie würde das, gerne wiederum an den Beispielen Abmahnunwesen, Urheberrecht, Vorratsdatenspeicherung und Netzneutralität, dann konkret aussehen?

Für eine zeitnahe Erläuterung bin ich dankbar.

Mit freundlichen Grüßen Jörg Tauss, Freier Journalist / dju 

Selbstverständlich werde ich über eingehende Antworten informieren. Von den Grünen kam via twitter bereits auf die Ankündigung meiner Anfrage ein Vorabzwischenbescheid: „Wir warten gespannt und antworten prompt….“  Jetzt warte ich gespannt….

*) Axel E. Fischer, ehem. Vorsitzender der EIDG, Lars Klingbeil (SPD), Jens Koeppen (CDU/CSU), Dr. Konstantin von Notz (Grüne), Halina Wawzyniak (Die Linke)

Aktualisierung:

1. Antwort (31. 1.) von den Grünen: vielen Dank für Ihre Anfrage. Wie Sie den Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ ja entnehmen konnten, haben sich alle Fraktionen für die Einrichtung eines ständigen Ausschusses ausgesprochen. U.a. auch die von Ihnen an uns gerichteten Fragen werden nun Gegenstand der weiteren Beratung zwischen den im Bundestag vertretenen Fraktionen sein.  

Verstaubende Ergebnisse

Heute tagte die Bundestagsenquetekommission „Internet und digitale Gesellschaft“ ein letztes Mal. Man ist erleichtert. Die Show ist zu Ende. Zu den Problemen dieser Enquetekommission habe ich mehrfach gezwitschert und deren sechs Grundfehler auch mehrfach benannt. Diese Erkenntnisse vom Juni 2011 blieben auch im Jahre 2012 bis heute gültig.

Gibt es gar nichts Positives zu sagen? Doch. Eine Reihe der 12 Zwischenberichte auf über 2.000 Blättern Totholz unter CC-Lizenz sind lesenswert. Wer beispielsweise ein Sammlung von klugen Gedanken zum Thema Medienkompetenz sucht, wird fündig. Dies aber dokumentiert auch eines der zentralen Probleme. Die Enquete war inhaltlich dort um so besser, wo sie keinerlei Bezug zur Bundespolitik hat. Für Medienkompetenz, ob es nun passt oder nicht, sind die Länder zuständig, die mit ihrer Schul- und Medienpolitik die beste Chance zur Umsetzung haben.

Dass aber auch dieser Bericht verpuffen wird beweist beispielsweise der „Tag der Medienkompetenz“ Ende vergangenen Jahres im Medienland NRW. Das Werk wurde staunenden Landtagsabgeordneten im Düsseldorfer Landtag von mir überreicht. Konkret: Noch nicht einmal die politische Fachszene wird von dieser Enquetekommission erreicht.

Dort aber, wo der Bund originäre Zuständigkeiten hat, beispielsweise zu den Themen Urheberrecht, zur Netzneutralität, zu den Freiheitsrechten der Bürger oder gar für ein freies globales Internet, gibt es keinerlei Signale. Dies wurde von Schwarzgelb systematisch verhindert. Selbst die Rundfunkreferenten aus den Staatskanzleien der Länder konnten sich, um ein Beispiel zu nennen, schon im April 2011 auf mehr Inhalte zum Thema Netzneutralität einigen, als diese Enquete, die zu diesem Zeitpunkt mit sich noch um Begriffsklärungen rang. Darauf angesprochen kam von Enquetemitgliedern weder eine Antwort noch eine inhaltliche Übernahme. Auch dies zeigt, wie wenig ernst Anregungen von außen, Bürgern und Fachleute genommen werden.

Wie geht es weiter?

