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Schöne Feiertage! Und guten Appetit mit Orangenmarmelade ;)

Allen Leserinnen und Lesern von tauss-gezwitscher wünsche ich ein angenehmes Weihnachtsfest. Ich bedanke mich bei vielen Menschen für viel Solidariät und Unterstützung im zu Ende gehenden Jahr.

Auf twitter, facebook und  neuerdings bei formspring erreichen mich viele interessante, wohlwollende, kritische und wichtige Anregungen und Anfragen. Auch hierfür bedanke ich mich sehr herzlich!

Eine Frage betraf jahreszeitbedingt mein Orangenmarmeladerezept (Orange- Campari), das ich natürlich gerne veröffentliche. Auf die Marmeladenidee bin ich gekommen, weil wir vom Piraten- Infostand zur Vorratsdatenspeicherung in Karlsruhe eine Kiste Orangen übrig hatten (selbstverständlich von mir auch bezahlt!)  und ich ein großer Fan von Orangenmarmelade bin. Nicht jeder mag den bitteren Geschmack der britischen Original- Rezepte. Deshalb habe ich einen Kompromiss zwischen süss (deutsch) und bitter (britisch- us-amerikanisch) versucht. Probiert und experimentiert nach Geschmack selbst. Man kann ja fast nichts kaputt machen. Im übrigen gibt’s hunderte Rezepte zum Thema, die man „ergoogeln“ kann:

Zutaten für ca. 6- 8 mittlere Marmeladengläser:

2 kg Orangen (am besten unbehandelt), 1 – 2 kg Gelierzucker (je nach Geschmack und Wunsch nach längerer Haltbarkeit), 1 Grapefruit (unbehandelt), 2 Zitronen, 50g Orangeat (auch verzichtbar!), Grapefruitsaft, Orangensaft, Wasser, Campari.

Zubereitung:

Die Orangen und die Grapefruit werden geschält und in kleine Stücke geschnitten. Weisse Haut bestmöglich entfernen. Alles in einen Topf geben, in dem die Früchte mit Flüssigkeit (1/3 Orangensaft, 1/3 Grapefruitsaft, 1/3 Wasser) knapp bedeckt werden. 1 gewürfelte Orange wird separat mit Campari bedeckt und wie der Topfinhalt  eine Nacht lang kühl gestellt. Die Schalen von zwei bis drei unbehandelten (!) Orangen werden geschält (ohne WEISS!!!), in kleine Streifen geschnitten und ebenfalls in Campari eingelegt. Zitronen auspressen und deren Saft in den Topf geben, ebenso die Campariorangenschnitze und die Schalenstreifen. Alles zusammen ca. 1/2 Stunde mit dem Gelierzucker und dem Orangeat vermengt kochen lassen, zwischendurch mit dem Handmixer die kochende Masse ggf. etwas pürieren (Hinweise: Je mehr Gelierzucker verwendet wird, desto süsser die Masse und die Dauer der Haltbarkeit verlängert sich. Das Verhältnis Fruchtmasse zu Gelierzucker sollte aber maximal 1:1 betragen, aber weniger ist manchmal mehr ;))) . Beim KOCHEN bitte am Herd dabei bleiben, weil überkochende Marmelade eine wunderbare Sauerei in der Küche mit sich bringt (getestet!). Die fertig gekochte Orangenmarmelade randvoll in bereitstehende Gläser füllen, die vorher nebst Deckel mit heissem Wasser gespült wurden. Bitte keinen Sauerstoff mehr im Glas lassen! Gläser auf den Kopf gestellt auskühlen. Guten Appetit!

Tipp:

Je mehr Schalen verwendet werden, desto bitterer der Geschmack. Für die englische Marmelade verwendet man Bitterorangen (Pomeranzen) und in der Regel normalen Zucker statt Gelierzucker. Die Herstellung ist insgesamt aufwändiger als bei meinem Rezept.

Auf Madagaskar habe ich eine Orangenmarmelade gegessen, die mit Pfeffer, Peperoni und Chilli verkocht war. Ein hervorragende superscharfe Beigabe zu exotischen Reisgerichten!!

SPD- Abschied vom Zugangserschwerungsgesetz?

In der unendlichen Geschichte des Zugangserschwerungsgesetzes will sich die SPD- Bundestagsfraktion nun von ihrer eigenen Gesetzgebung und Blamage verabschieden:

http://www.heise.de/ct/meldung/SPD-wendet-sich-gegen-Internet-Sperrgesetz-884257.html

„Schluss mit dem Gewürge“ forderte jetzt der neue stellvertretende Fraktionsvorsitzende, Olaf Scholz,  der allerdings entgegen aller Warnungen und ungeachtet der Petition gegen „Zensursula“ das Gesetzgebungsverfahren innerhalb der Bundesregierung  schon im April des Jahres mit durchgewunken hatte.

Aber auch er hätte es besser wissen können: Der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages formulierte „verfassungsrechtliche Bedenken“. Ein Expertengespräch des Unterausschusses Neue Medien zeigte schon im Spätherbst 2008 deutlich, dass mit Ausnahme  des Bundeskriminalamts (BKA) und von selbsternannten „Jugendschützern“ niemand das Vorhaben verteidigte.

http://www.heise.de/newsticker/meldung/Experten-betrachten-geplante-Kinderporno-Sperrmassnahmen-als-wirkungslos-195362.html

Fanatische Befürworter des Gesetzes, allerdings ohne jegliche Nennung zutreffender Fakten, waren neben anderen Organisationen die von ihre Skandalen ablenkende UNICEF und der „Kinderschutzbund“. Diese Organisationen behaupteten unter anderem schlicht wahrheitswidrig und unter Berufung auf das BKA , „dass kinderpornografische Inhalte immer und überall verfügbar seien“ (Helga Kuhn, UNICEF Deutschland). Erstaunlich, dass diese Organisationen aber von den Kritikern des Vorhabens mit grosser Chuzpe stets „Sachlichkeit“ verlangten.