Einigen konnte man sich in der Enquete darauf, in der nächsten Legislaturperiode einen Internetausschuss und einen Staatsminister für das Internet einzurichten. Darauf ist man parteiübergreifend stolz. Doch auch dieser Vorschlag ist nichts als weiße Salbe ohne jegliche Wirkstoffe. Ausschüsse des Deutschen Bundestages sind Ministerien zugeordnet, die Zuständigkeiten haben. Der Internetausschuss hätte keinerlei Anbindung an die wesentlichen Ministerien wie beispielsweise Innen, Justiz, Wirtschaft, Forschung. Er könnte nicht einmal Anhörungen zu Themen durchführen, die in deren Zuständigkeit liegen.

Auf Parlamentsdeutsch: Weder zum Urheberrecht, noch zur Vorratsdatenspeicherung, noch zur Netzneutralität etc. etc. könnte dieser Internetausschuss federführend initiativ werden. Das ist eine Farce und eine Augenwischerei wie diese Enquete, deren Ergebnisse in den Regalen unseres Berliner Parlaments verstauben werden. Dazu muss man kein Prophet sein.

Ein Internetministerium und ein zugehörender Ausschuss machte Sinn, wenn dort hin tatsächlich Zuständigkeiten verlagert würden. Dies ist parteiübergreifend nicht in Sicht. So wenig wie die Tatsache, dass sich Ausschüsse des Bundestages stärker den Bürgerinnen und Bürgern öffnen.

Netzpolitik ist und bleibt in Deutschland ein Stiefkind. Das ist das so ernüchternde wie traurige Fazit dieser Enquete. Sie hätte die Republik verändert, meinte dem gegenüber Enquete-Parlamentarier Klingbeil. Man wünscht sich zu wissen, welche Halluzinogene der Mann raucht.

Satirisches zur (nicht)zündenden Bonner Bombenstimmung….

Wie gut passte doch der bombige Fund am Bonner Hauptbahnhof zu den unbequem werdenden Ermittlungen um den „nationalsozialistischen Untergrund“, der nach aufRECHTER Meinung deutscher Gerichte ohnehin keine Gefahr darstellt.

Endlich hat man wieder die bösen Islamisten am Wickel. Sogar ein „Dunkelhäutiger“ wurde am Tatort gesehen. Nur durch Zufall sei die Bombe nicht explodiert, wusste unsere tüchtige Bonner Polizei sofort zu vermelden. Aber irgendwie sind die Islamisten in Deutschland dann also wohl doch (noch!) zu doof, mal eine richtige Bombe zu bauen. So eine mit Krach und Bumm und vielen Opfern, wie es doch in Internetanleitungen immer leicht gemacht wird. Beamtenstadt im Terrorschatten, schrieb die FAZ-net. Alle Wetter.

Jetzt aber wurde doch ein neues Merkmal gefunden. Die Bombentasche war offensichtlich von einem hellhäutigen Europäer oder Nordamerikaner (sic!) gepackt worden! Letztere Erkenntnis aus wertvollem genetischen Material  lässt aufhorchen. Denn kämen die Terroristen jetzt auch noch aus den USA, müsste man das einseitige EU-Fluggastabkommmen überprüfen und dort nicht nur die Daten unschuldiger europäischer Touristen abliefern. Nein: Die Amis müssten bei Einreise nach Deutschland endlich gute Absichten nachweisen. Das Böse kommt schließlich IMMER und von ÜBERALL. Aber halt…noch wissen wir leider nicht, wer der Unbekannte war.

Die Videoüberwachung, die bekanntlich wie die Vorratsdatenspeicherung alle Probleme dieser Welt löst, konnte leider nicht weiterhelfen. Denn unfairerweise hat sich der Kofferträger mit finsterem Blick, Bart und Mützchen getarnt und kein Stück Internet geguckt. Deshalb waren die Videoaufnahmen auch für die Katz. Andere Bilder wurden erst gar nicht gedreht, weil Bahn und Bundespolizei die guten Kameras und die Überwachungsbudgets schonen wollte. Zitat aus der FAZ:

…Sie filmen, zeichnen aber nicht auf, weil Bundespolizei und die Deutsche Bahn seit einiger Zeit über Kompetenzen und Kosten solcher Datenerfassung streiten…

Au Backe. Wohl deshalb wurde sofort und konsequent von Innenministern eine Ausweitung der Videoüberwachung gefordert, was aber noch mehr Geld kostet.