Die Familienpolitiker der SPD- Bundestagsfraktion machten sich diese „Argumente“ allerdings zu eigen. Kerstin Griese, damals Vorsitzende des Ausschusses Jugend und Familie, sagte mir unverblümt, „wir bedienen eben auch eine Szene, zum Beispiel UNICEF“.

http://www.unicef.de/index.php?id=5700

Professor Sieber vom Max-Planck-Institut für internationales Strafrecht und andere Stimmen der Vernunft forderten dem gegenüber vor einem derartigen Gesetzgebungsverfahren gegen diese von Union, BKA, Presse und den genannten Organisationen angeheizte öffentliche Stimmung vergeblich einen umfassenden gesellschaftlichen, rechtlichen und technischen Dialog.

Missbrauchsopfer (MOGIS Verein) wandten sich ebenso gegen #Zensursula wie Datenschützer, der CCC, Wissenschaft und Wirtschaft (Providerverband ECO, der Verband Bitcom, die Gesellschaft für Informatik (GI) etc.). Auch sie fanden kein Gehör.

Mir gegenüber hatte die SPD- Fraktionsführung im internen Gespräch allerdings wenigstens ihr Wort gegeben, „dass man der Union nicht entgegenkommen wolle, sondern das Gesetz von der Agenda genommen werde und somit wohl in die Diskontinuität falle“ (Thomas Oppermann, 1. Fraktionsgeschäftsführer). Um zur Erreichung dieses Ziels die Union nicht zu „provozieren“ wurde ich sogar darum gebeten, nicht an der Anhörung zum Gesetzgebungsverfahren teilzunehmen.

Man kannte also die Probleme. Dennoch wurde auf dem SPD- Bundesparteitag am 14. Juni eine Debatte über das Zugangserschwerungsgesetz verhindert und die Beratung eines von Boehning, Mönikes und anderen eingebrachten Antrages gegen Zensursula von Franz Müntefering als „medial unerwünscht“ verhindert.

Gleichfalls aus Angst vor der Presse  forderte Peter Struck am 16. Juni die Fraktion auf, dem Vorhaben zuzustimmen. Zitat: „Bedenkt, was morgen in der Presse und in BILD zu lesen ist, wenn wir das heute ablehnen.“ 13 junge Bundestagskandidaten warnten in einem Schreiben vor dieser Argumentation: „Ihr tauscht die begrenzte Gefahr einer negativen „BILD“- Schlagzeile mit der unbegrenzten Gefahr des Verlustes der Glaubwürdigkeit bei einer ganzen Generation.“

http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/0,1518,666745,00.html

Dennoch ging man der Union blind auf den Leim. Der damalige Innenminister Schäuble äußerste im Oktober 2009 in entwaffnender Offenheit, dass das Gesetz auch deshalb entstanden sei, „um die Union gegenüber anderen Parteien abzusetzen.“ Er sprach zugleich von „handwerklichen Fehlern“.

Alle Bedenken, die Scholz heute gegen das Machwerk der Frau von der Leyen äußert, sind und waren richtig: Das Gesetz sei „populistisch“, die Internetsperren „ineffektiv, ungenau und ohne weiteres zu umgehen.“ So zumindest berichteten heise und SPON.

Trotz dieser, jetzt auch von Scholz vorgetragenen Argumente, haben am 18. Juni des Jahres  nur zwei (!) Bundestagsabgeordnete der SPD neben mir gegen das Gesetz gestimmt (Steffen Reiche und Wolfgang Wodarg). Alle anderen Fraktionsmitglieder wollten Gegenargumente allerdings nicht hören.

Deshalb hatte ich im Deutschen Bundestag am 18. Juni nochmals und ein letztes Mal als Mitglied der SPD- Bundestagsfraktion das Wort ergriffen:

http://www.youtube.com/watch?v=DwuZS8H4k2w

Nach dieser Rede schlug mir aus dieser Fraktion, der ich immerhin fast 15 Jahre angehört hatte, wie auch schon während der Diskussion in der Fraktionssitzung zwei Tage zuvor, offener Hass entgegen. Zwei Tage später zog ich aus diesen Vorgängen die Konsequenz und trat, auch aus Protest gegen die Missachtung der Petenten um Franziska Heine, aus der SPD aus und der Piratenpartei bei.

Nachtrag:

Die persönlich Verantwortlichen für das Desaster sind weiterhin SPD- Abgeordnete und mit Ausnahme von Franz Müntefering und Peter Struck, der nicht wieder für den Bundestag kandidierte, in ihren Ämtern verblieben. Namentlich nenne ich Thomas Oppermann als 1. Fraktionsgeschäftsführer, Martin Dörmann als „Verhandlungsführer“ gegenüber der Union, Christl Humme als stv. Fraktionsvorsitzende und Karen Marks als Sprecherin für Jugend und Familie. Alle drei „Abweichler“ gehören dem Deutschen Bundestag nicht mehr an.

Dass sich nun ausgerechnet Dörmann  gegen Zensursula ausspricht, ist nur noch mit dem Begriff Chuzpe zu umschreiben:

http://www.spd-fraktion.de/cnt/rs/rs_dok/0,,50129,00.pdf

Was Herr Dörmann nun genau meint, bleibt aber auch nach Tagen noch unklar: „Löschen STATT sperren“ oder „Löschen vor Sperren“ ??? :

http://www.netzpolitik.org/2009/spd-heute-wieder-loeschen-vor-sperren/

Der klassische Kompromiss, den Dörmann sicherlich als Erfolg bei Verhandlungen mit der Union feiern würde, hiesse „Löschen UND sperren.“(Vorsicht: Ironie mit Wahrheitsgehalt 😉 )

Augen zu, vertraue mir!

Bundesinnenminister de Maiziére wirbt wie die Kanzlerin um „Vertrauen“ für die staatliche Internetpolitik. Nicht einmal dumme Schafe vertrauen Wölfen. Damit könnte  eigentlich  schon alles gesagt sein.

Doch will ich an dieser Stelle in der kommenden Zeit Stück für Stück dokumentieren, wie seit den 90iger Jahren durch immer mehr staatliche Überwachung und inkompetente Netzpolitik  das Vertrauen in die politisch Handelnden verloren ging.

Seit dem Achtungserfolg der Piratenpartei bei der Bundestagswahl hört man jetzt bis hin zur Bundeskanzlerin neue Töne. Doch die Wölfe haben lediglich Kreide gefressen.  Zensursula ist nur vorübergehend vom Tisch und SWIFT, die Auslieferung aller Bankdaten der Bürger an die USA, war erst in diesen Tagen ein deutlicher Beleg dafür, dass sich nach dem eklatanten netzpolitischen Versagen von „Rot“ in den Jahren 1998 – 2009 auch unter Schwarz- Gelb nichts ändern wird und „Vertrauen“ fehl am Platz wäre.

Da vieles davon leider auch schon wieder vergessen ist, haben die Piraten Aachen verdienstvollerweise eine „Giftliste“ der Massnahmen der vergangenen Jahre zusammengestellt. Diese ist hier zu finden:

http://www.piratenpartei-aachen.de/sites/default/files/giftliste_v21.pdf

Hierzu habe ich ganz am Ende dieses Artikels die kleine Geschichtskunde zum Abbau der Bürgerrechte mit negativen und leider nur wenigen positiven Beispielen angefügt.

Doch zum Einstieg in dieses traurige Kapitel soll auch der Humor nicht zu kurz kommen. Florian Bernstorff hat mich via facebook auf das Dschungelbuch hingewiesen, wo das schlängelnde Dschungeltierchen bei Mogli um dessen Vertrauen warb. Der Text könnte aus der Feder der Redenschreiber unserer Kanzlerin entsprungen sein:

Hier Angela Merkel in ihrer Ansprache als Schlange KAA an die liebe „Internetgemeinde“:

„Hör‘ auf mich, glaube mir. Augen zu, vertraue mir! Schlafe sanft, süß und fein. Will Dein Schutzengel sein! Sink‘ nur in tiefen Schlummer, schwebe dahin im Traum. Langsam umgibt Dich Vergessen, doch das spürst Du kaum! Hör auf mich und glaube mir. Augen zu, vertraue mir! Hör auf mich, glaube mir! Augen zu, vertraue mir.“

Link zum Original in englischer Sprache :)) Viel Spass

http://www.youtube.com/watch?v=-T0I5UepXMA&sns=em

Die Geschichtskunde zum Abbau der Bürgerrechte sei mit der interessanten Debatte zum Thema Kryptografieregulierung begonnen…..

Fast vergessen, weil bis heute ernsthaft nicht wieder aufgenommen, ist die erfolgreich beendete Auseinandersetzung um eine „Krypto-Regulierung“ in Deutschland. Dabei war dieser Erfolg keinesfalls selbstverständlich. Auf Druck des damaligen Innenministers Kanther beabsichtigte die Bundesregierung im Jahre 1997 nach heftigen politischen Auseinandersetzungen, die es seit 1995 übrigens selbst innerhalb des BMI gab, Kryptografie in Deutschland quasi zu verbieten (Verschlüsselungen sollten allenfalls und für den Export  mit schon damals leicht zu knackenden Schlüsseln in der  Stärke von nur 56 Bit DES  zulässig sein).

Über die  Auseinandersetzungen berichtete die Computerwoche in ihrer Ausgabe vom 4. April 1997: http://www.computerwoche.de/heftarchiv/1997/14/1097998/ .

Parallel sollte jeder angewandte Schlüssel zentral beim Staat hinterlegt werden (Key Recovery). Selbst PGP- Verschlüsselungen ohne hinterlegten Schlüssel, wie er mit PGP 5 vorgesehen war,  wären somit letztlich quasi illegal gewesen. Sicherheitsbehörden hätten auf diese hinterlegten Schlüssel jederzeit Zugriff gehabt. Mit Hilfe dieser Massnahmen sollte laut Kanther Kriminellen die Möglichkeit genommen werden, Mitteilungen und Festplatten zu verschlüsseln. Unsere Gegeneinwände waren damals verfassungsrechtlicher Art (Art. 10 Abs. 1. GG, Vertraulichkeit der Kommunikation) und die  für kriminelle Elemente einzusetzenden technischen Möglichkeiten, eine solche Regulierung leicht zu umgehen.

Benachteiligt wäre also lediglich der gesetzestreue Bürger gewesen, der seine Daten  nicht mehr im erforderlichen Mass hätte schützen können. Auch Wirtschaft und Forschung hätten beliebig Opfer von Forschungsspionage werden können. Nicht wenige Kritiker unterstellten damals wohl berechtigt  den USA, genau dies mit einer Kryptoregulierung in Wahrheit auch bezwecken zu wollen. Namentlich der damalige US- Vizepräsident Al Gore übte erheblichen internationalen Druck aus, zu einer Regulierung zu kommen. Die US- Regierung ernannte dafür 1996 eigens einen Sonderbotschafter (David Aaron), der damals weltweit Regierungen und aufmüpfige Abgeordnete auf us- amerikanische „Linie“ bringen sollte. Zur us- amerikanischen Kryptokontrollpolitik nahm damals die FITUG http://www.fitug.de/news/1998_99/aaron.html kritisch Stellung.