Ist eine gezündete Bombe ohne Zünder eine Bombe?

Aber nun hören wir schon wieder etwas NEUES, wie selbst das Terror-Expertenmagazin FAZ herausfand. Die Bombe hatte wohl doch keinen Zünder. Tagelang spielten Polizei und Generalbundesanwalt, der sich sofort einschaltete, das alte Kinderspiel…. Sie hat…sie hat keinen…sie hat…sie hat keinen…. Und jetzt plötzlich die unglaubliche Überraschung. Die Bombe, die über Bonner Beamte so böse Terrorschatten warf, hatte KEINEN:

Der WDR berichtete und renommierte deutsche Blätter arbeiten sich daran ab.

http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/medienbericht-bonner-bombe-hatte-doch-keinen-zuender/7621422.html

Daran schließen sich jetzt natürlich wichtige Fragen an: Ist eine gezündete Bombe ohne Zünder überhaupt eine Bombe oder gilt sie noch als normales Reisegepäck im Sinne der Allgemeinen Versicherungsbedingungen einer mittleren deutschen Reisegepäckversicherung?

Tätertypen

Ist ein bombenlegender Reisender mit einem derartigen Koffer nun ein normaler Reisender oder statt Bombenleger ein Nicht-Bombenleger oder einfach nur ein Reisender? Vielleicht wollte er ja auch nur eine alte Obstbaumwurzel in Omas Garten sprengen und brauchte dafür halt etwas Sprengstoff, den er zum Kaffee mit Gebäck mitbringen wollte?

Wer also hatte Interesse am Bombenfund? Tatort – Autoren würden jetzt nach dem Tätermotiv und so nach dem Täter suchen. Via Profiling kommen folgende potenziellen Typen in Betracht:

1. Der Reisende

Der Reisende, der nur mit etwas Sprengstoff zur Oma wollte, hatte wohl kein ernsthaftes Interesse. Denn erstens bezichtigt ihn nun seine Gattin der Schusseligkeit (..kannst Du nicht EIN MAL auf Dein Gepäck aufpassen….) und die Wurzel steckt ungesprengt noch immer im Boden. Dieser Typ scheidet als terroristischer Täter also aus.

 2. Der Präsident des Bundeskriminalamts

Ziercke scheidet aus dem Amt und noch immer ist nichts passiert. Dabei war er sich so sicher, dass wir noch vor oder nach der Bundestagswahl einen ganz ganz schlimmen Anschlag in Deutschland haben. Er käme also als Leger einer nicht gezündeten Bombe schon in Betracht. Erstens hätte er endlich mal RECHT gehabt und zweitens hätte er kurz vor der Pension nicht so stressig ermitteln müssen, als wenn es wirklich Piff-Paff-Puff gemacht hätte. Dagegen spricht, dass Ziercke den Wiesbadener Hbf ausgesucht hätte. Wegen der Nähe zum Amt sparte das Kosten und der Beweis wäre erbracht, dass die Einschläge der frechen Terroristen selbst vor der BKA- Haustüre immer näher kommen. Schließlich sitzen dort viel wichtigere Beamte als in Bonn.