Ein breites Bündnis aus Datenschützern, Wirtschaft, Wissenschaft und Bürgerrechtlern konnte damals jedoch letztlich die Kryptoregulierung verhindern. Auf Kanthers Seite stand am Ende der gut vorbereiteten Auseinandersetzungen niemand mehr – ausser dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), das sich entgegen eigener und entgegengesetzter  interner Einschätzungen dem Druck seines „Dienstherrn“ beugen musste. Das BSI befürwortete eine Kryptoregulierung. Auch dieser Vorgang zeigt, dass das BSI aus dem Verantwortungsbereich des Bundesministeriums des Inneren herausgelöst werden muss.

(….wird fortgesetzt….)

Gegen das wissenschaftsfeindliche alte Urheberrecht

„Erst mussten die Studierenden dank SchwarzGelb Studiengebühren zahlen. Dafür versperrt ihnen SchwarzGelb jetzt auch noch den Zugang zu digitalen Bibliotheken“ (Jörg Tauss für die Piratenpartei vor Studenten in Darmstadt)


Studierende und Lehrende dürfen laut OLG Frankfurt/M. an elektronischen Leseplätzen der Uni- Bibliotheken künftig keine Dateien mehr ausdrucken oder selbst abspeichern!

Dies ist ein schwerer Schlag gegen eine moderne Wissens- und Informationsgesellschaft. Aus diesem Grunde muss jetzt die politische Auseinandersetzung zur Beseitigung des analogen Steinzeiturheberrechts in Deutschland mit SchwarzGelb aufgenommen werden.

Ein erster Schritt zur Information der Öffentlichkeit, auch im Vorfeld der nächsten Landtagswahl in Nordrhein- Westfalen, muss die öffentliche Mobilisierung für die beim  Deutschen Bundestag aktuell vorliegende Petition mit bisher über 15.000 Unterzeichnern sein:

„Wissenschaft und Forschung – Kostenloser Erwerb wissenschaftlicher Publikationen“ vom 20. 10. 2009  ( https://epetitionen.bundestag.de/index.php?action=petition;sa=details;petition=7922 ).

Die Zeichnungsfrist für diese Petition endet allerdings bereits am 22. 12. 2009.

Politisches Handeln ist nötig, da das merkwürdige letztinstanzliche Urteil des OLG Frankfurt                        (  http://tinyurl.com/yjom4o4 ) auch unmittelbare Folge einer vom Börsenverein und seiner Lobbyisten im Parlament durchgesetzten schwammigen Gesetzgebung ist. Dies ist auch Auswirkung des jahrelangen Kampfes dieser Kreise gegen die notwendige Reform des Urheberrechts. Nach diesem Urteil im „Namen des Volkes“ wird jeder mit 250.000.– Euro Strafe oder 6 Monate Haft bedroht, der Studierende oder Lehrende an elektronischen Terminals in der Uni Bibliothek Texte ausdrucken lässt. Satire? Nein! Das ist der reale Stand der Informations- und Wissensgesellschaft Deutschland im Jahre 2009.

Verlagsinteressen werden mit Wissenschaftsinteressen verwechselt

Damit wurde von der alten Bundesregierung sogar gegen den Koalitionsvertrag verstoßen, der ursprünglich eine wissenschaftsfreundliche Reform des Urheberrechts vorsah. Als „wissenschaftsfreundlich“ wurden jedoch in der Folgezeit nur die Verlagsinteressen interpretiert, die mit der Publikation öffentlich geförderter Forschung Geld verdienen und dann der Wissenschaft deren eigene Forschungsergebnisse überteuert „zurückverkaufen.“ Selbst elektronische Leseplätze in den Bibliotheken wurden deshalb drastisch reglementiert und begrenzt.

Zypries & Co als Verlagslobbyisten

Zu diesem Urteil trug in der abgelaufenen Legislaturperiode jedoch vor allem die Mutlosigkeit der damaligen Justizministerin Zypries bei, die bei der letzten Reform des Urheberrechts, dem so genannten „2. Korb“, kläglich versagte. Über die damaligen Auseinandersetzungen in der SPD- Bundestagsfraktion mit Zypries berichteten u. a.  das Handelsblatt ( http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/spd-fraktion-lehnt-neues-urheberrecht-ab;1054405 ) und heise ( http://www.heise.de/newsticker/meldung/SPD-Medienexperte-fordert-Nachbesserungen-bei-der-Urheberrechtsnovelle-112593.html ) .

Innerhalb der Unionsfraktion gehörte vor allem der NRW- Bundestagsabgeordnete und heutige stellvertretende CDU/CSU- Fraktionsvorsitzende, Dr. Günter Krings (Mönchengladbach), zu den Reformverhinderern. Seit Jahren bekämpft er mit seiner Fraktion verbissen wissenschaftsfreundliche Urheberechtsreformen ( Beispiele aus dem Jahr 2003 http://www.ub.uni-dortmund.de/listen/inetbib/msg11140.html ).

Aber auch die damalige Oppositionsfraktion FDP hatte sich, sogar selbst deren Mitglieder im Bundestagsausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, im Bundestag wie im Bundesrat stets als Interessenvertreterin der Verlage gegen die Interessen von Wissenschaft und der Studierenden verstanden.

Die daraus jetzt resultierenden Folgen sind der Stellungnahme der Technischen Universität Darmstadt ( http://tinyurl.com/ydo3k7u ) zu entnehmen. Bibliotheksinnovationen der letzten Jahre werden durch dieses skandalöse Urteil zu einem schwammigen Gesetz sinnlos zerstört.

Zu diesem vorläufigen „Sieg“ des Stuttgarter Ulmer Verlags vor dem OLG Frankfurt/M. über die Universität Darmstadt hatte ich Matthias Ulmer nach dem Triumphgeschrei des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels  ( http://www.boersenverein.de/sixcms/detail.php/349347 ) kurz & knapp das Nachstehende geschrieben:

Sehr geehrter Herr Ulmer,

mit Interesse habe ich Ihren Kommentar zu den berechtigten Anmerkungen Professor Kuhlens zum Urteil des OLG Frankfurt  gelesen ( http://www.inf.uni-konstanz.de/netethicsblog/?p=202 ).