3. Der Vorstandschef der Deutschen Bahn AG

Grube ist prädestiniert, anderen Gruben zu graben. Stuttgart 21 läuft richtig scheisse und was käme da besser als ein Anschlag auf die Bahn, bei dem natürlich außer in Stuttgart nicht wirklich etwas kaputt gehen sollte? Dumm war nur, dass herauskam, dass die Bahn wie ausgeführt noch gar nicht richtig videoüberwacht. Gegen Grube als Täter spricht weiterhin, dass es sich beim Bonner Bahnhof um einen Durchgangsbahnhof handelt. Wäre er der Täter, hätte er wohl eher den Stuttgarter Kopfbahnhof gesprengt. Wer will schon gegen Terroristen demonstrieren, die einen Bahnhof sprengen, wo die Bahn mit dem Abriss viel konsequenter ist? Aber für schicke Kameras ist er schon zu haben….

4. Der V- Mann des Verfassungsschutzes

Das wäre eine total logische Erklärung. V-Leute sind derzeit in großer Zahl arbeitslos und Hartz IV bedroht. Eine richtig tolle terroristische Bombe käme da total gut. Man könnte ohne Gesichtsverlust V-Leute von der ohnehin harmlosen NPD/NSU abziehen und sich endlich dem islamistischen Terror zuwenden. Dem fiel zwar noch niemand wirklich zum Opfer, aber gefährlich ist er allemal, wie Mali zeigt.

 5. Der Handelsvertreter

Fritz Alfons G. (47) ist freier Handelsvertreter und verkauft Videoüberwachungssysteme. Er feierte zuletzt wilde Kokspartys mit Dutzenden hübscher Girls, kaufte sich erst nach (!) dem Fund am Bonner HBF einen Sportwagen im 6-stelligen Bereich (zahlte BAR) und wurde zum Gebietsdirektor Deutschland und die Welt befördert. Denn sein jüngster Deal war ein Knaller: Er besorgte Innenminister Friedrich 180.327 Videokamerasysteme zu einem noch nicht bekannten Stückpreis (fällt gemäß §6 IFG (BUND) unter Geschäftsgeheimnisse). Kürzlich wurde er übrigens mit angeklebtem Bart wieder gesehen: In sieben (!) Koffer/Taschengeschäften, vor denen jeweils zwei der arbeitslosen V-Leute des Verfassungsschutzes Döner gegessen haben sollen, war er zum Kofferschlussverkauf! .

So, liebe Sicherheitsbehörden. Ihr müsst nur noch zugreifen. Ich persönlich tippe auf 5! Oder die Verdächtigen 2 – 5 haben sogar eine kriminelle Vereinigung deutscher Videokameranutzer  e. V. gebildet. Und KEINER von denen ist DUNKELHÄUTIG. Mehr Motiv für Bomben ohne Zünder kann keiner haben 🙂

 

 

 

Steinbrück & Co

Ansehensverlust „der Politik“?  Abwendung der Bevölkerung von „der“ politischen Kaste? Gar Hass auf „das Politische“, wie der Focus schreibt? Eher erstaunlich ist, dass sich „die“ Politik darüber zu wundern scheint. Denn sicher geschieht dabei „der Politik“ auch Unrecht. Denn korrupter ist „die Politik“ in Deutschland in den letzten Jahren nicht geworden. Deutlich wird nur, dass die Regierungskoalition Transparenz bei den Nebeneinkünften ihrer Abgeordneten verweigert und dass der §108e StGB (Abgeordnetenbestechung) nicht an internationale Antikorruptionsabkommen angepasst wird.

Schon die Debatten darüber führen zur berüchtigten Politikverdrossenheit, da Mauscheleien heute eben das grelle Licht der Öffentlichkeit erreichen, wo sie früher im Dunklen blieben. Das ist das eigentliche Pech für die Wulffs oder Steinbrücks. Raffkes und Wichtigtuer fielen früher einfach weniger auf. Denn was ist schließlich der Urlaub in der Villa eines Millionärskumpels gegenüber einem Franz Josef Strauss, der es im Amt vom einfachen Landrat, Abgeordneten, Verteidigungsminister und Ministerpräsidenten zum Multimillionär brachte? Trotz seiner natürlich nicht geringen Einkünfte aus öffentlichen Kassen könnte er dies niemals schaffen. Seine Deals in die eigene Tasche, vor allem mit Hilfe der Rüstungsindustrie, wären mit den heutigen Möglichkeiten der Kontrolle einer sensibilisierten Öffentlichkeit nicht mehr möglich.

Und da sind wir eben aktuell wieder bei Leuten wie Wulff oder Steinbrück, welche das nicht verstehen wollen oder können. Darf ein Politiker keine Freunde haben, die einem uneigennützig eben mal ne Menge Geld leihen jammerte Wulff. Dürfen Sozialdemokraten kein Geld verdienen, klagte Steinbrück. Ihr Pech ist es, neben den Guttenbergs eben in der falschen und für sie tödlichen medialen Öffentlichkeit des Internet Politiker geworden zu sein. Ein FJS wäre in dieser Welt so heute nicht mehr möglich. Das mag den Genannten zum kleinen Trost gereichen.

Steinbrück hat kein Projekt

Ist Geld verdienen verwerflich? Grundsätzlich NEIN. Aber es kommt eben darauf an. Unappetitlich kann schon die Nähe zu den Geldgebern werden. Dies betrifft nicht nur Anwaltskanzleien, von denen man sich Gesetze schreiben und Vorträge finanzieren lässt.

Steinbrücks Problem ist aber noch ein ganz anderes. Er verdient bereits nach seinem Amt als Finanzminister und nebenher als MdB. Das ist ihm nicht unbedingt vorzuwerfen, wenngleich es eher eine schwarzgelbe Spezialität ist. Vorwerfen kann man ihm aber seine daraus resultierende Vernachlässigung des Abgeordnetenmandats, zumal er nicht aus der Politik ausscheiden wollte und das höchste Regierungsamt anstrebt. Sein Engagement in der Finanzkrise, also seine Kernkompetenz, blieb jenseits von Vorträgen oberflächlich. Das lässt auf mangelnde Ernsthaftigkeit schließen. Insgesamt fehlt ihm daher ein Projekt, für das er glaubhaft stünde. Es kommen keine Antworten, wofür er steht oder wofür er wenigstens einmal namhaft spendete. Er sagt immer das, was ihm gerade einfällt oder was ihm Parteitagsredenschreiber an Nettigkeiten auflisten.

Schröder stand noch engagiert für etwas, mag man nun dessen Agenda 2010 befürworten oder ablehnen. Selbst der unsägliche Geschäftemacher FJS stand wenigstens für bayerische Folklore und die Schlitzohrigkeit, den damaligen DDR-Oberen und Devisenbeschaffern bayerische Fleischreste verkauft zu haben. Wulff stand nur noch für sich selbst und seine Wichtigtuerei. Steinbrück steht für Nichts.

Ein ehemaliger NRW- Ministerpräsident und dortiger Bundestagsabgeordneter hat eben die Verantwortlichen der Stadtwerke einer bankrotten Stadt zu fragen, ob sie noch ganz dicht sind, wenn sie ihm ein Honorar von 25.000.– Euro für ein abendliches Referat andienen wollen. Das wäre nicht nur eine Frage politischen Anstands, sondern eine schlichte Selbstverständlichkeit.

Mit gerührter Stimme beklagt aber dieser Steinbrück auf SPD-Parteitagen dann lieber und berechtigt die schwierige Lage von Studierenden auf dem Wohnungsmarkt. Prima. Das Studentenwerk Bochum hätte mit 25.000.– Euro schon beim einen oder anderen dieser Probleme von Studierenden helfen können. Diese Rede lässt bei mir aber schon deshalb den Kamm senkrecht schwellen, weil ich wochenlang hinter ihm her rannte, um im Rahmen des damaligen Konjunkturprogramms ein paar Milliönchen für studentischen Wohnungsbau zu ergattern. Tatsächlich konnte so wenigstens nach langem Kampf etwas Geld für energetische Sanierungen in Studentenwohnheimen gepumpt werden. Aber viel lieber steckte man die Mittel tausendfach verpufft in die wenig nachhaltige Abwrackprämie.