Auch wenn ich Ihnen natürlich sportlich fair zu Ihrem „Sieg“ gratulieren muss, teile ich Herrn Kuhlens Einschätzung vollständig. Auch ich gehe – vor allem für Ihren Verlag – von einem Pyrrhussieg aus.

Dass Sie sich auf das Gesetz berufen, belegt allerdings eine nicht geringe Chuzpe Ihrerseits. Der Wille des Gesetzgebers war anders, wenngleich ich zugeben muss, dass Ihre beste Lobbyistin, die damalige Justizministerin, alles getan hat, diesen Willen bei der Gesetzgebung zum 2. Korb nicht klarer zum Ausdruck zu bringen. Dass ausgerechnet die im Wahlkreis von Frau Zypries gelegene Universität Darmstadt nun das Opfer des analogen Urheberrechtswahns der Dame  wurde, entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie.

Ich hoffe jedenfalls, dass  Universitäten und  Wissenschaft nun endgültig aufwachen und die Kriegserklärungen der Verlage und von Teilen der Politik an eine moderne Informations- und Wissensgesellschaft zu Ihren Ungunsten angemessen beantworten. Ihre Freude über das Urteil wird im Interesse der deutschen Wissenschaft bis hin zu den Studierenden hoffentlich nur von kurzer Dauer sein.

Mit freundlichen Grüßen
Jörg Tauss
MdB von 1994 – 2009

Soweit dieses Schreiben. Doch wie gesagt:

Es darf  jetzt nicht beim Protest bleiben! Dem Börsenverein, einigen Steinzeitverlagen und deren Lobbyisten muss im Interesse des Wissenschaftsstandorts Deutschland endlich mit einem neuen Urheberrecht und mit Open Access begegnet werden.

Da aber ja nicht nur Verlage wie Ulmer um sich schlagen. sondern sich auch die Musikindustrie mit ihrem Prozess- und Abmahnunwesen zunehmend zu einem gesellschaftlichen Problem entwickelt, an dieser Stelle auch ein interessanter Link zum Thema „Filesharing“ , Beitrag des CCC:

http://www.zeit.de/digital/internet/2009-12/ccc-filesharing-gaycken?page=all

KEIN Antrag auf LAN-Party Verbot in Ettlingen

++++ Eilmeldung +++

Stadtrat Jürgen Maisch hat mitgeteilt, dass der Antrag zurückgezogen wird. Man wolle den Dialog! Dies ist eine äußerst begrüßenswerte Entwicklung!

LAN- Party- Verbote auch in Ettlingen?

Der populistische Unfug geht weiter! Stadtrat Jürgen Maisch von den Freien Wählern hat in den Rat der Stadt Ettlingen einen Antrag eingebracht, künftig LAN- Partys mit „Killerspielen“ zu verbieten. Schon in der nächsten Woche (Dienstag, 8.12.2009) soll in öffentlicher Sitzung darüber beraten werden. Ich habe Herrn Maisch daher wie folgt angeschrieben:

Sehr geehrter Herr Maisch,

mit Bedauern habe ich Ihren Antrag für den Ettlinger Stadtrat für ein LAN- Party- Verbot mit so genannten „Killerspielen“ zur Kenntnis genommen. Um es deutlich zu sagen: Ettlingen muss eigentlich nicht jeden Unfug mitmachen, der schon im Karlsruher Stadtrat diskutiert wurde.

Die von Ihnen konstruierten Zusammenhänge mit Winnenden sind zu simpel, um sie für  eine Bevormundung erwachsener Menschen in Ihrer Stadt zu missbrauchen. Dabei muss auch nicht alles herangezogen werden, was man gelegentlich in den BNN liest, wo ein Redakteur des Südwestechos in dieser Frage äußerst einseitig berichtet und kommentiert. Eine Sachverständigenanhörung im baden- württembergischen Landtag mit tatsächlichen Experten auf dem Gebiet der Medienwirkungsforschung führte kürzlich zu ganz anderen Ergebnissen.

Da da das Thema aber sehr komplex ist, rege ich an, den Antrag zurückzuziehen, sich vor möglichen populistischen Beschlussfassungen im Rat vorab sachkundig zu machen und auch einmal mit den Gamern in Ihrer Stadt selbst zu reden. In der Region ist genügend Fachkunde vorhanden.

Ein Schreiben von mir zum Thema an die Innenminister habe ich angehängt. Vielleicht ist der eine oder andere Aspekt für Sie dabei auch interessant. Für Fragen stehe ich gerne zur Verfügung.

Viele Grüße
Jörg Tauss

Anhang http://jaccomat.net/net/jtauss/dl/2009-06_Brief-Innenminister.pdf

Adnan und Emin seit Juli in Haft

So ein gemütlicher Adventssonntag ist  eine ganz gute Gelegenheit an Leute zu denken, die wie Adnan und Emin wegen nichts anderem  als wegen ihrer freien Meinungsäußerung als Bürgerrechtler, als Blogger oder Internetaktivisten inhaftiert sind.

Leider geraten solche Menschen nach einer Anfangsaufregung  in unserer schnelllebigen Zeit oft wieder in Vergessenheit. Darauf spekulieren die menschenverachtenden Polizeistaaten wie Aserbaidschan, die Mullahs im Iran oder in anderen Teilen der Welt. Deshalb erlaube ich mir immer wieder, ohne die „twitteria“ und andere damit nerven zu wollen, gerade auf den Fall von #EminAdnan aufmerksam zu machen.

Und sicher freut sich das Regime auch weiterhin über Post, und Mails an die Botschaft office@azembassy.de , die nach Baku weitergeleitet werden können. Wer Lust und Zeit hat, kann sich die Vorgänge noch einmal vor Augen führen http://tinyurl.com/ybzc73e . Herzlichen Dank für Solidarität an dieser Stelle übrigens auch noch einmal ausdrücklich im Namen der Familien und der Freunde der Inhaftierten.

Zum Vorgang erschien in „der Freitag“ zum Jahreswechsel 2009/ 2010  der nachstehende Artikel , der die Ereignisse nochmals gut zusammenfasst:

http://www.freitag.de/datenbank/freitag/2009/52/aserbaidschan-opposition-internet-bloggerszene/print

Von Minaretten und Terrorismusfurcht

Forscht man nach den Gründen einer  Minarettablehnung, ist oft quer durch die Bevölkerung, auch bei uns, eine sehr diffuse Türken,- Islam- und Islamistenangst feststellbar. „Hassprediger“ in deutschen Moscheen scheinen offensichtlich Freitag für Freitag in Deutschland zum heiligen Krieg aufzurufen und der Beobachter wundert sich, dass die solcherart Agitierten anschliessend gemütlich Tee trinken oder friedlich nach Hause gehen, statt schon seit Jahren Amok zu laufen, die deutsche Bevölkerung zu massakrieren oder wenigstens schweizerische Gipfelkreuze zu eliminieren.

Erst heute versäumte BILD es in der Minarettdebatte erneut nicht, darauf hinzuweisen, dass einer der Attentäter vom 11. September in Hamburg „die Moschee“ (mit oder ohne Türmchen?) besuchte. Es ist erst wenige Jahre her, dass der hessliche Ministerpräsident Roland Koch mit einer an Verlogenheit und Falschdarstellungen kaum zu überbietenden Agitation am Beispiel des „Doppelpasses“ die hessische Bevölkerung für sich und ganz eindeutig „gegen türkische Ausländer“ mehrheitlich mobilisieren konnte.

Unsere „Minarettabstimmung“ hatten wir also schon – bis hin zur Leitkulturdebatte. Dies sei denen gesagt, die anklagend auf die Schweiz zeigen. Erstaunlich oft begegneten mir in den letzten Tagen sogar  junge Leute, die plötzlich völlig irrational argumentieren. Selbst nach eigener Einschätzung weltoffene Dönerverspeiser äußern sich plötzlich in einer Form, die sich nur nur noch in Sprachgewandtheit und Rechtschreibung vom einfachen brandenburgischen Dorfnazi unterscheidet. „Passt nicht hierher“ ist ein oft gebrauchtes Argument.

Wer aber legt bitte in einer pluralen weltoffenen Gesellschaft in der Mitte Europas heute fest, was  passt und was nicht hierher passt? Der Turm an der Moschee, der Punk auf dem Marktplatz, der frühstückende Flashmob in Braunschweig? Natürlich darf und muss (!) man sich mit religiös begründeten Auswüchsen von der Scharia bis hin zu „Ehrenmorden“ irre gewordener männlicher Familienangehöriger  kritisch auseinandersetzen und diese auch verabscheuen. Doch steht weder die Moschee noch ein Minarett für Terrorismus, Ehrenmorde oder fehlende Integration. Beide stehen so wenig dafür, wie der katholische Dorfkirchturm heute für Hexenverbrennungen steht. Die Aufgeregtheit der Debatte um dieses „Symbol“ ist dessen ungeachtet auch mit  real existierenden und überhaupt nicht zu leugnenden Integrationsproblemen erklärbar, für die sich beide „Seiten“  jeweils trefflich unterlegt Schuld zuweisen können.

Die hauptsächliche Ursache hierfür wird dabei aber noch immer aus der gesellschaftlichen Diskussion in Deutschland peinlich ausgeblendet. Diese besteht aus der unter Führung der Unionsparteien aus ideologischen Gründen jahrzehntelang gepflegten Behauptung, „Deutschland sei kein Einwanderungsland.“ Nun sind aber eben Menschen islamischen Glaubens bei uns zwischenzeitlich über Generationen hinweg zugewandert. Dazu passt „treffend“ der Satz von CDU- Rechtsaußen Bosbach, „wonach das Ergebnis der Volksabstimmung Ausdruck einer auch in Deutschland weit verbreiteten Angst vor einer Islamisierung der Gesellschaft sei“.  Wie heuchlerisch! Wie verlogen! An dieser Angst schürte Bosbach bis heute kräftig mit, indem auch er  jedes „Terrorvideo“ eines spätpubertierenden „Islamisten“ nicht nur vor Bundestagswahlen zur realen Terrorwarnung hochstilisierte.  Diese Warnungen  versetzen Deutschland  seit Jahren in einen gruseligen Dauerzustand antiislamischer Stammtischhysterie. Aus diesem Grunde ist auch eine jetzt veröffentlichte Untersuchung äußerst interessant, die mit der Formulierung „Terror- die inszenierte Gefahr“ gut beschrieben ist.

Stück für Stück weisen Wissenschaftler der Universität Jena ohne jede Beschönigung realer Gefahren  nach, wie das Bild des Islam letztlich durch die Berichterstattung über religiös verbrämten Terrorismus geprägt wird. Thematisiert werden, so der Kommunikationspsychologe Professor Frindte, nicht die Ursachen von Terror, sondern die Massnahmen gegen ihn. Und hier wird es interessant: Fremdenfeindlich eingestellte Personen, die Muslime generell ablehnen, befürworten auch verschärfte Sicherheits- und Überwachungsmassnahmen im so genannten Kampf gegen den Terrorismus. Die Ablehnung von Muslimen wird von solchen Menschen gerade mit  „islamistischer“ Gefahr begründet. Dazu trägt die medial inszenierte Terrorgefahr  bei.

Vielleicht passen deshalb Minarette ja doch zu uns: Als Symbol dafür, dass es noch Bürgerrechte gibt- auch für Minderheiten islamischen Glaubens. Wer heute Bürgerrechte für Minderheiten schützt, muss möglicherweise morgen nicht um seine eigenen Rechte fürchten.