Und hier sind wir beim Steinbrück- Problem. Er interessiert sich nicht wirklich für die realen Probleme von Menschen. Deutlich wurde dies zuletzt auch an seinem 5.– Euro Fauxpas, als er seine Weingewohnheiten mit einer Kindergelderhöhung in Zusammenhang brachte. Das Beispiel war nicht nur wegen des Themas unpassend. Ihm fehlt als Sozialdemokrat offensichtlich jedes Gespür dafür, dass es in manchen Familien besonderer Anlässe bedarf, sich auch für „nur“  5.– oder 10.–  Euro mal wieder einen ordentlichen Wein zu leisten.

Insofern kann Merkel kalt lächelnd mit dem Verweis auf ihre ausreichenden Bezüge punkten. Und sie lenkt dank dieser Eskapaden unseres deutschen Mitt Peer Romney vom eigentlichen Treiben ihres Kabinetts und von schwarzgelber Korruption ab. In dieser Gemengelage entsteht in der Tat Hass auf die Politik. Die Wirkung ist grauenvoll, sagt Parteienforscher Falter. Leider richtig.

Klarnamen

Der vielseitige Klaus Peukert, Mitglied des Piraten Bundesvorstands, Tugendwächter, Mobber, Gegner „jüdischer Nasen“ und Repräsentant der „datenschutzkritischen“ Spackeria innerhalb der Piratenpartei, hat Facebook – Aktivitäten des schleswig-holsteinischen Datenschutzbeauftragten Thilo Weichert aufs Korn genommen.

http://www.tarzun.de/archives/531-Datenschutztheater,-Dezembervorstellung.html#content

@Tarzun kritisiert im Wesentlichen (und natürlich ausnahmsweise nicht zu Unrecht), dass sich der deutsche Datenschutz vor allem um ein kalifornisches Unternehmen kümmere, statt sich der Klarnamensdebatte insgesamt zu stellen. Diese Kritik habe ich mit der Bitte um Stellungnahme an Thilo Weichert weiter gegeben. Sie erfolgte prompt:

 Lieber Jörg Tauss,

 auf Deine Mail kann ich Dir Folgendes antworten: Dem ULD ist bekannt, dass viele Unternehmen, auch mit Sitz in Deutschland, die Telemedien anbieten, Klarnamen verlangen. Beschwerden hierzu, insbesondere solche, bei denen der Wohnsitz der BeschwerdeführerIn in Schleswig-Holstein ist, liegen uns nur zu Facebook vor. Von den Beschwerdeführenden wurde uns mitgeteilt, dass wegen einer pseudonymen Meldung die Konten geschlossen wurden. Derartig weitgehende Maßnahmen sind mir von anderen Unternehmen, selbst vom globalen Konkurrenten Google+, nicht bekannt. Facebook hat sich dem ULD gegenüber zur Schließung derartiger Konten bekannt und behauptet, § 13 Abs. 6 TMG sei europarechtswidrig und für das Unternehmen nicht anwendbar. Entsprechende Positionen sind mir von anderen Unternehmen nicht bekannt.

Ich gestehe dem Autor Klaus Peukert zu, dass es im Internet mehr Datenschutzverstöße mit ULD-Zuständigkeit gibt, als wir im ULD aufgreifen können. Wir würden gerne mehr tun. Hierfür werden uns aber leider von der Politik nicht die nötigen Ressourcen bereitgestellt. Deshalb müssen wir im Rahmen unserer Opportunitätserwägungen eine – für den Datenschutz möglichst wirkungsvolle – Auswahl vornehmen.

Ich habe nichts dagegen, wenn Du diese meine Position dem Autor Klaus Peukert mitteilst oder auch diese Stellungnahme selbst verbreitest.