Informationsfreiheit und Mautvertrag

Irgendjemand hat mich aufgefordert, ich möge in meinem Blog doch nicht so „amtsdeutsch“ schreiben, sondern einfach immer wieder Geschichten aus dem Bundestag erzählen. So wie man eben guten Freunden mal bei Bier & Wein Geschichten erzählt. Nun gut: Mitten am Tag will ich auf das Bier verzichten, aber mal erzählen.  Ich beginne mit der historischen Frage:

Was wurde eigentlich aus dem Schadensersatz des Mautkonsortiums an die Bundesrepublik Deutschland?

Wer erinnert sich nicht an das Maut – Desaster aus der Anfangszeit dieser stählernen Autobahnbrücken mit den daran hängenden merkwürdig anmutenden Geräten? Große technische Probleme warfen das Projekt zeitlich immer wieder zurück. Von Milliardenschäden und Schadensersatzzahlungen durch das Maut- Konsortium war die Rede. Nach 16monatiger Verzögerung startete die Mauterhebung dann vielumjubelt doch noch Anfang 2005. Also geriet das Thema Schadenseratz auch bei unserer investigativen Presse  in Vergessenheit.

Ich selbst bin  zugegebenermaßen auch nur wieder auf das Thema gekommen, weil das Bundesverkehrsministerium im Bundestag zur Zeit nach meiner Pivatanschrift forscht. Die tüchtigen Beamten dieses Ministeriums werden sie sicher irgendwann im Telefonbuch finden (oder mit Lektüre dieses Textes: Hauptstr. 34, 76703 Kraichtal – Gochsheim) .

Man will, so hörte ich,  mir nämlich jetzt einen „Gebührenbescheid“ dafür zukommen zu lassen, dass ich als Volksvertreter so vermessen war,  Einsicht in die als geheim eingestuften Verträge mit dem Mautkonsortium Daimler, Telekom und einem französischen Autobahnbetreiber namens Cofiroute zu verlangen.

Das Anliegen des Ministeriums, Geld einzutreiben, ist nur zu verständlich. Irgendwann um das Jahr 2007 herum wollte die Bundesregierung vom Mautkonsortium sogar schlappe 5 Milliarden, die sie bis heute nicht hat. Vielleicht findet das Ministerium die geheime Anschrift seiner noch geheimeren Vertragspartner auch nicht mehr? Aber der Reihe nach.

Warum wollte ich überhaupt Einsicht in den Mautvertrag?

Erstens hatte mich das Thema als Bürger interessiert- Beträge in Milliardenhöhe sind schließlich auch in Zeiten von Abwrackprämien und der Unterfinanzierung  der Bildung kein Pappenstil. Zudem fragte  mich selbst der Dorfstammtisch, „was da denn eigentlich los sei“. Weiterhin wollte ich es als neugieriger Forschungspolitiker wissen. Schliesslich war immer von verlockenden Mehrwerten des Systems bis hin zu intelligenten Flottensteuerungen in der Verkehrspolitik die Rede gewesen.

Nach all den Jahren ist von solchen Diensten aber schon lange nicht mehr die Rede, was wohl auch dazu führte, dass sich keine anderen Länder, nicht einmal  Polizeistaaten, so wirklich für die tolle deutsche Mauttechnik interessierten. Zumindest kein ausländischer Staat. Die eigenen deutschen Sicherheitsbehörden seien der Korrektheit halber erwähnt. Sie waren die einzigen, die sich für „Zusatzanwendungen“ in ihrem Sinne aussprachen. Aber das ist schon wieder eine eigene Geschichte.

Ich zog also um das Jahr 2007 herum mit den erstgenannten Punkten nach erfolglosen Bemühungen gegenüber dem Ministerium vor das Berliner Verwaltungsgericht, um die gewünschten Informationen zu bekommen, die mir, nach naiver eigener Meinung, als Volksvertreter eigentlich zustünden. Dr. Peter Struck liess mich via Fraktionsgeschäftsführung noch wissen, man könne doch keinen „eigenen Minister“ verklagen. Dieser Hinweis belastete mich dann auch nicht weiter, zumal ich bei keinem Mitglied der Bundesregierung für mich Eigentumsrechte erkennen konnte.

Das Verwaltungsgericht Berlin befindet sich sozusagen im Schatten des Bundesinnenministeriums. Dies hätte mir eigentlich schon Warnung genug sein müssen.  Ziemlich unverblümt lies mich Frau Verwaltungsrichterin im Verfahren sehr  schnell wissen, dass sie gar keine Lust hätte, die vermutlich 10.000 Vertragsseiten darauf zu überprüfen, was ich von diesen nun sehen dürfe oder nicht, was nun tatsächlich geheim sei und was nicht. Jedem, der auch schon einmal keinen Bock auf Arbeit hatte, leuchtet eine solche Argumentation  sofort ein. Frau Richterin suchte aber immerhin nach einem Ausweg:

Das beteiligte Bau- und Verkehrsministerium, so ihre pfiffige Idee,  solle doch alles schwärzen, was nicht für einen normalen Bundestagsabgeordneten bestimmt sei. Dieser  Einfall wurde leider postwendend von der Gegenseite abgelehnt. Treuherzig wiesen die Vertreter des Ministeriums darauf hin, dass man, wörtliches Zitat aus dem Gerichtssaal, „dazu mangels Sachverstand nicht in der Lage sei.“ Dieses zwingende Argument eines deutschen Ministerialbeamten leuchtet zumindest einer Berliner Beamtin am Verwaltungsgericht sofort ein, sodass auch diese Überlegung alsbald fallen gelassen wurde.

Erwartungsgemäß verlor ich kostenträchtig meinen Prozess.

Begründet wurde dies  mit dem Inhalt der sagenumwitterten Akte und dem Schutz der Geschäftsgeheimnisse, die man wie ausgeführt nun einmal nicht schwärzen könne. Vor allem wurde ich darauf hingewiesen, dass ja ein laufendes Schiedsverfahren stattfinde, bei dem es unter Leitung eines damaligen Präsidenten des Bundesgerichtshofs schließlich um den genannten  hohen Schadensersatz ginge. .

Eine Aktenveröffentlichung bei diesem laufenden Verfahren, so die gemeinsame Überzeugung der eigentlichen Gegner Verkehrsministerium und Toll- Collect, „gefährde durch mögliche öffentliche Debatten die Entscheidungsfreiheit des Rechtspflegeorgans.“ Außerdem seien sich die Beteiligten (ich war damit nicht gemeint) einig, „dass durch eine Veröffentlichung des Vertrages Toll – Collect im Wettbewerb Schaden entstehen könne.“ Welcher Wettbewerb, ist man da versucht zu fragen?!?

Soviel freundliche Übereinstimmung zwischen Ministerium und Toll- Collect herrschte vor meiner Klage übrigens nicht immer. Ganz am Anfang waren Minister und die armen Beamten ohne Sachverstand sogar richtig sauer auf die Herren der Industrie. Denn Toll- Collect habe den Bund „getäuscht“, so damals Verkehrsminister Stolpe, „indem man Zusagen zu den Terminen der Inbetriebnahme ohne hinreichende Grundlage ins Blaue hinein, also arglistig, abgegeben habe“.

Bei so viel Verhärtung bedurfte es dann doch einiger vertrauensbildender Massnahmen. Am 12. 6. 2008 (!) meldete die Welt, das Schiedsverfahren beginne „in der nächsten Woche an einem geheimen Ort.“ Anfragen seien aber zwecklos, weil Vertraulichkeit vereinbart worden sei. Diese wiederum sei damit zu rechtfertigen, „dass die Verträge eben geheim seien“.

Wie es ausging, weiss ich deshalb nicht. Denn es gab seit Juni 2008 keine weitere Sitzung mehr. Oder sie tagen unter Leitung von Herrn Hirsch vielleicht am geheimen Ort immer noch und wurden, fast wie im Märchen, nur von der Welt vergessen….Und wenn sie  nicht gestorben sind, so tagen sie noch heute…..

Wer mehr wissen will, kann sich unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) vertrauensvoll jederzeit an das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Invalidenstr. 44 (Nomen est omen ;)) in 10115 Berlin oder via Abgeordnetenwatch an seinen Bundestagsabgeordneten wenden. Vorsicht: Könnte aber einen Gebührenbescheid zur Folge haben…. 😉

Von einer verlorenen Akte…..

Mich haben via twitter viele Anfragen wegen der verlorenen Akte  im Ermittlungsverfahren gegen den Präsidenten des Bundeskriminalamts erreicht. Ich werde der Sache nochmals nachgehen und will zunächst einmal berichten, wie es dazu kam:

In meiner Pressekonferenz am 11. 3. 2009 zu den gegen mich erhobenen Vorwürfen wegen kinderpornografischen Materials führte ich unter anderem unter Bezug auf den Präsidenten des Bundeskriminalamts, Ziercke, folgendes aus:

Eigenzitat: „Mit der Begründung eines „rechtsfreien Raumes“ wurden in den letzten Jahren immer mehr Bürgerrechte, gerade auch unter dem Vorwand der Bekämpfung des Missbrauchs von Kindern, abgebaut. Um ein Beispiel zu nennen: Als es kürzlich unter anderem darum ging, die Rechte von Journalistinnen und Journalisten durch eine Ausweitung der Online-Überwachung einzuschränken, wurden zur Einführung in die Debatte vom Präsidenten des BKA den anwesenden Bundestagskolleginnen und -kollegen in voller Länge unter anderem scheußliche Videosequenzen von der Vergewaltigung eines kleinen Mädchens gezeigt.“

Die genannte Vorführung erfolgte im Verlauf einer Sitzung, die vom innenpolitischen Sprecher der SPD- Bundestagsfraktion, Dr. Dieter Wiefelspütz, geleitet wurde. In deren Verlauf kam es auch zu Auseinandersetzungen zwischen den anwesenden Vertretern des BKA und mir.

Meine oben geschilderte Darstellung zum Thema und zum Verlauf der Sitzung wurde durch einen mir nicht bekannten Dritten aufgegriffen, der daraufhin wohl gegen den BKA- Präsidenten Anzeige erstattete. Aufgrund dieser Anzeige wurde ich wiederum vom Polizeipräsidenten zu Berlin aufgefordert, meine Behauptungen zu untermauern und ihm mitzuteilen, wann, mit wem und wo diese Veranstaltung im Deutschen Bundestag stattgefunden hätte. Dies habe ich damals nachrecherchiert und dem Polizeipräsidenten noch im Mai des Jahres sehr zeitnah zur Anfrage zukommen lassen.

Seither hatte ich von dem Vorgang nichts mehr gehört- außer durch die  jetzt bei mir eingegangene Mitteilung, ich möge meine Angaben noch einmal machen, weil die staatsanwaltschaftliche  Akte in „Verlust geraten sei“.

Für mich stellen sich dabei folgende Fragen: Wann wurde bemerkt, dass die Akte verloren wurde? An welcher Stelle „geriet sie in Verlust“  und vor allem: Was war seit Mai in dieser Angelegenheit eigentlich geschehen?

Ich selbst werde  nachschauen, wie die damaligen Abläufe waren. Durch Auflösung meiner Büros in Berlin und Bretten ist dies jetzt allerdings etwas schwieriger, weil mit dem Büroauszug Festplatten etc. gelöscht wurden, da mir nicht gehörende Rechner aus den Abgeordnetenbüros an den Deutschen Bundestag zurückgingen. Deshalb wird es an dieser Stelle erst demnächst eine Fortsetzung geben können…. Ich bitte um etwas Geduld.