Gruß mit Wünschen für ein frohes Weihnachtsfest und ein gesundes und glückliches Jahr 2013

Thilo Weichert

Anmerkung: Die Schließung von „Konten“ bei Google+ ist schon deshalb nicht möglich, weil man dort ohne Klarnamen von vorn herein keinen Account bekommt…. Dies ist auch einer der Gründe, weshalb ich die zahlreichen „Einladungen“ zu diesem Verein nicht angenommen habe. Dessen ungeachtet habe ich meinen facebook Account aufgegeben, nachdem man von mir dort, ohne Beantwortung von entsprechenden Rückfragen zu den Gründen, eine Kopie meines Personalausweises übermittelt haben wollte. Eine Ausweispflicht gegenüber us-amerikanischen Unternehmen lehne ich aber sehr entschieden ab.

Anmerkung 2: Zur Klarnamensdebatte insgesamt erhielt ich nun auch noch die ergänzende Stellungnahme Weicherts, die ich gleichfalls im Wortlaut zitiere:

Lieber Jörg Tauss,

in meiner soeben versandten Mail hatte ich es unterlassen, auf Deine zweite Frage zu antworten: Die Klarnamendebatte in der deutschen Politik verfolgen wir hier im ULD mit großer Sorge. Dabei kommt oft eine massive Unkenntnis von politisch Verantwortlichen zum Ausdruck. Das ULD hat sich in diese insbesondere auf Bundesebene geführte Debatte bisher nicht aktiv eingeschaltet. Die verfassungsrechtliche Situation sollte spätestens seit der Spick-mich-Entscheidung des BGH eigentlich glasklar sein. Unser Angriff auf die Klarnamenpflicht von Facebook kann als unser Beitrag zu dieser Debatte verstanden werden.

Gruß
Thilo Weichert

 

Von fleißigen Verstorbenen und einem Internet-Ausschuss

Die Enquetekommission „Internet und Digitale Gesellschaft“ hat wieder einmal getagt und beschlossen: Wir machen (in der nächsten Legislaturperiode) einen Internet- Ausschuss. Die Überlegungen dazu waberten zuletzt im Oktober durch die Lande.

Hurra. Dann hätte man wenigstens ein Gremium, das die mittleren bis guten Ergebnisse der Kommission, fleißig in zahllosen Stunden zusammengeschrieben, wenigstens unter sich parlamentarisch in schöner Regelmäßigkeit aus Papierkorb oder Bücherregal fischern könnte.

Verkauft wird Idee und Projekt als Durchbruch. Ist er das? Nein. Bisher gab es einen Unterausschuss Neue Medien, der das leistet, was ein Internet-Ausschuss maximal leisten könnte. Schlimmer noch: Der Internet-Ausschuss wäre nach derzeitiger Lage an gar kein Ministerium, noch nicht einmal an den Staatsminister für Kultur und Medien angebunden.

Ohne eigene Kompetenz 

Der Ausschuss könnte in EIGENER Kompetenz nichts, aber auch gar nichts, als federführender Ausschuss auf die Agenda des Parlaments setzen. Das waren im Bereich Kultur und Medien dann wenigstens Themen wie die Staatsverträge, welche dennoch in der Zuständigkeit der Länder liegen. Dass dies aber auch etwas mit Internet zu tun hat, wird schon am Beispiel des heiß diskutierten, und dann in letzter Minute zum Glück gescheiterten, Jugendmedienschutzstaatsvertrages (JMStV) deutlich. Auch ist die Einflussnahme des Staatsministers auf europäische Medien- wie auch Internetpolitik ist beachtlich und sollte nicht unterschätzt werden.

Denn was ist ein Bundestagsausschuss? Alle klassischen Parlamentsausschüsse spiegeln, im Idealfall auch zu deren Kontrolle,  vorhandene Ministerien parlamentarisch wider. Das Außenministerium also der Auswärtige Ausschuss, Innen der Innenausschuss etc. etc. Wessen exekutiven „Gegenpart“ hätte der Internet-Ausschuss? Keinen. Er bliebe hinter dem heutigen Unterausschuss Neue Medien zurück.

Und der hatte es schon schwer genug, sich mit den Themen der anderen Ausschüsse befassen zu können und zu dürfen. Hackerparagraph? Zuständig ist der Rechtsausschuss. Vorratsdatenspeicherung? Zuständig ist der Innenausschuss. Medienpolitik? Zuständig ist das Kanzleramt. Netzneutralität? Zuständig ist der Wirtschaftsausschuss. Urheberrecht? Wieder Justiz. Cyberwar? Verteidigung. Open Access? Bildung + Forschung, Gesundheitskarte? Gesundheitsministerium. Jugendmedienschutz? Ist bei Jugend und Familie untergebracht. Die Zuständigkeit für die ersten netzpolitischen Gesetzgebungen wie zum Informations- und Kommunikationsdienstegesetz (IuKDG) oder zur Digitalen Signatur hatte damals in den 90igern übrigens Forschungsministerium und Ausschuss.

Sinn machte eine solche Ausschuss-Überlegung also nur, installierte die Bundesregierung zugleich ein mächtiges „Internetministerium“. Eine Idee, welche die Piraten im Bundestagswahlkampf 2009 entwickelt hatten. Nur mit einem solchen Ministerium käme ohne Notwendigkeit eines Beschlusses der Internet-Ausschuss. Voraussichtlich und realistisch betrachtet kommt es dazu aber nicht, sondern bestenfalls zu einem Internet-Beauftragten der Bundesregierung. Dann wären wir wieder beim heutigen Zustand. Schon deshalb ist der Vorschlag der Enquete schlichtes Larifari.

Unseriös

Politisch- parlamentarisch ist es sogar zutiefst unseriös, einen Internet-Ausschuss als „netzpolitischen Fortschritt“ zu feiern. Es sei denn, es gibt ab 2013 tatsächlich das oben angesprochene machtvolle Ministerium, in dem dann die netzpolitischen Teile aus den bisherigen Zuständigkeiten der Ministerien Innen, Wirtschaft, Bildung + Forschung, Justiz etc. etc. zusammengefasst werden. Glaubt daran ernsthaft jemand? Der glaubt auch daran, dass die Enquetekommission unter Axel E. Fischer ein durchschlagender Erfolg war und ein Storch die kleinen Kinder bringt. Einmal mehr wird ohne Hemmung suggeriert, dass sich mit Hilfe reiner parlamentarischer Gremienarbeit netzpolitisch etwas bewegte. Allein dies kommt schlichter Realitätsverweigerung gleich.

Was aber bleibt dann zur Lösung des Problems? Zunächst einmal das ehrliche Eingeständnis, dass ein Ausschuss zur Beseitigung netzpolitischer Defizite in Deutschland auch nur marginal nichts beitragen kann. Eine solche realistische Einschätzung der realen Lage stünde zumindest den Sachverständigen der Enquete gut an, statt der Öffentlichkeit vorzugaukeln, was nicht sein wird.

Wie es dem gegenüber geht, zeigte die Zensursula- Kampagne oder zeigen alle Debatten zur Vorratsdatenspeicherung, zu Netzneutralität und so weiter. Nur von Druck von AUSSEN auf die jeweiligen Entscheidungs- und Meinungsträger in Parlament, Regierung und Parteien lässt sich etwas bewegen. Und daran ändert sich (netzpolitisch) auch in der nächsten Legislaturperiode, egal mit welchen Mehrheiten, nichts.

Stellvertretend auf einen Internetausschuss zu hoffen ist aber ebenso welt- und parlamentsfremd wie die Hoffnung, dass beim Umzug eines Friedhofs die Verstorbenen selbst fleißig Hand anlegen und ihr Gräberumfeld nett mitgestalten.